Berlin | Nach Einschätzung des Bundesverbandes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, sind die Sicherheitsbehörden nicht in der Lage, die hohe Zahl islamistischer Gefährder ununterbrochen zu beobachten: Eine lückenlose „Rund-um-die-Uhr-Überwachung“ dieser Personen sei „verfassungsrechtlich bedenklich und für Polizei und Verfassungsschutz personell nicht leistbar“, sagte Schulz dem „Handelsblatt“ (Onlineausgabe).

Die Grenze der Leistungsfähigkeit der operativen Polizeieinheiten sei bereits nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und der Bewachung der aus der Sicherungsverwahrung Entlassenen erreicht gewesen. Der BDK gehe derzeit von mindestens 180 Personen aus, wobei die tatsächliche Zahl aber weitaus höher liegen dürfte, sagte Schulz weiter.

„Allein für die Überwachung dieser 180 Personen würden wir jetzt dauerhaft etwa 4.000 Beamte benötigen. Woher sollen wir die nehmen?“ Die Länderregierungen kürzten fast überall sogar weiterhin das Personal, anstatt es aufzustocken. Die Dschihad-Rückkehrer seien jedoch ein großes Problem.

„Wir wissen im Regelfall nicht, wer sich von diesen Personen friedlich verhalten wird, wer traumatisiert ist und selber Hilfe benötigt, und wer davon eine tickende Zeitbombe ist“, sagte der der Polizeigewerkschafter. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, betonte ebenfalls die Notwendigkeit, gefährliche Islamisten stärker in den Blick zu nehmen. Eine intensivere Kontrolle der Gefährder sei aber nur mit verstärktem Personaleinsatz möglich, sagte Malchow dem „Handelsblatt“ (Onlineausgabe).

„Hier rächt sich der Personalabbau bei den Sicherheitsbehörden.“ Malchow merkte in diesem Zusammenhang kritisch an, „dass in Deutschland die Gefahr für die Freiheit nicht von den Sicherheitsbehörden, sondern von international geführten Terroristen und Gefährdern ausgeht“.

CSU für Inhaftierung islamistischer Gefährder

Nach den Terrorakten in Frankreich will die CSU den staatlichen Maßnahmenkatalog gegen islamistische Gefährder in Deutschland drastisch verschärfen: „Gefährder, die als kampferprobte Dschihadisten nach Deutschland zurückgekehrt sind, sind ein nicht hinzunehmendes Sicherheitsrisiko und deshalb zu inhaftieren. Das Schutzbedürfnis der Bürger hat in solchen Fällen Vorrang vor dem Freiheitsbedürfnis von Gotteskriegern“, sagte der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl dem „Handelsblatt“ (Onlineausgabe). Uhl erinnerte daran, dass bereits im Grundgesetz stehe, dass Menschen, die das friedliche Zusammenleben der Völker störten, mit Haft zu bestrafen seien.

Von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte er deshalb, in dieser Hinsicht die Rechtslage zu prüfen und gegebenenfalls eine Gesetzesverschärfung vorzuschlagen. „Sollte nach Auffassung des Bundesjustizministers eine Inhaftierung mit geltendem Strafrecht – Paragraf 80 und andere – nicht möglich sein, hat er unverzüglich einen geeigneten Gesetzesvorschlag zu machen.“ Uhl äußerte sich vor dem Hintergrund, dass die Zahl der sogenannten Gefährder in Deutschland von einem Rekordstand zum nächsten klettert: 260 solcher Extremisten, denen ein Anschlag wie in Frankreich zuzutrauen ist, führen die Behörden inzwischen auf ihren Listen, berichtet das „Handelsblatt“.

Es sei ein drastischer Anstieg: Vor einigen Jahren musste sich das Bundeskriminalamt (BKA) demnach noch um 80 bis 90 Gefährder kümmern.

Autor: Andi Goral