Köln | „Ihr seid Hoffnung für uns alle“ lobte heute Bundesinnenminister Friedrich das Kölner Projekt „180 Grad Wende“, das auch von seinem Ministerium unterstützt wird. Das Projekt versteht sich als Multiplikatoren-Netzwerk mit „Peer to Peer“-Ansatz für und von jungen Menschen und steht für Gewaltfreiheit und Integration. Den Anstoß zur „180 Grad Wende“ gab der Tod des 17-jährigen Salih in Kalk und den danach tagelang andauernden Demonstrationen.

Im Januar 2008 wurde der Jugendliche mit marrokanischer Herkunft in Kalk erstochen. Er hatte mit einem 19-Jährigen einen 20-Jährigen überfallen, der ihn wie Polizei und Staatsanwaltschaft damals feststellten aus Notwehr mit einem Messer so schwer verletzt hatte, dass er im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen ist. Anschließend kam es zu mehrtägigen Protesten in Kalk. Dies war der erste Impuls für die spätere Gründung der „180 Grad Wende“. Der Kölner Polizeipräsident Albers brachte es auf den Punkt, als er feststellte, dass nicht der Pass oder die Gene dafür verantwortlich sind, ob ein Mensch straffällig wird oder sich radikalisiert. Es sei vielmehr wie er in der Gesellschaft integriert werde, ob er seinen Platz finde. Genau dies hätten die Initiatoren der „180 Grad Wende“ erkannt.

Und so funktioniert die „180 Grad Wende“. Es gibt 10 Coaches, die aus unterschiedlichen Kulturen kommen und Sprachen wie arabisch, tunesisch, marokkanisch, dari, kurdisch, paschtunisch und natürlich auch türkisch beherrschen. Sie leiten das Projekt gemeinsam. Dazu will man 100 Multiplikatoren finden, bisher sind 55 aktiv, die in ihren Veedeln vernetzt und für die Probleme der Jugendlichen sensibilisiert sind. Diese Multiplikatoren sind in der Regel selbst Jugendliche und werden ausgebildet und mit den Hilfsangeboten in den Veedeln vernetzt. Hier liegen die Schwerpunkte bei der Drogenprävention, Demokratie und Recht, Zivilcourage, Anti-Aggressionstraining, Anti-Gewalt-Training, Deeskalation- und Coolness-Training und Mediations- und Schlichtungstrainings. Am Ende können die Multiplikatoren dieses Wissen dann zu Hause, auf der Straße, in der Schule oder beim Sport einsetzen und aktiv werden. Vorteil ist, dass dann oft Jugendlicher mit Jugendlichem agiert und nicht ein Erwachsener mit erhobenem Zeigefinger.

Walid Bin Fradj und Projektinitiator Mimoun Berrissoun zeigten mit Beispielen auf, wie das Projekt in der Praxis funktioniert. So habe ein Jugendlicher aus Rodenkirchen um 3:00 Uhr morgens angerufen, dass er nach einem Streit mit seinem Vater vor die Türe gesetzt wurde. In diesem Notfall fuhr einer der Coaches nach Rodenkirchen und vermittelte zwischen Vater und Sohn. In der Folge stellte der Coach sogar Plakate in der Wohnung mit Regeln für das Zusammenleben in der Familie auf. Heute ist der Sohn durch Vermittlung des Netzwerkes beim Bund und der Vater stolz.

Genau diese Art der Vermittlung begeisterte Bundesinnenminister Friedrich: Man könne Integration nicht von Berlin aus per Anordnung befehlen, sondern Integration finde vor Ort, unter Menschen statt, die Vertrauen zwischen den verschiedenen Partnern aufbauen, daher sei gerade ein Projekt wie die „180 Grad Wende“ Gold Wert für die Zukunft unserer Gesellschaft. Friedrich stellte heraus, dass bei der Leidenschaft und das Engagement der jungen Menschen die sich für ein gutes Miteinander in der Stadt engagieren, jedem nur das Herz aufgehen könne und der müsse sagen „Ihr seid Hoffnung für uns alle“.

Friedrich lobt die kölsche Mentalität. Als er vor 25 Jahren nach Bonn ins Rheinland gekommen sei, habe er von Anfang an eine große Sympathie für die Menschen. Auf offene, herzliche und selbstbewusste Menschen sei er getroffen. Die Kölner machten es vor wie man in einem Schmelztiegel von Menschen aus der ganzen Welt eine lebens- und liebenswerte Stadt aufbauen könne.

Autor: Andi Goral
Foto: Bundesinnenminister Friedrich mit Projektbeteiligten der „180 Grad Wende“ im Kölner Polizeipräsidium