Köln | In der Kölner Industrie und Handelskammer (IHK) gibt es seit gestern eine famose Ausstellung zu sehen. Sie zeigt 22 Fotografien von städtischen Plätzen aus der ganzen Republik, darunter auch den Vorplatz des Kölner Domes um 1920 und heute. Die Fotos sind in Schwarz-Weiss gehalten und visualisieren auf beeindruckende, aber auch brutale Art, wie wenig heutige Stadtplanung und Architektur mit Stadtraum umgehen kann. Die Bilder sind nebeneinander gehängt, so dass ein direkter Vergleich sichtbar wird. Besonders auffällig ist das Bilderpaar zum Dom. Früher ein toller Platz, der Dom, aber auch etwa das Excelsior Ernst Hotel freistellten, heute ein Dom der wie abgesoffen und Häuser die abgeschnitten wirken. Nur ohne direkten Vergleich ist einem das nicht bewußt.

Forderung: Die Parkgarage vor dem Hauptportal des Domes muss weg

Professor Christoph Mäckler, Direktor Deutsches Institut für Stadtbaukunst an der Technischen Universität Dortmund, sagt es in wenigen klaren und einleuchtenden Worten: „Niemand käme auf die Idee vor dem Straßburger Münster eine Parkgarage zu errichten. In Köln hat man eine Parkgarage vor das Hauptportal des Kölner Domes gesetzt. Ich bin mir sicher, dass es diese in 50 Jahren nicht mehr geben wird.“ und fordert den Abriss der Garage und eine Neugestaltung des Domumfeldes. Wenig später steht er mit dem Präsidenten der IHK Köln Paul Bauwens-Adenauer, der die Ausstellung lobte, weil sie das Auge schärfe wie eine gute gut geplante und gebaute Stadt aussehe, vor dem Bild mit der Kölner Domplatte. Und erst wenn man die beiden Bilder, aufgenommen aus der gleichen Perspektive und in Schwarz-Weiss nebeneinander sieht, bekommt man eine Ahnung, was beim Bau und der Gestaltung der Kölner Domplatte, städtebaulich und architektonisch alles schief gelaufen ist und warum Mäckler so drastische Worte wählt.

1920 Shared Space – heute Fußgängerzone

Auf der Aufnahme von 1920 ist ein belebter Platz zu sehen. Menschen, Autos, Straßenbahn, ein buntes Gewimmel, dass Bauwens-Adenauer den modernen Begriff „Shared Space“ in den Raum werfen lässt. Der Dom hat eine Treppe, eine Art Balkon und einen breiten Bürgersteig vor dem Hauptportal und beginnt ein ganzes Geschoss niedriger. Die umliegenden Häuser sind bis zur Bodenkante erkennbar und erreichen damit auch eine andere Dimension und Proportion. Und darum geht es in der gesamten Ausstellung, nicht um Verklärung von Historischem, sondern um Dimension und Proportion. Auf der Aufnahme von heute, sind Dom und die angrenzenden Häuser abgeschnitten. Bauwens-Adenauer und Mäckler sprechen von einer Situation, als würde der Dom schwimmen. Das Hotel Excelsior Ernst ist erst ab Mitte des ersten Stockes zu sehen, eine groteske bauliche Situation, die dem Dom, der als gotische Kathedrale ja in die Höhe streben sollte, die Höhe nimmt und ihn heute gedrungener erscheinen lässt. Alles gerät durch die Domplatte aus der Proportion und bekommt sogar andere Dimensionen. Jeder der in der Stadt über die Neugestaltung des Domumfeldes diskutiert, sollte sich diese beiden Fotos ansehen.

Auch das Foto vom Bonner Hauptbahnhof vor 50 Jahren und heute lässt einen erstaunen. Das was man heute im Rheinland das Bonner Loch nennt, war früher bebaut. Die Häuser rückten nahe heran und definierten eine klare Fluchtlinie. Heute ist öde Weite, die städtische Bebauung weit abgerückt zu sehen und der Stadtraum völlig undefiniert. Die Ausstellung sucht und will den optischen Vergleich und tourt durch Deutschland. An jedem Ort wo sie gezeigt wird, kommt ein neues Bilderpaar aus der jeweiligen Stadt hinzu. Derzeit sind es elf Paare. Die Fotos zeigen Stadtraum, der im Krieg nicht zerstört wurde, wie er in den 50er Jahren definiert wurde und wie er sich heute präsentiert. Viele der Orte wurden durch Verkehrsbauwerke zerstört, so auch die Situation etwa vor dem Frankfurter Hauptbahnhof. In manchen Fällen, wie etwa aktuell in Düsseldorf, wo man den sogenannten Tausendfüßler zurückbaue, werden die Sünden von damals korrigiert.

Den Verkehr nicht vom Städtischen trennen

Mit der Ausstellung wolle man, so Professor Christoph Mäckler, die Politik, Wirtschaft und vor allem die Planungspolitik unterstützen, sich wieder mehr um den Stadtraum zu kümmern, eine Forderung, die aus der Bevölkerung selbst, auch aus den obersten Etagen, komme. Viele der Plätze und Straßen seien aseptisch durch die strikte Trennung von Verkehr, Bauten und Stadtleben, weil monofunktional geworden. Die Nord-Südfahrt in Köln, über die gleich viel Verkehr wie in Paris über die Champs-Élysées rolle, sei tot, während in Paris die Menschen schlenderten oder ihren Kaffee tränken. Der Verkehr, so Mäckler, dürfe nicht vom Städtischen getrennt werden. Er gehöre zur Stadt. Es müsse wieder gelingen eine Durchmischung zu erreichen, von Wohnen, Läden, Restaurants, Cafes und Verkehr. So sei der Pariser Platz in Berlin zwar städtebaulich gut gelungen, aber auch hier fehle das Leben, weil man vergessen habe dort Wohnraum zu schaffen. Ein Problem sieht man beim Deutschen Institut für Stadtbaukunst auch darin, dass Stadtplaner und Architekten heutzutage zu sehr getrennt arbeiten und nicht mehr gemeinsam an Lösungen arbeiten. Oft, auch in Köln, gibt es erst den städtebaulichen und später den Architekturwettbewerb. Auch IHK-Präsident Bauwens-Adenauer fordert seit längerem eine Task-Force öffentlicher Raum, die definieren soll wie Stadtraum und die Kölner Straßen aussehen sollen, um eine einheitliches Kölner Stadtbild zu prägen. Die Ausstellung in der IHK Köln ist sehenswert, auch weil sie Architektur und Stadtraum leicht erfassbar macht und öffnet einem die Augen, auch dass die Weite eines Platzes nicht immer die beste Lösung für städtischen Innenraum ist.

„Plätze in Deutschland 1950 und heute – Eine Gegenüberstellung“
Fotoausstellung des Deutschen Instituts für Stadtbaukunst in Zusammenarbeit mit Dr. Rolf-E. Breuer.
IHK Köln, Treppenhaus
Unter Sachsenhausen 10-26
50667 Köln
Geöffnet zu den Geschäftszeiten der IHK
Eintritt frei

Autor: Andi Goral
Foto: IHK Präsident Paul Bauwens-Adenauer und Professor Christoph Mäckler vor dem Foto des Domvorplatzes aus dem Jahr 1920.