Köln | Dem Autonomen Zentrum (AZ) im Kölner Stadtteil Kalk droht eine baldige Räumung. Ein Nutzungsvertrag wurde vonseiten der Stadt Köln zum 30.06.2013 gekündigt. Alternativen für eine Neuunterbringung des Zentrums vonseiten der Stadt gebe es bis dato nicht, so ein Vertreter des AZ. In einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Jürgen Roters und den Rat der Stadt Köln fordern zahlreiche prominente Unterstützer des AZ dessen Fortbestehen.

Nachdem es trotz mehrfacher Versuche einer Kontaktaufnahme von Seiten des AZ beinahe ein Jahr lang überhaupt keinen direkten Kontakt gegeben hätte, sei die SPD in zwei persönlichen Gesprächen in den vergangenen Wochen zu keinerlei Zugeständnissen bereit gewesen, so Martin Warneck, Sprecher des basisdemokratisch organisierten AZ. Insbesondere hätten Vertreter der SPD, namentlich Susana dos Santos Herrmann und Michael Paetzold, sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit seien, über einen Fortbestand des Autonomen Zentrums in der Wiersbergstraße oder an einem anderen Standort in Kalk zu sprechen. Der damals noch mit der Sparkasse Köln-Bonn unterschriebene Nutzungsvertrag sei unbefristet gewesen. Seit Bekanntwerden der Kündigung durch die Stadt habe man Versuche zum Dialog unternommen.

Die Argumente gegen einen Verbleib des Autonomen Zentrums in der ehemaligen KHD-Kantine seien für das AZ weiterhin in keinster Weise nachvollziehbar, so Warneck. Für den Erweiterungsbau der Kaiserin-Theophanu-Schule werde das Gelände der ehemaligen Kantine nicht gebraucht. Für die während der Übergangszeit benötigten Container wären problemlos auch andere Standorte denkbar, zum Beispiel auf dem Gelände der so genannten „Halle 60a“, die für den Erweiterungsbau der Schule sowieso abgerissen werden müsse. In den derzeitigen Plänen sei immer noch die Errichtung eines Grünstreifens auf dem Gelände des AZ vorgesehen, eine Erweiterung der Schule auf dem Gelände des AZ sei laut aktuellem Bebauungsplan nicht vorgesehen. Außerdem sollen Arbeiten auf dem Gelände erst im Jahre 2015 aufgenommen werden. Somit bestünde noch Zeit für Diskussionen mit Vertretern der Stadt.Warum wenige Quadratmeter Grünfläche wichtiger sein sollen, als ein regelmäßig von vielen hundert Menschen genutztes kulturelles und politisches Projekt ,sei für die Vertreter des AZ nicht nachvollziehbar, zumal sich diese Pläne gut mit der bestehenden Bebauung kombinieren ließen. Warneck spricht in diesem Zusammenhang von einem politisch gewollten Aus für das AZ in Kalk.

Man sei weiterhin bereit, ab sofort Gespräche über eine längerfristige, einvernehmliche Lösung der Situation zu führen und in diesem Rahmen auch Kriterien für ein mögliches Ersatzobjekt zu diskutieren. Bedingung dafür sei allerdings, dass für die Dauer dieser Gespräche verbindlich auf eine gewaltsame Räumung des Autonomen Zentrums verzichtet werde. Bislang sei die SPD nicht einmal zu einer solchen Zusage bereit, die in politisch in der Verantwortung stehe. Das AZ bereite sich ab sofort auf eine Räumung des Gebäudes schon im Juli vor. Dabei gebe es eine klare Vereinbarung der Leute im Haus: Es werde keine Eskalation der Situation angestrebt.

Das AZ erfahre weiterhin überwältigend großen Zuspruch aus vielen Teilen der Stadt. Eine Online-Petition zum dessen Erhalt haben laut AZ weit über 3000 Menschen unterzeichnet. Zahlreiche namhafte Personen aus Kultur, Politik und Stadtgesellschaft unterstützten einen Offenen Brief an OB Roters und den Rat der Stadt Köln , in dem sie den Erhalt des Autonomen Zentrums forderten.

Einer der Unterstützer, Pfarrer Franz Meurer, wirft Stadtverwaltung und Rat Versäumnisse vor. Man habe es innerhalb der letzten drei Jahre versäumt, Alternativen für den jetzigen Standort des AZ zu schaffen. Für den Fall einer Räumung hat er klare Forderungen an die Verantwortlichen: „Wer räumt, hat gleichzeitig die Pflicht, am nächsten Tag zu bauen.“, so Meurer. Ansonsten mache man sich unglaubwürdig. Außerdem müsse vor der Räumung eine andere Lokalität für das AZ geschaffen werden. Schließlich dürfe die Räumung nicht auf die Kosten der Kalker Bevölkerung gehen, die bereits in den letzten Jahren unter vorangegangenen Polizeieinsätzen gelitten hätten.

Kabarettist Jürgen Becker, ebenfalls ein Unterstützer des AZ, gibt zu bedenken, dass in anderen Städten aus Autonomen Zentren längerfristig immer etwas Positives für Kunst und Kultur entstanden sei. Als Beispiele hierfür nennt er die Kiefernstraße in Düsseldorf, die mittlerweile zu einer Attraktion für Kulturinteressierte geworden sei. Deshalb appelliert er an Verwaltung und Rat, die Kündigung des Nutzungsvertrags mit dem AZ in Kalk zu überdenken.

Hier der Text des offenen Briefs im Originalwortlaut inklusive einer Liste der Unterzeichnenden:

Sehr geehrter Oberbürgermeister Roters,
sehr geehrte Damen und Herren im Rat der Stadt Köln,

wir, die Unterzeichnenden, unterstützen den Erhalt des Autonomen Zentrums in der ehemaligen KHD-Kantine in Köln-Kalk. In einer Großstadt wie Köln muss Platz sein für unkommerzielle und selbstorganisierte Kunst, Kultur und Politik.

Seit über drei Jahren ist das Autonome Zentrum ein wichtiger Ort der Partizipation, Vielfalt und Emanzipation. Ateliers, Fahrrad- und Holzwerkstatt, Umsonstladen, Volxküche, Proberäume, Fotolabor, Kino und viele weiter Räume werden gemeinsam und selbstverwaltet genutzt. Politische und kulturelle Veranstaltungen schaffen einen Anlaufpunkt für Menschen aus ganz Köln und weit darüber hinaus.

Uns erschüttert, dass ein so wichtiger Ort, der keinen Cent städtischen Zuschuss kostet, ohne Not mutwillig zerstört werden soll. Wir fordern Sie daher auf, den ursprünglichen Nutzungsvertrag mit dem Autonomen Zentrum unbefristet zu verlängern. Polizeiliche Gewaltanwendung in Form einer Räumung des Gebäudes kann und darf kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein.

AG Arsch Huh e.V., Initiative gegen Rassismus und Neonazis

Andrea Asch, MdL Bündnis 90 / Die Grünen

Jürgen Becker, Kabarettist

Matthias W. Birkwald, MdB Die Linke

Rolly Brings, Musiker

Sarah van Dawen, Vorsitzende Kölner Jugendring

Özlem Alev Demirel, Föderation Demokratischer Arbeitervereine

Jörg Detjen, MdR Die Linke

Rolf Emmerich, Leiter Sommerblut Festival

Heinz Peter Fischer, MdBV Kalk, Die Linke

Jörg Frank, MdR Bündnis 90 / Die Grünen

Gabriele Gillen, Journalistin

Kasalla, Band

Klaus der Geiger, Musiker

Tayfun Keltek, Vorsitzender Kölner Integrationsrat

Arndt Klocke, MdL Bündnis 90 / Die Grünen

Franz Meurer, Pfarrer

Hans Mörtter, Pfarrer

Wilfried Schmickler, Kabarettist

Dr. Wolfgang Uellenberg-van Dawen, ehem. DGB-Vorsitzender

Sabine Voggenreiter, Kulturwissenschaftlerin

Dr. Eva Weissweiler, Schriftstellerin

Köln, im Juni 2013

Autor: Daniel Deininger
Foto: Das AZ in Kalk von Außen