Köln | aktualisiert |  Wir treffen Jochen Ott, den Oberbürgermeisterkandidat der SPD im Rheinauhafen. Es geht vorbei an Edelschiffen und Yachten zu einem auf Hochglanz polierten alten Rheinschiff des Unternehmensberaters Peter Sprong. Jochen Ott stellt, mitten auf dem Rhein, seine Idee von der Nutzung der Wasserstraße Rhein für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) vor. Sprong und Ott verbindet mit Pfarrer Franz Meurer die Streitschrift für mehr soziale Gerechtigkeit zum Rheinischen Kapitalismus, ein Buch.

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Der Vorschlag von Jochen Ott schlägt hohe Wellen. Mittlerweile liegt der Redaktion von report-K ein Kommentar aus der Ratsfraktion der Grünen von Jörg Frank vor. Sie finden diesen am Ende des Artikels im Kasten.

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Es ist kurz vor zwei Uhr nachmittags, als das Boot ablegt. Zuvor hat eine Fotografin Jochen Ott für ein Porträt im „Vorwärts“ abgelichtet. Ott steht souverän am Steuerrad des wunderbar und liebevoll restaurierten Schiffes. Und dann geht es los. Raus aus dem Hafen, mitten in den Rheinstrom, mit 8 km/h zieht das Schiff an der Kölner Altstadt vorbei in Richtung Mülheim. Ott geht sofort in Medias Res und ist, wie immer, exzellent vorbereitet. Die Idee, die er vorträgt ist nicht neu. Aber er trägt sie mit Verve vor. Ott möchte den Rhein, die größte Wasserstraße Europas, für den ÖPNV nutzen und Wasserbusse etablieren. Es gab schon einmal die Messefähre, die Köln links- mit Köln rechtsrheinisch verband und es gibt Städte die Vorbild sein könnten. Ott nennt Hamburg, Potsdam oder New York. Ein Journalist witzelt und wirft Venedig ein. Zwar habe der Rhein eine andere Strömung als die Wasserstraßen in den genannten Städten, aber Ott glaubt, vor dem teilweise schon eingetretenen und vorhersehbaren Verkehrsinfarkt zu Lande in Köln an die Idee.

Schnelle Busboote mit Platz für Fahrräder

Die Boote sollten um die 100 Menschen und eine größere Anzahl Fahrräder transportieren können. Dabei geht es Ott nicht um den Freizeitverkehr, sondern um den Alltagsverkehr. Also um den Transport fünf Tage die Woche. Die Wasserbusse sollen mit dem Ticket des VRS genutzt werden können, also in das Tarifsystem des ÖPNV und der KVB eingegliedert werden. An den Start und Endpunkten sollen diese an den landgebundenen ÖPNV perfekt angebunden sein. Dort soll aber auch Carsharing und Velosharing möglich sein. Das Carsharing will Ott auch in das Tarifsystem des ÖPNV einbinden. Und Pendler sollen dort auch ihren Wagen abstellen können, also P + R möglich sein. Wo genau diese Haltestellen für die Wasserbusse sein sollen, will sich Ott noch nicht festlegen, aber sie sollen gut in das jetzt schon vorhandene System eingefügt werden.

Mobile Alternative für die weiter weg gelegenen Stadtteile im Norden und Süden

In den Städten die so ein System haben schaffen die Wasserbusse zwischen 15 und 42 km/h, bei unterschiedlichen Transportkapazitäten. Das System das Ott vorschwebt bringt Menschen von Rodenkirchen, oder Porz Zündorf schnell in die Innenstadt. Im Norden will er die großen Arbeitgeber wie Ford oder Bayer in Leverkusen oder Stadtteile wie Flittard und Stammheim anbinden. Vor allem gebe es im Leverkusener Rat bereits eine Absichtserklärung für ÖPNV auf dem Rhein. Die Verbindungen sollen dabei auch immer das linksrheinische mit dem rechtsrheinischen Köln verbinden. Ott kennt auch die Machbarkeitsstudie der KVB aus dem Jahr 2010, die zum dem Ergebnis kam: zu geringe Kostendeckung. Diese geringe Kostendeckung lag vor allem an den hohen einmaligen Anschaffungskosten für die Schiffe, die zwischen 800.000 Euro und rund 1,5 Millionen Euro liegen dürften. Dazu müssten Anleger und eine begleitende Infrastruktur geschaffen werden. Allerdings sei man 2010 noch von schrumpfenden Städten ausgegangen, heute weiß man, Köln werde wachsen. Die Alternative sei, um neue Standorte anzubinden die Straßenbahn zu verlängern, aber die sei ja auch schon überlastet, wenn man an die tägliche Situation am Kölner Neumarkt denke.

Ott hat auch für die Finanzierung einen Plan. 2019 läuft die Bundesförderung für den ÖPNV aus. Ott ist sich sicher, dass Bund und Länder im Rahmen der Beratungen des Finanzausgleichs auch hierfür eine neue Förderung auflegen werden und Köln hier dieses innovative Konzept einbringen könne. Köln müsse hier Geld fordern und eine Agenda haben. Das die Menschen die Wasserbusse annehmen werden, da ist sich Ott sicher. Vor allem die Brückensanierungen könnten hier hilfreich sein. Die Fähre von Langel im Kölner Norden stand fast vor dem Aus. Jetzt erlebe sie vor dem Hintergrund der Sanierung der Leverkusener Autobahnbrücke eine Renaissance. Und die Sanierung dort werde lange dauern und anschließend werde wahrscheinlich die jetzt mehr belastete Rodenkirchener Autobahnbrücke saniert werden müssen. Also der Druck sei hoch, auch bei Arbeitgebern, wie Ford, die ihre Mitarbeiter zu den Werken transportieren müssen. Ott kann sich vorstellen, diese mit einzubinden und so auch die Kosten zu reduzieren. Ott rechnet aber auch die Anschaffungskosten für die Wasserbusse mit einer KVB-Bahn gegen: Der Wasserbus koste bis zu 1,5 Millionen Euro, eine KVB-Bahn 3,2 Millionen, ohne Ausbaukosten des Schienennetzes und langwierige Planverfahren. Ott möchte mit vier bis fünf Booten anfangen und vor allem in den verkehrsreichen Alltagszeiten, also Morgens und Abends ein erstes Angebot formulieren, um zu sehen, wie es läuft. Anbinden will Ott die Wasserbusse an den VRS, Betreiber könnte aber die HGK als städtisches Unternehmen oder die Köln-Düsseldorfer Schifffahrt sein.

Es gebe aber auch zwei Risiken für den ÖPNV auf dem Rhein. Die seien aber zeitlich eingegrenzt. Nicht fahren könnten die Wasserbusse ab einem bestimmten Level bei Hoch- oder Niedrigwasser. Der Rhein habe noch viel Kapazität für den ÖPNV und wer weiß, wenn an der Südbrücke die Schrankenanlage auf der Rheinuferstraße kommt und die Menschen immer häufiger in Staus stehen, ob die schnelle Anbindung Morgens aus dem Süden über den Rhein, dann nicht doch eine gute Alternative wäre, auch wenn es nachmittags langsamer zurück geht? Ein Gewinn wären die Wasserbusse auf alle Fälle für die Verbindung links- und rechtsrheinisch. Denn wer heute von Rodenkirchen nach Porz, oder Merkenich nach Stammheim oder Flittard will, der muss eine halbe Weltreise in die Innenstadt beginnen, um dann wieder rauszufahren, obwohl es Luftlinie nur wenige hundert Meter sind, die die Stadtteile trennen.

Für die Fotoshootings durfte Jochen Ott natürlich auch kurz ans Steuer, während Unternehmensberater und Kapitän Sprong assistierte. Ott fragte wohin er lenken sollte und Sprong empfahl: Immer volle Fahrt auf den Dom. Und dahinter liegt das Kölner Rathaus. Symbolischer und perfekter inszeniert hätten die Fotos nicht sein können.

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Die Kölner Grünen kommentieren: „Ott und die SPD haben Wasserbuslinie ausgebremst“

Jörg Frank, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen kommentiert den Vorschlag von Jochen ott: „Die Wahrscheinlichkeit, dass SPD-Kandidat Jochen Ott als Oberbürgermeister eine KVB-Wasserbuslinie auf dem Rhein umsetzen würde, ist so groß, wie die Wahrscheinlichkeit, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Populist Ott gibt eine grüne Initiative nun als seine eigene aus. Es ist aber nur geklaut.
 
Am 25.11.2010 hat der Rat als Teil der 2. Baustufe Nord-Süd-Stadtbahn auf alleinige Initiative der grünen Fraktion die Verwaltung mit der Planung einer Wasserbuslinie auf dem Rhein zur Verknüpfung der Stadtteile Porz, Rodenkirchen, Innenstadt, Deutz und Mülheim beauftragt.
 
Am 13.12.2010 legt die KVB AG dem KVB-Aufsichtsrat eine Studie „Wasserbuslinie Köln“ mit dem Ergebnis vor, dass sie zu teuer sei. Sie müsste jährlich mit 3,8 bis 4,7 Mio. Euro bezuschusst werden und rät strikt davon ab, die Möglichkeit einer Wasserbuslinie auf dem Rhein weiter zu verfolgen. Dabei waren die Annahmen und Entwicklungsmöglichkeiten der KVB-Studie fachlich hoch umstritten.
 
Der damalige Ratsbeschluss wurde bis heute nie umgesetzt. SPD-Oberbürgermeister Roters hat dafür im Einvernehmen mit der SPD-Führung gesorgt. Fakt ist, dass Parteichef Ott und die SPD-Fraktionsspitze die Wasserbuslinie ausgebremst haben. Die SPD-Fraktion hat damals im Rat nur aus koalitionstaktischen Gründen für den grünen Antrag votiert. Das Projekt wurde totgeprüft. Insofern ist Otts Vorstoß unglaubwürdig und leeres Geschwätz.“

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Autor: Andi Goral