Berlin| Der Terrorismusexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Guido Steinberg, hält einen Sieg der Anti-IS-Koalition in der irakischen Stadt Mossul für wünschenswert, warnt aber zugleich vor den möglichen Folgen. „Es wäre auf jeden Fall ein Erfolg, wenn der IS aus Mossul verschwindet“, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Dienstagsausgabe).

„Es ist allerdings eine Ursache für die Erfolge des IS im Nordirak, dass große Teile der Bevölkerung die Regierung mehr gefürchtet haben als die Terrororganisation. Das hat sich nicht grundsätzlich geändert. Das hat sich sogar verschlimmert durch die wachsende Rolle von schiitischen Milizen unter iranischem Kommando.“ Steinberg fügte hinzu: „Viele Bewohner befürchten eine Art schiitisch-iranische Besatzung der Stadt. Das wäre eine Garantie für fortwährende Gewalt. Es liegt an der irakischen Regierung, dies zu verhindern, indem sie Sunniten an der Macht in Mossul beteiligt.“ Im Übrigen werde der Kampf gegen den IS dafür sorgen, „dass die Zahl der Flüchtlinge weiter anschwillt.

Im Irak gibt es nun die Hoffnung, dass die Regierung klug agiert und darauf achtet, dass die Konflikte um Mossul nicht so gewalttätig ausgetragen werden, wie es zu befürchten ist.“ Insgesamt sei das jedoch „eine sehr schwache Hoffnung. Alle Zeichen im Irak deuten auf Sturm. Das bedeutet, dass die Zivilbevölkerung leiden wird und viele die Entscheidung treffen werden, zu gehen. Und dann ist Deutschland nach der Türkei Ziel Nummer eins. Wenn der Westen – in Gestalt der EU oder der Uno nicht helfen –, dann werden die Menschen nicht sehr viel Hilfe erhalten.“

EU-Sicherheitskommissar: Fall von Mossul kann ernste Bedrohung werden

Der neue EU-Sicherheitskommissar Julian King hat vor den Folgen einer Großoffensive auf die nordirakische Stadt Mossul für die Sicherheit in Europa gewarnt. „Die Rückeroberung der nordirakischen IS-Hochburg Mossul kann dazu führen, dass gewaltbereite IS-Kämpfer nach Europa zurückkommen“, sagte King der „Welt“. „Das ist eine sehr ernste Bedrohung, auf die wir vorbereitet sein müssen.“

Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass es nach einem Fall der Stadt Mossul „einen Massenexodus von IS-Kämpfern nach Europa“ geben werde. „Es befinden sich derzeit insgesamt noch rund 2.500 IS-Kämpfer aus EU-Ländern in den Kampfgebieten. Vergleichbare Fälle in der Vergangenheit – wie Afghanistan – haben uns gezeigt, dass am Ende nur einige Kämpfer zurückkehren, weil einige von ihnen im Gefecht gefallen sind oder aber sich neue Kampfschauplätze suchen.“

Er wolle die Gefahr aber nicht „klein reden“, sagte King. „Selbst eine kleine Anzahl stellt eine ernste Bedrohung dar, und hierauf müssen wir vorbereitet sein.“ Wichtig sei jetzt, durch geeignete Maßnahmen „den Terroristen immer weniger Handlungsmöglichkeiten zu geben“ und „insgesamt unsere Widerstandsfähigkeit gegen die terroristische Bedrohung zu erhöhen.“

King kündigte angesichts der terroristischen Bedrohungen Vorschläge aus Brüssel für mehr Sicherheit von amtlichen Dokumenten, wie Ausweisen, an. „Derzeit kann man die Passkontrollen an den EU-Außengrenzen zu leicht umgehen, indem man falsche Dokumente vorlegt.“ Vieles liege zwar in der Kompetenz der Mitgliedstaaten, aber die EU-Kommission werde noch in diesem Jahr Ideen vorlegen, um die Sicherheit von Reisedokumenten zu verbessern.

„Wir sollten uns auch die Sicherheitsstandards von Geburts- und Heiratsurkunden ansehen – die Dokumente, auf deren Grundlage man Reisedokumente erhält. Es nützt nichts, wenn der Reisepass zwar fälschungssicher ist, aber auf falschen Angaben basiert.“ Man müsse außerdem darüber beraten, wie auch die nationalen Personalausweise so sicher gemacht werden können wie heute die Reisepässe. Der EU-Sicherheitskommissar bot angesichts von allein 290.000 unregistrierten Flüchtlingen in Deutschland Hilfe aus Brüssel an: „Wir können und sollten den nationalen Behörden dabei helfen, wenn sie die Daten erfassen und kontrollieren – ob das nun in den Hotspots passiert oder in Deutschland bei zahlreichen Flüchtlingen, die schon vor Monaten ankamen.“ Die Beamten müssten in der Lage sein, so King, „schnell und effizient Zugang zu den relevanten Datenbanken zu erhalten“. Da gebe es Raum für Verbesserungen.

Die EU-Kommission sei bereit, den Mitgliedstaaten bei einem bessern Datenzugang zu helfen, beispielsweise beim Aufbau „einer Schnittstelle für Suchanfragen“, so King: „Das hört sich kompliziert an. Es bedeutet aber am Ende ganz einfach, dass Beamte, die Kontrollen durchführen, nicht zahlreiche Datenbanken aufrufen müssen sondern in einem Anlauf die Ergebnisse von allen verfügbaren Datenbanken erhalten – im Rahmen der bestehenden Gesetze und Zugangsrechte“.

Autor: dts