Köln | Die Stadt Köln wird den Heinrich-Böll-Preis 2015, dotiert mit 20.000 Euro, in diesem Jahr an die Schriftstellerin Herta Müller vergeben. Dies hat die Jury unter dem Vorsitz von Oberbürgermeister Jürgen Roters am gestrigen Montag entschieden. Herta Müller wurde heute über die Jury-Entscheidung informiert und nahm den Preis an.

Die Begründung der Jury für Herta Müller

Am 20. November 2015 wird der Preis im Rahmen eines Festaktes im Historischen Rathaus von Köln vergeben. Die Stadt Köln veröffentlichte heute die Begründung der Jury: „Man könnte meinen, dass es nach dem Literaturnobelpreis von 2009 keinen Grund mehr gebe, das Werk der seit 1987 in der Bundesrepublik lebenden Schriftstellerin abermals zu würdigen, doch das Gegenteil sei der Fall. Nicht nur, dass Herta Müller in den vergangenen sechs Jahren weitere wichtige Bücher publiziert habe, so zuletzt den Essayband „Hunger und Seide“, keine andere Autorin sei in ihrem Schaffen dem künstlerischen und kritischen Geist Heinrich Bölls so verwandt. Der Grundtrieb des Böllschen Schreibens findet sich darin wieder: das Aufwachsen in einem repressiven Heimatland und dann das Erlebnis der Befreiung in einer neuen Gesellschaft; im Falle Bölls im selben Land nach 1945, im Falle Müllers durch die Ausreise nach Deutschland.

Mit dem 1982 noch in Rumänien geschriebenen Band „Niederungen“, dessen Erzählungen erst zwei Jahre danach in der Bundesrepublik in ihrer ursprünglichen Form publiziert werden konnten, habe Herta Müller ihre rumänische Heimat als literarischen Ort neu für die deutsche Sprache gewonnen. Mit ihren schonungslosen Schilderungen sei sie aber auch in die Kritik der Banater Schwaben geraten – eine Parallele zur Rezeption des Böllschen Werks in der Bundesrepublik. Mit ihren Romanen wie „Reisende auf einem Bein“, „Der Fuchs war damals schon der Jäger“, „Herztier“ und vor allem dem bislang letzten, „Atemschaukel“ von 2009, entwickelte sie eine Poetik, in der sprachliche Originalität und zeitgeschichtliche Durchdringung der Stoffe eine höchst individuelle Stimme schufen, deren Aussagekraft weit über die Banater Wurzeln und auch weit über den deutschen Sprachraum hinausgehen.

Heinrich Böll wie Herta Müller haben durch ihre Erfahrungen im Totalitarismus einen besonders scharfen Blick für die Risiken auch in der freien Gesellschaft gewonnen, was ihre Romane ebenso prägt wie die jeweiligen essayistischen Einlassungen. Sie sind beide große literarische Chronisten der Abgründe des zwanzigsten Jahrhunderts – und beide große Hoffnungsmacher nicht nur der Literatur, sondern der Menschlichkeit als Ganzer.“

Autor: Andi Goral