Köln | 170 Schreiben, von Erich Sander und seinen Eltern Anna und August Sander aus den Jahren 1935 bis 1944, stellt das NS-Dokumentationszentrum (NS-Dok) und die SK Stiftung Kultur mit dem zweiten Band der Veröffentlichungen des NS-Dok eine Briefedition vor. Die Briefe beschreiben den Alltag Erich Sanders und geben Informationen über das Leben im Gefängnis während des Nationalsozialismus. Einige dieser Briefe gingen an der Kontrolle durch den Zensor vorbei, einige wiederum wurden geschmuggelt oder teilweise mit einer Geheimtinte geschrieben.

Dr. Ulrich Eumann, wissenschaftlicher Mitarbeiter im NS-Dok, hat das Buch, mit 350 Seiten, bearbeitet. Die Veröffentlichung knüpft an den Katalog „August Sanders unbeugsamer Sohn. Erich Sander als Häftling und Gefängnisfotograf im Zuchthaus Siegburg 1935-1944“ zu der gleichnamigen Sonderausstellung des NS-Dok an.

170 erhaltene Briefe der Familie Sander

Während der Haftzeit hielten Erich Sander und seine Eltern Anna und August Sander engen Kontakt. 170 Briefe – offizielle wie auch illegale – von ihnen sind erhalten geblieben. 38 von 170 gingen dabei an der Kontrolle durch den Zensor vorbei. Die restlichen hat Erich Sander schmuggeln lassen, oder mit einer Geheimtinte geschrieben, die mit Hilfe einer chemischen Lösung zu einem späteren Zeitpunkt wieder lesbar gemacht wurden. „Eine Informationsquelle wie die persönlichen Briefe zwischen Erich Sander und seinen Eltern gibt es in solch einer Form nicht noch einmal – zumindest nicht in diesem Umfang“, erklärt Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dok.

Seit 1941 gelang es Erich Sander, Schreiben an der Zensur vorbei aus dem Zuchthaus zu schmuggeln. In den Briefen schrieb Erich Sander über den Alltag im Zuchthaus, außerdem ließ er Informationen durch die Eltern an Verwandte von Mithäftlingen übermitteln. Sohn und Eltern tauschten sich auch über das Familienleben in Köln und das fotografische Werk des Vaters aus. „Erich Sander wollte mit seinen Briefen festhalten, wie es während der NS-Zeit wirklich war“, so Eumann.

Erich Sanders zehnjährigen Zuchthausstrafe

Erich Sander, geboren 1903, war der älteste Sohn des Kölner Fotografen August Sander. Als Mitglied der Sozialistischen Arbeiter-Partei Deutschlands beteiligte er sich aktiv am politischen Widerstand gegen das NS-Regime. 1935 wurde Erich Sander verhaftet und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu einer zehnjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Den größten Widerstand verbüßt er im Zuchthaus Siegburg. „Diese Briefe haben die Veröffentlichung mehr als nur verdient, denn es gibt nichts glaubwürdigeres und lebendiges. Dieses Buch beinhaltet lesenswerte Informationen für ein breites Publikum und ist gleichzeitig auch ein wissenschaftliches Manuskript“, erklärt Gabriele Conrath-Scholl, Leitung der photographischen Sammlung / SK Stiftung Kultur.

Erich Sander starb im März 1944, ein halbes Jahr vor seiner geplanten Entlassung.

Autor: Irem Barlin
Foto: Dr. Ulrich Eumann, wissenschaftlicher Mitarbeiter im NS-Dok