Köln | Henriette Reker trifft auf Jochen Ott. Auf Einladung der Einrichtungsmeile Kölner Ringe. Am Rudolfplatz. Es geht um einen der zentralen Orte in Köln. Es geht um die Kölner Ringe. Große Geschichte, großer Boulevard, pulsierendes Nachtleben, große Marken und wie man zu diesem Glanz zurückfindet. Ein Ziel, eine Vision, die sich mutige Unternehmer in dieser Stadt gesetzt haben. Die wollten jetzt wissen, wie die beiden an Eins gesetzten Kandidaten bei der Oberbürgermeisterwahl am 13. September 2015 zu diesem Ziel stehen. Die Veranstaltung wurde moderiert von Helmut Frangenberg.

Unternehmer wollen neuen Glanz für die Kölner Ringe

Hans-Günter Grawe, vom Natuzzi Flagshipstore sprach für die Initiative Einrichtungsmeile Kölner Ringe. Er beschrieb in knappen Sätzen die Situation und das Ziel der Unternehmer. Es gehe für die vielen Geschäfte, die Kanzleien oder Praxen um eine Aufwertung der Kölner Ringe. Das bedeute eine Reduzierung der Leerstände, ganz banal auch die Entfernung von Fahrradleichen oder Sicherheit im Nachtleben. Die Kölner Ringe seien ein Thema für die gesamte Stadt, so Grawe. Die Kölner Ringe sollen wieder zum Wahrzeichen von Köln werden, zu der Flaniermeile des Westens, so die Vision der Einzelhändler. Die Unternehmen wollten diesen Prozess aktiv mitgestalten, um einen neuen Charme und eine neue Wertigkeit für diesen zentralen Ort von Köln zu erreichen, damit die Kölner Ringe wieder über Köln hinaus strahlten. Das Thema interessierte und lockte viele Zuhörer an. Der Hohenzollernsaal im Hotel Cologne City war so voll, dass man noch Stühle dazu stellen musste.

Gefangen im kleinen Einmaleins der Politik

Die Diskussion zwischen den Kandidaten spiegelte von der Kraft der Vision der Unternehmen, die Grawe vorgetragen hatte, zerlegt in Politikfelder wie Verkehr, Städtebau, Ordnung und Sicherheit oder Wirtschaftsförderung wenig wider. Moderator Frangenberg erinnerte einige Mal an den Masterplan von Architekt Speer, aber keiner der Kandidaten zitierte daraus für die Kölner Ringe und wie er diesen umsetzen möchte. Einigkeit herrschte bei beiden Kandidaten, dass die jetzt zusätzlich eingestellten 100 Ordnungskräfte für mehr Sicherheit sorgen sollen, auch an den Kölner Ringen und dass die Polizei ihrer Aufgabe nachkommen müsse. Auch beim Thema Radverkehr herrschte, mit kleinen Nuancen Unterschied, Einigkeit bei den Kontrahenten um das höchste Amt der Stadt. Es gebe einen geänderten Bedarf und dem müsse Rechnung getragen werden. Es werde eine Lösung bei der der Radverkehr profitiere geben. Allerdings gaben beide Kandidaten zu bedenken, dass die Ringe als Verkehrsader auch weiter für den Autoverkehr funktionieren müssen. Jochen Ott, aber auch Henriette Reker wollen für den Verkehr ein Gesamtkonzept, dass mit allen Beteiligten zuvor im Dialog abgestimmt werden solle.

Natürlich waren auch die Raser ein Thema, die etwa mit 140 km/h über den Salierring brausen und den allgemeinen Zustand von Geh- und Radwegen. Ein Wunsch der vielen Gäste war, mit den Tagesproblemen zu beginnen und nicht mit Konzepten. Und nicht alle hatten vergessen, dass es schon ein Werkstattverfahren im letzten Jahrhundert für die Optimierung der Kölner Ringe gegeben habe, das dann nicht realisiert wurden. Beim Thema Drogenproblematik und Obdachlose gehen die Konzepte zwischen den Kandidaten auseinander. Henriette Reker wünscht ein Konzept, dass die Menschen vor Ort abholt und ihnen auch dort direkt ein Angebot formuliert, dort wo sie sich gerne aufhalten. Dieses Konzept läge in der Schublade, sei aber bislang an der Finanzierung gescheitert und werde in der städtischen Verwaltung zurückgehalten. Jochen Ott verweist auf die Sozialstruktur rund um den Dom mit seinem umfangreichen Angebot, das stärker genutzt werden sollte. Menschen mit Drogenproblemen oder Menschen die Platte machten, sollten verstärkt auf die dortigen Angebote hingewiesen werden, damit sie an diesem zentralen Ort Hilfe erfahren. Ott sieht aber auch das Problem, gerade am Neumarkt, dass dies ein Treffpunkt vieler Menschen sei, die Drogen substituieren und dort vor Langeweile abhingen. Hier gelte es mit Maßnahmen der Sozialpolitik, die Menschen sinnvollen Tätigkeiten zuzuführen. Ott kritisierte Reker stark, dass sie diese Probleme als Sozialdezernentin nicht angehe.

Gewalt auf den Ringen eindämmen

Als unerträglich bezeichneten viele Zuhörer das Gewaltpotential, dass auf den Ringen herrsche. Gerade die Hotellerie, die dies auch als geschäftsschädigend einstuft. Reker stellte fest, dass die Belange der Hotellerie in den letzten Jahren vernachlässigt worden seien und auch im Bereich der Kulturförderabgabe der Dialog nicht von der Stadt gesucht wurde. Reker will auf mehr Qualität setzen, Ott will eine differenzierte Sicht, denn nicht jeder Obdachlose, der subjektiv als Bedrohung von Menschen wahrgenommen werde, sei gewaltbereit. Für Ott gehören auch Gegensätze zu einer spannenden Stadt. Dort wo Gewalt ausgeübt werde, spricht sich Ott für einen klaren Ansatz von Ordnung, Polizei und Sanktionen aus. Es gelte ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen, so Ott.

In vielen Bereichen deckungsgleich

Die Positionen beider Kandidaten sind in vielen Bereichen ähnlich und deckungsgleich nur manchmal ein wenig anders formuliert. Ott präsentiert sich als gestandener Politiker, gibt aber auch schon mal zu, keine Versprechungen zu machen, die er später nicht halten kann. Henriette Reker zeigt sich hier – ganz Juristin und aus der Verwaltung kommend – defensiver und ruhiger, bleibt dabei aber häufig sehr im Allgemeinen verhaftet und in der Analyse stecken. Ja, es ist schön formuliert und analysiert, wenn Reker sagt: Es gebe ein Misstrauen der Politik gegenüber der Verwaltung, also mache die Politik manchmal selbst Verwaltung und die Verwaltung räche sich, indem sie Vorgaben der Politik nicht umsetze und damit selbst Politik mache. Aber was ist ihre Lösung konkret?

Zeigen die Kandidaten echten Führungswillen?

Was ist die Lösung für attraktivere Kölner Ringe? Keiner der beiden Kandidaten stellte sich hin und hatte ein klare Vorstellung von schnellen, mittel- und langfristigen Ansätzen und Visionen. Keiner setzte ein echtes Signal von Führungswillen. Man kann sagen, dass das Korsett von Frage und Antwortspielen, unter Einbeziehung von langen, teilweise sehr persönlichen Statements aus dem Publikum, dies auch teilweise verhinderte. Aber von an die Spitze setzen, mutig vorangehen, was übrigens beide Kandidaten von der Verwaltung forderten, war wenig zu spüren. Führungswillen muss dabei zwangsläufig nicht negativ besetzt sein und auch nicht heißen, den Kontrahenten zu beißen oder an den Haaren zu ziehen. Führungswillen kann bedeuten Kraft eines Amtes andere mitzunehmen, ihre Motivation zu nutzen, Stärken von Akteuren zu sehen und die Stärksten und Besten zu vernetzen. Und dabei manchmal auch ungewöhnliche Wege gehen und nicht immer nur die gleichen Akteure zu großen Versammlungen zu rufen. Dies bedeutet auch eine eindeutige Position zu beziehen und zu dieser zu stehen.

Im Klein Klein gefangen

Der Abend verblieb im Klein-Klein, wie viele Mülleimer brauchen die Ringe, sind Fahrradkuriere rücksichtslos und eine endlos wirkende Besprechung von Verwaltungs- und/oder Politikversäumnissen. Dies ist besonders schade, als unter den 160 Gästen nicht wenige Menschen, Unternehmer oder Geschäftsführer waren, die Köln mögen und sich für die Stadt einsetzen. Also die, die natürlich auch davon profitieren, die aber auch manchmal bereit sind, mehr einzusetzen als andere und sei es nur weil sie es können. Denn neben Problemen von öffentlicher Ordnung, Sauberkeit und Verkehr, wird es wichtig sein, attraktive Innenstädte neu zu erfinden und zu gestalten in Zeiten eines gewandelten Einkaufsverhaltens und neu heranwachsender Konkurrenz. Eigentlich eine der zentralen Aufgaben der Stadt- und Standortpolitik und des Oberbürgermeisters. Gerade zu stehen für eine prosperierende Stadt. Da gibt es nicht nur den Internethandel, da gibt es auch Ministädtchen in der Region, wie Bad Münstereifel, die sich klar positionieren und in Köln Werbung machen. Jahrelang wurde der Wandel in der Kölner Stadtverwaltung missachtet, sogar postuliert, der Internethandel könne Geschäften in Köln nichts anhaben, wie es der ehemalige Baudezernent Streitberger nicht müde wurde zu erklären. Vergleichbare Städte wie München schaffen es, Straßen wie die Sendlinger Straße neu zu erfinden, etwa mit Flagshipstores und neue Flaniermeilen zu schaffen. Die beiden Kölner Oberbürgermeisterkandidaten nahmen den Ball, den Ihnen die Unternehmer der Einkaufsmeile Kölner Ringe zugeworfen haben, nur teilweise auf und versäumten es von sich aus Impulse zu setzen und klare Angebote zu formulieren. Es fehlte bei beiden Kandidaten eine Vision, ein Ziel, was werden sie machen, um Köln an seinen herausragenden Standorten attraktiver zu gestalten und die Ringe oder nehmen wir die gesamte Innenstadt, wieder zu einer pulsierenden Metropole mit Führungsanspruch in der Region zu machen und sich hierbei viele Verbündete zu sichern. Da ist Aufenthaltsqualität sicher ein Punkt, aber ein zweiter Punkt ist, neue Unternehmen zu finden und sie für Köln zu begeistern. Hier zu investieren und ihnen die Vorzüge Kölns gemeinsam mit den schon ansässigen Unternehmen zu verdeutlichen. Das braucht übrigens oftmals gar nicht viel Geld, sondern Kreativität und persönliches Engagement. Gerade von Stadtoberhäuptern.

Autor: Andi Goral