Wiesbaden | Mehr als die Hälfte der staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren in Deutschland sind im Jahr 2018 per Verfahrenseinstellung abgeschlossen worden. Der Trend der Vorjahre setzte sich damit fort, teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag mit. Demnach machten Einstellungen mangels Tatverdacht (28,4 Prozent), Einstellungen ohne Auflage (24,7 Prozent), Einstellungen mit Auflage (3,4 Prozent) und Einstellungen wegen Schuldunfähigkeit (0,2 Prozent) im vergangenen Jahr zusammen 56,8 Prozent aller staatsanwaltschaftlichen Verfahrenserledigungen aus.

20,0 Prozent der Verfahren endeten mit einer Anklage beziehungsweise einem Strafbefehlsantrag und 23,3 Prozent auf andere Art (zum Beispiel mit der Abgabe an eine andere Staatsanwaltschaft oder durch die Verbindung mit anderen Verfahren). Insgesamt schlossen die deutschen Staatsanwaltschaften im vergangen Jahr 4,9 Millionen und damit 81.000 mehr (+1,7 Prozent) Ermittlungsverfahren in Strafsachen ab als im Vorjahr. Die Ermittlungsverfahren wurden überwiegend von Polizeidienststellen an die Staatsanwaltschaften übergeben (81,6 Prozent).

Die übrigen Verfahren wurden von Staatsanwaltschaften selbst, von Steuer- beziehungsweise Zollfahndungsstellen oder von Verwaltungsbehörden eingeleitet. Rund ein Drittel (32,3 Prozent) der erledigten Strafverfahren bezog sich auf Eigentums- und Vermögensdelikte. Darauf folgten Straßenverkehrsdelikte mit 18,0 Prozent, Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit mit 9,4 Prozent sowie Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz mit 8,3 Prozent.

Der Zuwachs der erledigten Verfahren gegenüber dem Vorjahr gehe nicht auf eine spezielle Deliktart zurück, so die Statistiker. Vielmehr habe es bei den verschiedenen Verfahrensgegenständen gegenläufige Entwicklungen gegeben. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verzeichneten mit +14,1 Prozent den prozentual höchsten Zuwachs, machten aber mengenmäßig weniger als zwei Prozent aller staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren aus.

Der prozentuale Anstieg der erledigten Verfahren wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz (+8,9 Prozent) wirkte sich aufgrund des Gewichts dieses Deliktbereichs stärker auf das Gesamtergebnis aus. Ebenso, nur in umgekehrter Richtung, wirkte sich der Rückgang der Eigentums- und Vermögensdelikte um 2,8 Prozent dämpfend auf den Gesamtzuwachs aus, da diese Delikte etwa ein Drittel aller Verfahren ausmachten, so die Statistiker weiter.

Beamtenbund fürchtet Vertrauensverlust in den Rechtsstaat

Nach der im Jahr 2018 erneut gestiegenen Zahl eingestellter Strafverfahren in Deutschland hat der Deutsche Beamtenbund vor einem Vertrauensverlust in den Rechtsstaat gewarnt und ein Ende der Sparpolitik im Justizwesen gefordert. Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender DBB Beamtenbund und Tarifunion, forderte in der „Bild“ (Freitagsausgabe) ein Ende des Personalmangels in der Justiz. „Deutschland muss ein Rechtsstaat bleiben. Die Justizverwaltung ist das Rückgrat dieses Rechtsstaats. Und sie fährt nach einer Ära der Sparpolitik vollkommen auf der Felge.“ Es fehlten schon heute „Tausende Beschäftigte, da sind die in den kommenden Jahren anstehenden altersbedingten Abgänge noch gar nicht eingerechnet, die sich bundesweit auf mehrere Zehntausende belaufen dürften“, sagte Silberbach weiter.

Mit Blick auf den „Pakt für den Rechtsstaat“ der Großen Koalition, zeigt sich der DBB-Chef skeptisch. „Mit neuen Richtern und Staatsanwälten ist es ja bei Weitem nicht getan. Hinter jeder Richterin und jedem Richter stehen mindestens zwei Justizfachkräfte der Verwaltung, die sich um die Erledigung von Dezernats- und Aktenarbeit in der jeweiligen Geschäftsstelle kümmern“, sagte Silberbach der „Bild“.

Die müssten dann natürlich auch neu eingestellt werden. Der Pakt für den Rechtsstaat beinhaltet unter anderem 2.000 zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwälte, um die Justiz zu entlasten. Dafür erhalten die Länder vom Bund insgesamt 220 Millionen Euro.

Silberbach warnte vor einem Vertrauensverlust in den Rechtsstaat. „Wenn sie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in einen funktionierenden Rechtsstaat nicht vollends verspielen will, ist die Politik dringend gefordert, die Justiz in allen Bereichen so aufzustellen, dass sie ihre Aufgaben auch erfüllen kann.“ Bislang aber lasse der Staat seine Bediensteten auch hier alleine im Regen stehen – „damit muss endlich Schluss sein“. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es 2018 mit 4,9 Millionen Ermittlungsverfahren 81.000 mehr als 2017. Aber rund die Hälfte davon wurden eingestellt. Experten werten die hohe Zahl der nach Ermessen eingestellten Strafverfahren als deutlichen Hinweis auf die starke Belastung der Staatsanwaltschaften.

Autor: dts