Köln | Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen Journalisten. Genauer gesagt gegen Jorunalisten des Online-Blogs „netzpolitik.org“. [Wir berichteten auf report-deutschland.de] Das Bündnis #StopWatchingUs Köln ruft heute zur Mahnwache vor der Einfahrt des Verfassungsschutzes in Köln-Chorweiler auf. Prof. Dr. Frank Überall hat in einem Text zu den Ermittlungen Stellung bezogen, den report-K mit freundlicher Genehmigung an dieser Stelle im Wortlaut veröffentlicht.

[infobox]Spontane Mahnwache
Bundesamt für Verfassungsschutz
Aufruf von #StopWatchingUs Köln
Freitag, 31. Juli 2015, 16.00 Uhr
Merianstraße 100
50765 Köln

[/infobox]

Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) hat den Generalbundesanwalt mittlerweile aufgefordert die Ermittlungen gegen die beiden Journalisten Andre Meister und Markus Beckedahl sofort einzustellen und wertet die laufenden Ermittlungen gegen „netzpolitik.org“ als Justizposse. Der Vorwurf des Generalbundesanwaltes ist, dass die beiden Journalisten in Artikeln über den Verfassungsschutz Staatsgeheimnisse der Bundesrepublik Deutschland verraten hätten. Anzeige erstattet hatte der Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen.

[infobox]

Gastbeitrag von Prof. Dr. Frank Überall im Wortlaut (kursiv gesetzt)

Frank Überall
Schützt die Verfassung! Rettet die Pressefreiheit!

Da hat also der Verfassungsschutz mal wieder den Paragraphen des Landesverrats entdeckt, und man dachte sich in einem Anflug sommerlichen Hochgefühls, man könnte doch mal wieder ein paar Schlagzeilen produzieren, indem man die Strafvorschrift wie vor einem guten halben Jahrhundert bei der Spiegel-Affäre mal wieder auf Journalisten anwendet: Einfach mal austesten, wie groß die Solidarität mit diesen dubiosen Medienmenschen in der Gesellschaft so ist. In Zeiten der „Lügenpresse“-Vorwürfe ist das Wasser auf die Mühlen derer, die ein Grundrecht aushöhlen wollen: Die Pressefreiheit!

Ausgerechnet ein Amt, das die Verfassung schützen soll, stellt nun die Verfassung infrage. Das ist ein für Demokraten absolut unerträglicher Zustand!

Medien werden in einer funktionsfähigen Demokratie gebraucht, auch über unangenehme Wahrheiten aus staatlichen Behörden zu recherchieren und zu informieren. Wie oft wird in der journalistischen Berichterstattung aus formal geheimen Papieren zitiert?! Soll das in Zukunft grundsätzlich verboten werden? Wo kommen wir hin, wenn jede Journalistin, jeder Journalist mit strafrechtlichen Folgen rechnen muss, wenn reguläre Berichterstattung jenseits von Katzenvideos und Servicetipps für den Sommerurlaub zum Besuch auf der Anklagebank enden könnte?

Womöglich ist der juristische Schachzug nur ein Warnschuss an alle, die sich allzu sehr mit den Skandalen und Skandälchen eines Amtes befassen, die zuweilen hart am Rande der Legalität agiert. Da geht es nicht nur um Überwachung und NSA, wie in den Berichten von netzpolitik.org. Da geht es auch um die Aufarbeitung des rechtsextremen NSU-Skandals, bei dem die Rolle der Verfassungsschutzbehörden bei weitem noch nicht geklärt erscheint. Natürlich ist das alles streng geheim. Aber auch im NSU-Fall drohen eben Grundprinzipien der Demokratie ausgehöhlt zu werden.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz muss seine Strafanzeigen gegen Journalisten sofort zurückziehen! Unsere gewählten Politikerinnen und Politiker müssen das Thema in den parlamentarischen Gremien aufgreifen – Sommerloch hin oder her, sorgen Sie dafür dass unsere Verfassung tatsächlich geschützt und nicht von übereifrigen Bürokraten in fundamental Frage gestellt wird! Das Grundrecht der Pressefreiheit darf nicht zum Spielball dubioser Interessen pflichtvergessener Schlapphüte werden!“

[/infobox]

Autor: Andi Goral
Foto: Eigenwerbung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Das Foto stellte Prof. Dr. Frank Überall zur Verfügung.