Köln | Sven Lehmann will das Direktmandat im Kölner Süden, also im Wahlkreis Köln II gewinnen. Dafür kämpft der Bundestagsabgeordnete der Grünen, der für Sozialpolitik bei den Grünen steht und sich auch immer stark bei Themen wie dem Ausbau des Grüngürtels, der Ausbau der Autobahnbrücke und vielen anderen Themen in seinem Wahlkreis in Köln engagiert und einbringt. Wer ist Sven Lehmann, der von den Wahlplakaten im Kölner Süden lächelt?

Der „Gesellschaftsgrüne“ Sven Lehmann

Sven Lehmann sagt von sich selbst, dass er immer ein großes Gespür für Ungerechtigkeiten hatte oder wenn Menschen ausgegrenzt werden. Diese sozialen Fragen beschäftigten Lehmann schon als Kind und Jugendlichen und wenn es ungerecht wurde, empörte ihn dies und machte ihm Angst. Er erinnert sich noch an einen Schulkameraden, der aus Vietnam in seine Klasse kam und immer gehänselt wurde. Heute kann Lehmann diese Gefühle einordnen und spricht davon, dass ihn solche Situationen immer sehr bedrückten und innerlich empörten und ihn dies zur Sozialpolitik brachten. Heute sagt er: „Alle Menschen gehören dazu, sie müssen Chancen haben, sie müssen Teilhaben können und nicht wegen irgendwelcher Merkmale, sei es Sprache oder Herkunft ausgegrenzt werden.“

Über gesellschaftspolitische Themen kam Lehmann zu den Grünen und gar nicht so sehr auf der „Umweltschiene“, wie er sagt. Kurz vor dem Abitur trat Lehmann den Grünen bei, in einer Phase in der Rot-Grün unter Schröder und Fischer gerade die Regierung übernahm. Damals ging es um Themen wie ein neues Einwanderungsrecht, eingetragene Lebenspartnerschaften also eine „Modernisierung der Gesellschaft“, die Lehmann als attraktiv wahrnahm. Lehmann bezeichnet sich selbst als „Gesellschaftsgrüner“. Nicht einordnen lassen will sich Lehmann in die damals für Grüne gebräuchlichen Stereotype „Fundi“ oder „Realo“ – fühlte sich in seiner Anfangsphase aber vom linkeren Flügel angezogen. Hier verortet er sich durch die Friedenspolitik und fand den Afghanistan-Einsatz 2001, also den „Krieg gegen den Terror“ nach den Schockmomenten des 11. September und dem Terrorakt auf das World Trade Center in New York falsch. Heute gibt die Geschichte der Einschätzung des Kölner Grünen recht.

Das zweite Thema sei „Hartz IV“ gewesen. Lehmann spricht hier von einer der größten Fehlentscheidungen von Rot-Grün damals. Dies sei, so betont Lehmann, aber keine Idee der Grünen gewesen, sondern der SPD unter Schröder und der damaligen CDU. „Mein Schwerpunkt in den vergangenen 10 Jahren lag in der Überwindung von Hartz IV“, sagt der Bundestagsabgeordnete. Die Grünen erkannten aber sehr schnell die Fehler von Hartz IV, benannten diese und agierten mit Anträgen im Deutschen Bundestag dagegen, wie etwa beim Regelsatz. Heute seien die Grünen in der Programmatik soweit, dass sie Hartz IV überwinden wollen und eine Grundsicherung wollen, die annähernd einem Grundeinkommen nahe kommt.

Lehmann stellte deutlich heraus, dass gerade die Corona-Krise gezeigt habe, dass Hartz IV die vollkommen falsche Antwort etwa für Kulturschaffende war. Für ihn ist klar, dass das Thema nach der Wahl ganz oben auf die Agenda muss. Dass die Grünen die Partei der Besserverdienenden sei, widerspricht Lehmann und verweist auf Studien. Er räumt allerdings ein, dass Wähler*innen das Themenfeld Soziales nicht so eng mit den Grünen verbänden. Aber gerade ihm sei dies wichtig vor allem in seinem Wahlkreis, wo es gelte für bezahlbaren Wohnraum etwa in der Südstadt zu kämpfen. Im Wahlkampf spüre er, dass die Menschen froh seien, wenn Grüne sich nicht nur auf das Thema Klima bezögen, sondern auch für das Soziale einstehen.

Lehmann will ein Sozialschutzpaket III. Er will neben der Überwindung von Hartz IV mit einer sanktionsfreien Unterstütuzung, die sozialen Angebote wie das Arbeitslosenzentrum, das Familienzentrum oder die Schuldner- sowie Drogenberatung, die während der Krise und den Lockdowns geschlossen waren, in den Fokus rücken. Die Krise habe gezeigt, wie wichtig soziale Arbeit und Angebote vor Ort im Veedel sind und diese braucht einen Bestandschutz, eine Finanzgarantie und Absicherung. Diese Punkte meint das Sozialschutzpaket III, dass so Lehmann, auch von Sozialverbänden mitgetragen werde.

Der Backlash ins Konservative

Auf der einen Seite gebe es Öffnungen in gesellschaftlichen Themenfeldern, wie etwa der Ehe für Alle, aber gesellschaftlich gibt es wieder Homo- und Transfeindliche Positionen, die voranschreiten. Lehmann macht das an Studien fest, wie Menschen reagieren, wenn sich etwa zwei Männer in der Öffentlichkeit küssen. Dazu komme Hasskriminalität oder Übergriffe auf offener Straße selbst in Berlin und Köln. In der Gesellschaft mache sich insgesamt eine menschenfeindlichere Stimmung breit, die sich immer mehr aufheize. Diese mache vor queeren Menschen keinen Halt. In Ländern wie Polen, Ungarn, der Türkei oder in Afghanistan manifestiere sich dies in deutlichen Rückschritten. Dieser müsse, so Lehmann, aktiv mit Antidiskriminierungspolitik entgegengewirkt werden. Dafür will er sich in der kommenden Legislaturperiode einsetzen.

Schwerpunkt Kinder und Jugend

Ein weiteres Politkfeld in dem sich Sven Lehmann stark engagiert ist die Politik für Kinder und Jugendliche. Dass die Mittel aus dem Digitalpakt Schule nicht abgerufen werden, bezeichnet Lehmann als frustrierend für Bundespolitiker. Im Bundestag wurde dafür sogar das Grundgesetz geändert, also die Gesetze geändert und das Geld bereitgestellt, aber es kommt nicht an, weil es nicht abgerufen wird. Lehmann führt dies auf zu viele Behörden- und Verwaltungsschritte zurück, die gegangen werden müssen, um etwa i-Pads an Schüler*innen auszugeben. Konkret macht Lehmann dies fest an einem Besuch in Meschenich am Kölnberg, der in seinem Wahlkreis liegt. Dort sprach er mit Schulen und Jugendeinrichtungen. Die Mittel aus dem Digitalpakt seien freigegeben gewesen und die Eltern standen vor der Schule und fragten, wie sie an die Geräte kommen. Dann mussten die Eltern aber erst zum Jobcenter, um dort die Geräte zu beantragen und es gab weitere komplizierte Abrechnungsschritte. Die Schulsozialarbeiter handelten dann pragmatisch und kauften die Geräte einfach bei einem großen Elektrodiscounter und richten diese ein. Das war eine unbürokratische Lösung und wirft die Frage auf, warum die Jobcenter jedes einzelne Gerät für Kinder in der Grundsicherung genehmigen müssen. Lehmann sagt, dass ist zu kompliziert und es wäre einfacher, wenn es eine Kindergrundsicherung gäbe. Also weg von der komplizierten Beantragung von Dingen die die Kinder brauchen bei Ämtern durch die Eltern. Das Geld muss entweder direkt an die Eltern oder die Schulen fließen, damit die Schulen das einfach machen. Lehmann ist sich sicher, dass durch alle zusätzlichen Wege über Jobcenter, Sozialämter oder die Eltern, die Kinder darunter leiden, weil es Eltern gibt, die es nicht schaffen für die Kinder jede Woche das Mittagessen zu bestellen. Dann kommt der Caterer und die Kinder haben kein Essen. Lehmann sagt: Wir müssen weg von den bürokratischen Wegen.

Im Wahlkreis

Im lokalen in Bezug auf Meschenich und die Entscheidung zur Gesamtschule in Rondorf-Süd durch den Kölner Stadtrat, sagt Lehmann, dass er sich auch lieber eine Gesamtschule dort gewünscht hätte. Für Rondorf sei dieser Schwarz-Grüne-Kompromiss keine gute Entscheidung. Lehmann engagiert sich in seinem Wahlkreis etwa gegen den Ausbau des FC auf der Gleueler Wiese, gegen die Autobahnbrücke im Kölner Süden oder das Mahnmal für das Deportationslager Müngersdorf. Dahinter steht Lehmann immer noch und wirft SPD und CDU vor, zwar über das Klima zu reden, aber wenn es dann konkret wird, wie etwa beim Ausbau des Grüngürtels oder dem Bau neuer Autobahnen, das Klima keine Rolle mehr spiele. Lehmann verweist darauf, dass nach der Unwetterkatastrophe in NRW durch den Autobahnbau im Süden von Köln Hochwasserschutzflächen zerstört würden. Lehmann nennt dies absurd und falsch. Er verspricht, dass sollten die Grünen an der Regierung beteiligt sein, werde er sich dafür einsetzen, dass diese Autobahnbrücke nicht kommt und die Gelder in den Ausbau von Schienen und Sanierung der Brücken umgeleitet wird.

Lehmann will das Direktmandat in Köln II gewinnen, also in Rodenkirchen, Lindenthal und der Kölner südlichen Innenstadt. Für ihn würde der Gewinn des Direktmandats ein besonderes Vertrauen der Bürger*innen in sein Engagement bedeuten. Die Voraussetzungen sind da, denn die Grünen haben bei den letzten Wahlen, also der Europawahl und der Kommunalwahl 2020 stark im Kölner Süden abgeschnitten.

Autor: Andi Goral
Foto: Das Pressefoto der Grünen zeigt den grünen Bundestagsabgeordneten Sven Lehmann