Köln | aktualisiert | Die Bezirksregierung Köln stellte heute Teile des Flüchtlingslagers in Chorweiler vor. Dieses dient als Erstaufnahmelager des Landes Nordrhein-Westfalen, dessen eigene Einrichtungen völlig überfüllt sind. Flüchtlinge werden hier ein bis sechs Wochen verbringen. Hinter Bauzaun mit Blick aufs bunte Aqualand. Derzeit plant man mit einer maximalen Belegung von 880 Flüchtlingen.

Rundgang durch das Flüchtlingslager in Chorweiler >

Warum gibt es keinen Spielplatz im Flüchtlingslager?

Stellen wir uns einmal vor wir wären nochmal Kind. Flüchtlingskind, auch wenn wir die Traumatisierungen sicher nicht nachempfinden könnten, aber wir wagen einen Blick mit offenen Augen und beschreiben, was wir zuerst sehen. Wir kommen mit dem Bus aus Dortmund oder Bielefeld von weit her. Wir blicken aus dem Busfenster und sehen links, kurz nachdem wir von der Merianstraße abgebogen sind, fröhliche Kinder die auf einem Spielplatz spielen. Dann fährt unser Bus noch ein paar Meter weiter, rechts ein Parkplatz. Vor uns ein Bauzaun, überall in den Büschen liegt Müll. Rechts ein kleiner weißer Container mit grau gekleideten Sicherheitswachleuten, links in Reih und Glied riesige blaue Überseecontainer. Dann geht es in ein Zelt mit langen Tischen, hier werden wir registriert und bekommen unsere Erstausstattung.

Weiter geht es in eines der großen Zelte mit Doppelstockbetten, die ohne elektrisches Licht auch tagsüber finster sind und vor denen grüne Maschinen stehen. Mit uns in den Großzelten 70 oder sogar 80 weitere Menschen. Ein Spind als Schrank. Um uns herum Bauzäune, ein paar Container mit Toiletten und Duschen. Essen gibt es von 8 bis 9:30 Uhr, 13 bis 14:30 Uhr und 18 bis 19:30 Uhr. Wenn wir das Zelt verlassen, sehen wir hinter dem Bauzaun ein buntes Haus mit Kuppel. Wir wissen ja nicht, dass dies ein Spaßbad ist. Einen Spielplatz sehen wir nicht, noch nicht einmal eine Rutsche oder eine billige Metallschaukel und einen Sandkasten im Freien, so wie die Kinder, die wir bei unserer Ankunft gesehen haben. Dafür einen Aschenbecher an einer Holzlatte, die auch als Halterung für eine Lampe dient. Die Johanniter, die das Lager betreuen, wollen noch eine Spielecke in einem der Zelte einrichten. Würden wir uns als Kind nicht fragen, warum darf ich nicht mit den fröhlichen Kindern spielen, oder warum haben wir hier bei den weißen Zelten nicht so einen kleinen Spielplatz?

18 Großzelte sind aufgestellt

Regierungspräsidentin Gisela Walsken präsentierte heute Teile des Flüchtlingslagers, das aus 18 Zelten besteht. Ein Muster-Schlaf und Wohnzelt, eine Essensausgabe und ein Aufenthaltszelt. Die Toiletten und Duschcontainer wurden nicht gezeigt. 13 Wohn- und Schlafzelte wird es geben. Man hat provisorische Wände eingezogen, die für ein wenig Privatheit sorgen sollen. Zumindest im Musterzelt. Die Menschen werden in Doppelstockbetten untergebracht, in den extrem schmalen Parzellen bis zu vier, aber es gibt auch Kojen mit 12 Schlafplätzen. Jeder Flüchtling hat einen Spind. Nachtruhen gilt von 22 bis 6 Uhr, dann gebe es eine Notbeleuchtung in den Zelten. Die Zelte stehen dicht an dicht, die Wege dazwischen sind mit grobem Steinkies hergerichtet. Schon jetzt halten sich Pfützen im Lager. Später fährt die Kölner Berufsfeuerwehr durch das Lager. Die Bezirksregierung will jetzt twittern, was im Lager noch benötigt wird.

Hohe Fluktuation im Lager erwartet

Die Fluktuation im Lager wird groß sein. Es werden Menschen aus allen Ländern kommen und auch bunt zusammengewürfelt leben müssen. Der stellvertretende Regierungspräsident von Köln, Wilhelm Steitz sagt: So wie die Flüchtlinge kommen, kommen sie, wir sortieren nicht. Die Flüchtlinge werden registriert und es wird einen ersten Medizincheck geben. Flüchtlinge die bleiben dürfen, sollen so schnell wie möglich an die Kommunen weitervermittelt werden. Zum 31.1.2016 will die Bezirksregierung das Flüchtlingslager in Chorweiler auflösen und ein Containerdorf in Bayenthal aufgebaut haben. Die Großzelte machen einen winterfesten Eindruck.

Keine Ideallösung

Die Johanniter verweisen auf ihre große Erfahrung beim Betrieb von Flüchtlingslagern. Man betreue derzeit 26 zentrale Einrichtungen in NRW mit rund 7.500 Flüchtlingen. Seit Herbst 2014 habe man insgesamt über 30.000 Menschen betreut. Ein Drittel der Flüchtlinge sei minderjährig, so die Johanniter, die das Lager als Zeltdorf bezeichnen. Man will neben der Essensbetreuung, es werde kein Schweinefleisch geben und immer auch ein vegetarisches Gericht, auch für eine Kleiderkammer sorgen und Deutschunterricht anbieten. Kirsten Hols, vom Johanniter-Landesvorstand NRW, sagt: „Das Zeltdorf ist keine Ideallösung, sondern ist die einzige Möglichkeit Obdachlosigkeit zu vermeiden. Wir wollen den Flüchtlingen den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen. Aber ich gebe auch kein Versprechen ab, dass alles perfekt laufen wird.“ 25 Mitarbeiter wollen die Johanniter im Tagesdurchschnitt für 880 Flüchtlinge vorhalten. Neben Krankenschwestern, sollen auch Sozialarbeiter und ein Arzt zum Einsatz kommen, der regelmäßige Sprechstunden anbietet. Man freue sich aber über Ärzte, vor allem Kinderärzte, die das Team ehrenamtlich unterstützen möchten. Das Technische Hilfswerk, THW, hat für die technische Infrastruktur wie Sanitär und Elektro gesorgt. Auch ein Notstromaggregat surrt am Ende des Lagers vor sich hin. 400 Helfer des THW haben geholfen das Flüchtlingslager aufzubauen.

Sicherheit garantiert?

Für ein gutes Willkommen will auch Christian Bierth, Betriebsleiter des Aqualandes sorgen. Zwar spricht er von einem schwierigen Start, hofft aber jetzt auf die Solidarität und Verständnis seiner Kunden. Man wolle ein guter Nachbar sein und eine kleine Spendenaktion initiieren, oder für Flüchtlingskinder Kindergeburtstage oder Schwimmkurse anbieten. Für die Sicherheit sorgt ein privater Wachdienst.  Der stellvertretende Regierungspräsident von Köln, Wilhelm Steitz geht davon aus, dass die Menschen, anders als im sächsischen Heidenau sicher seien. Die NRW Polizei sei sensibilisiert und sehr aufmerksam. Auch mit verdeckten Maßnahmen. Schon wenn ein Ort für eine mögliche Flüchtlingsunterbringung diskutiert werde, sei die Polizei informiert und involviert. Es gebe in NRW ein sehr gutes System, so Steitz.

Wo ist das Schild „Willkommen“?

Wann die ersten Bewohner einziehen werden, ist noch nicht klar. Man sei noch nicht fertig. So durften heute weder die Dusch- noch Toiletten-Container besichtigt werden, weil diese noch nicht abgenommen seien. Wie die weiteren Zelte ausgestattet werden, zeigten Johanniter und Bezirksregierung nicht. So bleibt ein unfertiger Eindruck, aber eines kann man klar feststellen, durch eine sprachliche Aufwertung in Zeltdorf, wird der Zustand nicht besser. Es ist ein Flüchtlingslager hinter Bauzäunen mit Großzelten. Als Kind würde man sich fragen, warum darf ich nicht mit den anderen Kindern auf dem schönen Spielplatz hinter dem Parkplatz toben und spielen. Aber vielleicht twittert die Bezirksregierung ja bald, dass noch Spielgerät für einen kleinen Kinderspielplatz außerhalb des Großzeltes fehlt und vor allem auch aufgestellt werden darf. Das wäre für die Kinder zumindest ein Anfang. Und auch ein Schild vor den blauen Containern auf dem „Willkommen“ in vielen Sprachen steht, vielleicht mit einem Smiley, würde helfen das Ankommen ein wenig persönlicher zu gestalten.

[infobox]Aktualisiert 29.8.2015, 8:05 Uhr

Die Bezirksregierung hatte am gestrigen Freitag, 28.8.2015, Politik und Initiativen eingeladen sich die Unterbringung von Flüchtlingen in Chorweiler anzusehen. Die Piratengruppe im Rat und Piratenfraktion im Landtag NRW hat nach dem Besuch zwei Statements veröffentlicht:

Thomas Hegenbarth, Piratengruppe im Kölner Stadtrat: „Es war ziemlich beklemmend und deprimierend. Solche Anlagen kannte ich bisher nur aus den Nachrichten aus Ländern um Syrien herum. In den großen Zelten wird es für die Leute keinerlei Privatsphäre geben: 10 Personen werden sich eine Toilette teilen müssen und die Stockbetten sind nicht für größere Menschen ausgelegt. Die Bezirksregierung hat uns das Versprechen gegeben, dass die Zeltstadt bis Januar wieder abgebaut wird. Meine Bitte, dass ich zukünftig regelmäßig die Zustände in der Zeltstadt kontrollieren darf, damit es aus Köln keine Bilder wie aus Dresden gibt, wurde barsch zurückgewiesen. Da werde ich aber unerbittlich bleiben.“

Frank Herrmann, flüchtlingspolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW: „Köln ist leider nicht die einzige Zeltstadt in NRW, die die Landesregierung nun trotz etlicher Vorwarnungen aufmachen musste. Es ist für ein reiches Aufnahmeland wie Deutschland beschämend, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in Notunterkünften wie Zelten, Schnellbaucontainern oder Turnhallen nun zur Regel zu wird. Diese Notlösungen gewähren keine menschenwürdige und an die Bedürfnisse von Flüchtlingen angepasste Versorgung. Wir fordern von der Landesregierung schon seit längerer Zeit, dass parallel zur nun notwendig gewordenen provisorischen Unterbringung mit Hochdruck an einer nachhaltigen, humanen und dezentralen Aufnahme gearbeitet wird. Aktuell haben wir einen Antrag ins Plenum eingereicht, der der Landesregierung Vorschläge unterbreitet, wie die Unterbringung in Zelten und Turnhallen in Zukunft unterbleiben kann.“

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Autor: Andi Goral