Köln | aktualisiert | Der Ablauf der rechten Demonstration am heutigen Samstagnachmittag ist schnell erzählt: Vom Ottoplatz ging es am späten Nachmittages über die Opladener Straße auf die Justinianstraße bis zu Ecke Deutz-Kalker Straße Ecke Gotenring. Dort hielten die Rechten mitten auf der Kreuzung eine Kundgebung ab, kehrten um und verließen Köln über den Deutzer Bahnhof. Es waren vornehmlich Rechte aus dem Spektrum Hogesa und der nach Auflösung der rechten Kameradschaften gegründeten Partei Die Rechte aus Dortmund. Es kam zu mehreren Übergriffen auf Journalisten und mehrfach wurde der Hitlergruß gezeigt. Rund 500 Menschen aus den Bündnissen Köln stellt sich quer, Köln gegen Rechts und den demokratischen Parteien protestierten gegen den rechten Aufzug. Neu ist, dass die Rechten sich selbst und selbstbewußt als „Nazis“ oder „Nationalsozialisten“ bezeichnen.

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Am Deutzer Bahnhof haben Rechte Pyrotechnik gezündet

Die Polizei sperrte den Bereich in Deutz weiträumig ab und es kam zu massiven Verkehrsbehinderungen. So konnten auch die Stadtbahnen der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) nicht fahren. Die Rechten und Rechtsextremen stammen zum Großteil aus der Dortmunder Rechten. Mehrere rechte Redner, die sich selbst als „Nazis“ oder „Nationalsozialisten“ nannten, nutzten einen martialische, brutal und aggressive Sprache. Ein Redner spricht davon, dass der Tag kommen werde an dem die Teilnehmer der rechten Demonstration das antideutsche Pack – damit meinte er die Gegenkundgebung – an einen Ort bringen werde, an dem diese dann Tag für Tag Steine klopfen könnten. Eine deutliche Anspielung auf die Konzentrationslager der NS-Zeit.

Mehrfach zeigen einige Demonstranten den Hitlergruß und nicht nur das. So sagte Paul Breuer, einer der Redner in Bezug auf die Silvesternacht 2015/16 und die Rolle der Kölner Polizei im Zusammenhang mit dem Stop der Demonstration an der Deutzer Freiheit, dass diese nicht die Strecke frei geräumt habe und dies nur daher getan hat, um die Rechten zu entmutigen: „Wir Nationalsozialisten werden unsere braunen Finger stets in die eiternden Beulen stecken, die dieses System hervorbringt.“ Die rund 130 Demonstranten rufen: „Mustafa geh zurück nach Ankara“, aber auch „Volk, Rasse und Nation“, kündigen Straßenkampf an und fordern „nationaler Sozialismus jetzt“.

Klaus Schäfer, der ehemalige Dortmunder Feuerwehrchef, der heute im rechten Lager aktiv ist, etwa formuliert, dass man die Neger nicht im Mittelmeer ersaufen lassen wolle, sondern sie retten und dann an die afrikanische Küste zurückbringen werde. Kevin Koch spricht nicht mehr von Asylanten oder Flüchtlingen, sondern von Wilden, die Gewalt gegen Deutsche ausübten und gegen die man sich zur Wehr setzen werde. Koch rief den Demonstranten zu: „Was auch bemerkenswert ist, dass heute 130 Nazis durch Köln marschieren können und eine Millionenstadt nicht in der Lage ist, sich gegen uns aufzulehnen, so wie sie es angekündigt haben. 130 Mann von uns, keine Polizei und kein einziger von Euch würde hier rumlaufen und große Fresse haben“, so Koch in Richtung der Gegendemonstranten.

Ein weiterer Redner Johannes Welge agitierte zur medialen Situation: „Schmeiß den Fernseher aus dem Fenster, verbrenn die Zeitung, hör nicht mehr auf die Lügenpresse, mach dir deine eigenen Gedanken, sieh was mit deinem Land los ist, was mit deinem Volk los ist, geh dagegen auf die Straße, leiste Widerstand, jeden Tag, mach deinen Mund auf und lass dir nichts gefallen.“

Es gibt Parallelen in den Sprechchören zur Demonstration, die von Ester Seitz angemeldet worden war, am vergangenen Wochenende. Wer die Gleichförmigkeit der Agitationen, der skandierten Sprüche beider Demonstrationen erlebt, fragt sich, ob die rechtspopulistische und extreme rechte Szene sich eine Art von Corporate Identity in der Spache zugelegt hat oder sich diese herauskristallisiert. Auch wenn die extreme Rechte, die heute in Köln demonstrierte, in den Spitzen der Sprechchöre oder den Reden grundaggressiver ist. Aber aus beiden Gruppierungen ruft man „hier marschiert der nationale Widerstand“. Auf beiden Demonstrationen wurden Politiker, die aktuell Verantwortung tragen, als kriminell von Rednern bezeichnet.

Es gab heute Drohungen und Gewalt gegen Journalisten. Einem Kameramann schlug ein sehr junger Rechter mit seiner Fahne in die Kamera. Ein aufmerksamer Polizeibeamter sah dies und nahm den jungen Mann, der noch 14 Jahre alt war, fest. Er wurde in die Obhut seiner Eltern übergeben. Mehrfach wurden Journalisten aus der rechten Menge heraus gedroht und Hausbesuche angekündigt, auch dieser Internetzeitung.

Die Kölner Polizei stellte in einer vorläufigen Bilanz ihre Erkenntnisse dar. Vor dem Beginn der rechten Versammlung „Keine Gewalt gegen Deutsche“ auf dem Ottoplatz wurden bei einer Person Quarzsandhandschuhe und Vermummungsgegenstände gefunden. Der Mann wurde von der Versammlung ausgeschlossen und musste zur Durchsetzung einer Platzverweisung in Gewahrsam genommen werden. Eine Strafanzeige wurde gefertigt. Einer der Männer, die den Hitlergruß zeigten, durfte nicht weiter an der Versammlung teilnehmen und muss mit einer Strafanzeige rechnen.

Im Deutzer Bahnhof, nach dem Ende der rechten Versammlung, wurde Pyrotechnik abgebrannt und die Stimmung heizte sich zwischen Gegendemonstranten und Demonstranten verbal noch einmal auf. Hier fertigte die Polizei eine Strafanzeige gegen einen linken Teilnehmer.

Wo beginnt Volksverhetzung?

Eine Frage, die sich nach der Demonstration der Rechten stellt ist, wo beginnt Volksverhetzung, wann greift der Paragraf 130 Strafgesetzbuch? Wenn sich jemand öffentlich als „Nationalsozialist“ oder „Nazi“ bezeichnet und damit auch noch eine Aussage verknüpft, wenn zu Beginn der Kundgebung „Orte zum Tag für Tag Steineklopfen“ benannt werden und jedem Menschen klar ist, welche Orte damit gemeint sind. Eines wird durch die öffentliche Verwendung dieser Begriffe durch die rechten Redner deutlich, sie testen damit Grenzen aus und mit dem heutigen Tag in Köln, haben sie für die rheinische Metropole eine neue Grenze überschritten, die es bislang gab. Die demokratische Gesellschaft muss sich fragen, wo sie die Grenze hier setzt und dies auch als Auftrag an die Polizei formulieren. Menschen die offen Rassismus auf die Kölner Straßen tragen, konnten dies heute in Köln tun und sich dabei als „Nationalsozialisten“ und „Nazis“ bezeichnen, das ist eine neue Qualität.

Autor: Andi Goral
Foto: Immer wieder skandierten die Rechten „Ganz NRW haßt die Polizei“