Köln | Kein Abend, an dem nicht ein Talk mit den Oberbürgermeisterkandidaten Henriette Reker und Jochen Ott vergeht. Es sind zwei Kandidaten von sieben, wenngleich auch die Chancenreichsten, weil sie von großen Parteien unterstützt werden. Heute waren diese zwei Kandidaten im Börsensaal der IHK, geladen von der IHK, DGB, BKU und Arbeitgebern Köln. Zwar gab man sich alle Mühe modernistisch zu wirken, der Talk war im Fishbowl-Style angeordnet, die IHK twitterte und streamte, aber inhaltlich blieb es mau, was auch an der Moderation und den Fragestellern lag. Die Kandidaten wiederholten ihre Wahlkampfkonzepte und blieben dabei wie in den Diskussionen ohne große Unterschiede in vielen Sachthemen. Aber das ist nichts Neues.

Die Unterschiede sind gering zwischen beiden Kandidaten – das ist nicht neu

Auch am heutigen Abend zeigten sich die Unterschiede zwischen den Kandidaten vor allem in der Art und Weise, wie sie Politik und Verwaltung verstehen und umsetzen wollen. Ott merkt man an, dass er – nicht zuletzt als Landtagspolitiker – die Prozesse aus dem FF kennt und verspricht hier das Maximum für Köln aus Land und Bund einzufordern und eine starke Stimme für Köln zu sein. Er argumentiert hier geschickt – das kann Reker als Parteilose so nicht – arbeitet diese Strukturen heraus, formuliert sie klar und deutlich. Ott sagt, er wolle als Oberbürgermeister Ziele definieren, an denen sein, aber auch das Handeln der Verwaltung zu messen sei. Dabei will er sich auch von den Keyplayern und Experten beraten lassen. So will er auch führen, klare Ziele formulieren, an denen sich die Mitarbeiter in der Verwaltung orientieren können und an denen dann alle gemessen werden. Und er sagt, er wolle auch eine Fehlerkultur etablieren. Hier schwingt auch immer ein wenig Kritik am Führungsstil des jetzigen Oberbürgermeisters Jürgen Roters mit. Ott will, und das hat er schon beim Termin mit Olaf Scholz gesagt, sich Hamburg hier als Vorbild nennen, denn auch der sagt und ist damit nicht unerfolgreich Ziele seien wichtig. Ott will 6.000 Wohnungen pro Jahr bauen, den Hafen in Godorf realisieren, Wasserbusse auf dem Rhein, die Brücke im Kölner Süden, Startups fördern und die Digitalisierung der Stadtverwaltung vorantreiben.

Reker will versöhnen

Vieles davon will auch Henriette Reker, auch wenn sie sich nicht in Zahlen festlegen lässt. Reker fehlt der landes- und bundespolitische Anschluss, die Vernetzung und Erfahrung der Prozesse, wie man dort Dinge formuliert und anstößt. Hier wird sie, so der Eindruck, auch von den sie unterstützenden Parteien alleine gelassen. Reker und so loben sie ihre Unterstützer hört zu, nimmt auf, greift Ideen und Anregungen auf, die sie gut findet und macht sich diese zu eigen. Kein schlechtes Prinzip. Das wurde besonders deutlich am heutigen Abend. Reker schlägt sich gut, formuliert klar, deutlich und hat Schwerpunkte. Beim Thema Industrie, will sie Brachen aktivieren und ein Flächenmanagement einrichten, beim Verkehr will sie einen Drittelmix aller Mobilitätsformen, den ÖPNV stärken, Startups fördern und Beruf und Familie in Einklang bringen. Sie folgt Ott nicht bei beitragsfreien Kindergartenplätzen und verweist auf die Unterschiede in den Kommunen. Einen klaren Unterschied gibt es bei der Art wie sie führen möchte. Sie möchte das Mitarbeiter nicht als Sieger und als Verlierer aus Gesprächen gehen. Sie will versöhnen, damit motivieren und hofft so Politik und Verwaltung wieder näher aneinander zu führen und so die gegenseitige Wertschätzung zu erhöhen.

Klassische Politikfelder sind gelernt und hier fühlen sich die Kandidaten sicher

Interessant ist, dass beide Kandidaten in den klassischen Politikfeldern sehr fit sind. Das merkt man bei beiden Kandidaten, geht es um Flüchtlinge, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Verkehrsthemen, Stadtentwicklung, Bildung, Industrie und Old Economy. Da funktionieren die klassischen Erklärungsmuster, da nennt der eine den Ansprechpartner im Stadtviertel Veedelsmanager und der andere ihn Quartiersmanager. Gemeint ist das Gleiche, es gibt verlässliche Studien, Untersuchungen und Handlungsvorlagen, auf die sich beide Kandidaten beziehen. Geht es um Digitalisierung schwimmen beide Kandidaten. Hier fehlen die vorgefertigten Mustervorlagen, da haspelt man sich durch Mainstream-Begriffe mit denen man nichts falsch machen kann, wie Jugend und der Horizont endet bei der Erfolgsmeldung wie viel Likes man bei Facebook hat, als sei dies wichtig, um Kompetenz zu vermitteln. Kompetenz, die nötig sein wird, die richtigen Entscheidungen zu treffen, in einer Zeit in der die disruptiven Prozesse, die die Digitalisierung in allen Branchen mit sich bringt, zu managen. Und die werden nicht nur Medien, Jugendkultur oder Kommunikation betreffen.

Schwache Moderation

Nun machte man es den beiden Kandidaten auch leicht ihre Werbebotschaften zu platzieren. Ein Moderator, der weit von Kommunalpolitik und Wirtschaft entfernt war, Köln nicht wirklich kennt und auch in den Themen nur oberflächlich unterwegs war. Sonst hätte er sicher nicht versucht Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes als Bürgerin auf einen Fragestuhl zu setzen. Auch IHK Mitarbeiter oder Unterstützer der Kandidaten erkannte der Moderator nicht. Und inhaltliches Nachhaken war auch nicht die Stärke des Moderators. Schade eigentlich, denn gerade eine IHK mit ihren Analysen und Datensammlungen könnte die Kandidaten einem intensiveren Faktencheck unterziehen. Auch in der Positionierung Kölns gegenüber anderen Städten. Der Fishbowl-Ansatz mit Fragen aus dem Publikum, die dann doch oft auch sehr persönlich und speziell wurden, unterstützten das nur an der Oberfläche kratzen. Und so erlebte Köln einen weiteren Abend, der vor allem von der Inszenierung lebte und sich nicht damit mühte die Unterschiede der Kandidatin und des Kandidaten mit den meisten Chancen herauszuschälen. Interessant dabei auch, dass auch beim Abend im Börsensaal, die politische Situation im Kölner Rat nicht thematisiert wurde, denn zwischen den Fraktionen, die die Kandidaten unterstützen gibt es doch größere inhaltliche Unterschiede, die später bei der Umsetzung eine große Rolle spielen könnten. Zur Ehrenrettung des Moderators muss gesagt werden, er kommt aus dem TV und dort ist inhaltliche Tiefe weniger gefragt als Inhalte zu emotionalisieren.

Autor: Andi Goral