Berlin | Eine rasant steigende Zahl von Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien stellt Deutschland und weitere EU-Staaten vor große Probleme. Nach Einschätzung des CSU-Innenexperten Hans-Peter Uhl haben hierzulande seit Januar dieses Jahres mehr als 7.000 Menschen aus beiden Ländern einen Antrag auf Aufnahme gestellt. „Die Anerkennungsquote liegt jedoch bei null Prozent“, sagte Uhl am Donnerstag der dapd. Der CSU-Politiker sprach von einem „massiven Missbrauch des Grundrechts auf Asyl“. Auch in der SPD ist von kriminellen Motiven die Rede. Zur aktuellen Situation in Köln lesen Sie hier bitte den Lokalbericht >

Das Thema wird nach dapd-Informationen auch den Rat der EU-Innen- und Justizminister am 25. Oktober beschäftigen. So ist von dem Zustrom von Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien nicht nur Deutschland betroffen, sondern in besonderem Maße auch Belgien, Schweden und Frankreich. Die EU-Kommission, die sich seit längerem mit dem Thema beschäftigt, will bei dem Treffen darüber berichten, wie sich die Liberalisierung der Visavergabe insbesondere mit Blick auf die Balkanstaaten ausgewirkt hat. Auf EU-Ebene wird bereits über eine zeitweise Aussetzung der Visafreiheit in solch problematischen Fällen debattiert.

Statistik weist steigende Zahlen aus

Die offizielle Statistik des Bundesinnenministeriums zählt für den Monat Juni 132 Anträge von Asylbewerbern aus Mazedonien, im Juli waren es 215, im August 620. Auch die Zahl serbischer Antragsteller nahm stetig zu: Für Juni weist die Erhebung 199 aus, für Juli 324 sowie für August 496. Im bisherigen Jahresvergleich der Hauptherkunftsländer (Januar bis August) lag Serbien hinter Afghanistan, Irak und Syrien an vierter Stelle, Mazedonien an siebter.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, forderte im dapd-Gespräch, es müsse zwingend in Serbien und Mazedonien „vor Ort geholfen werden, um die zum Teil organisierte und als Missbrauch betriebene Wanderung zu unterbinden“. Die allermeisten Asylsuchenden hätten nicht die geringste Chance auf Anerkennung. „Das stört sie allerdings nicht, denn selbst die schlechteste Lebenssituation hier in Deutschland ist für die meisten noch sehr viel besser als ihre Lage zuhause.“ Dem SPD-Politiker zufolge werden Menschen aus den Balkanländern auch von Kriminellen mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt. „Klar ist, dass das Ganze zurückzuführen ist auf Armut und Elend.“

Nach Einschätzung des Innenexperten Uhl entstehen für Deutschland hohe Kosten durch den zeitweisen Zuzug. „Derzeit erhält ein alleinstehender erwachsener Asylbewerber bei einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von zwei Monaten ohne Rechtsbehelfsverfahren rund 700 Euro plus Heimfahrtkosten, ohne dass ein berechtigtes Asylbegehren besteht“, sagte Uhl. Er forderte daher eine schnelle Verfahrensbearbeitung und eine zügige Ausreise der Asylbewerber aus beiden Ländern – „bis es zu einer Aussetzung der Visafreiheit kommt“.

Bayern fordert Schnellverfahren

Auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), plädiert für eine Überprüfung der Visum-Regelungen für Antragsteller aus den Balkanstaaten. „Das Auswärtige Amt sollte prüfen, ob der jetzige Zustand nicht geändert werden muss oder wie auf andere Weise der Missbrauch unserer Sozialsysteme verhindert werden kann“, sagte Bosbach den „Ruhr Nachrichten“. Zudem forderte er, einen Vorschlag von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zu prüfen, der sich für die Einführung eines Schnellverfahrens innerhalb von 48 Stunden zur Prüfung von Asylanträgen von Serben und Mazedoniern ausgesprochen hatte.

Aufgrund des großen Zustroms ist das Aufnahmezentrum im mittelfränkischen Zirndorf inzwischen überbelegt. Laut bayerischem Sozialministerium kamen im Juni 24 Asylbewerber aus Mazedonien und Serbien, im August waren es bereits 120 und im September über 300. Herrmanns Vorstoß für ein Schnellverfahren ist jedoch im Freistaat höchst umstritten; die SPD hält ein solches Vorgehen für „menschenunwürdig“.

Auch Berlin und Hessen melden steigende Asylbewerber-Zahlen aus den beiden Balkanländern. Wie das Regierungspräsidium Gießen am Donnerstag mitteilte, sucht man jetzt in Hessen nach alternativen Unterkünften, um die Menschen aufzunehmen.

Köln stellt Sporthalle zur Verfügung

In Thüringen haben offiziellen Angaben zufolge in diesem Jahr schon rund 390 Menschen um Aufnahme gebeten. Im Jahr 2009 seien es lediglich sechs gewesen, sagte eine Sprecherin des Landesverwaltungsamtes am Donnerstag der Nachrichtenagentur dapd. Die Asylanträge würden größtenteils abgelehnt. Bei den Flüchtlingen handelt es sich einer Sprecherin des Thüringer Flüchtlingsrats zufolge größtenteils um Roma, die in den Ländern diskriminiert würden und Probleme hätten, im Winter zu heizen.

Die Behörden in Nordrhein-Westfalen reagieren derweil mit dem Aufbau von Notunterkünften auf die rasant steigende Zahl von Asylbewerbern. In Köln wurde am Mittwoch eine Sporthalle für 200 Flüchtlinge zur Verfügung gestellt, wie die Stadtverwaltung und das Innenministerium mitteilten. Dort sollen kurzfristig Asylbewerber aus der überfüllten Anlaufstelle in Dortmund unterkommen.

Eine Sprecherin des Innenministeriums in Düsseldorf sprach von einem „sprunghaften Anstieg“ der Gesamtzahl von Asylbewerbern. Wurden im Mai noch 869 Anträge in NRW gestellt, waren es im August bereits 1.349 Fälle. Wie viele Menschen davon aus Serbien und Mazedonien stammen, wurde nicht angegeben.

Autor: Joachim Peter, dapd
Foto: Die Kölner Feuerwehr hat heute in einer Turnhalle 250 Betten aufgestellt