Köln | Jakob Michael Reinhold Lenz war zu Lebzeiten ein anerkannter „Sturm und Drang“-Dichter. Heute ist er bestenfalls durch Georg Büchners erschienene Erzählung „Lenz“ bekannt. Schon mehrfach verfilmt, zeigt das Freie Werkstatt-Theater jetzt eine Koproduktion mit dem Kölner movingtheatre und den Kreuzgangspielen Feuchtwangen.

Es ist die Geschichte eines Mannes, der an der Welt verzweifelt. Verstoßen vom reichen, prügelnden Vater, zerrissen zwischen den Ansprüchen an die Literatur, verzweifelt im Glauben an Gott. Hat er durch seine seelische Krankheit den Kontakt zur Gesellschaft verloren – oder hat ihn die erst krank und wirr gemacht? Die Frage bleibt offen.

Und so begleiten wir Lenz, wie er fernab der livländischen Heimat in der Familie eines Pfarrers in den Vogesen sich selbst finden will – Gartenarbeit statt Schreiben scheint die Erlösung. Freiheit, Gerechtigkeit, Hoffnung – diese Worte (warum auf Englisch?) stehen auf seinem Koffer und geben sein Ziel vor. Während des Spiels fällt dann immer noch das Wort Freiheit. Er wird alles nicht erreichen – nach einem Suizidversuch kehrt er schließlich zu seinem Vater zurück. Der letzte Satz: „Sein Dasein war ihm eine notwendige Last. – So lebte er hin.“

Achim Conrad spielt die Titelrolle mit beeindruckender Intensität, verrenkt den Körper, schaut verzweifelt, leer und hoffnungsfroh, schreit, bläht sich zum Prediger auf. Er ist wütend, grob und zärtlich. An seiner Seite – ebenso überzeugend – Rike Will und Thomas Hupfer (er führt auch Regie) als Pfarrerspaar, außerdem übernehmen sie noch kleine andere Rollen der Büchner-Erzählung.

Muss Literatur die Realität wiedergeben oder soll sie ein Ideal vorgeben? Diese Frage beschäftigt Lenz – in dieser Inszenierung wird sie unter Einbeziehung des Publikums diskutiert. Ein geschickter Trick, um die klassische Diskussion über die Rolle des Theaters in den aktuellen Disput zu ziehen. Auch die Kommerzialisierung der menschlichen Beziehungen wird verhandelt.

Dabei wird sich im Wesentlichen an Büchners Text gehalten, nur ab und zu ein lässiges „ok“ oder „krass“ eingestreut. Am Schluss landet Lenz dann zumindest optisch im Heute: Im eleganten weißen Anzug, das Gesicht hinter einer großen Sonnenbrille versteckt, sitzt er da und spielt auf seinem Smartphon. Ein moderner, einsamer Mensch.

Eine einfühlsame Seelenstudie, für die es bei der Kölner Premiere nach 70 Minuten langen und begeisterten Beifall gab.

[infobox]„Lenz“ – weitere Vorstellungen: 8. und 9. Februar, 22. bis 24. und 26. März, jeweils 20 Uhr. Freies Werkstatt-Theater, Zugweg 10, 50677 Köln, www.fwt-koeln.de. Karten: Tel. 02 21 / 32 78 17, E-Mail: fwt-koeln@t-online.de[/infobox]

Autor: ehu | Foto: MeyerOriginals/FWT
Foto: Lenz (Achim Conrad, l.) hofft, dass er bei der Arbeit im Garten des Pfarrerpaares (Rike Will und Thomas Hupfer) Erlösung findet.