Berlin | Der Medienethiker Alexander Filipovic hält die Medienkritik nach dem Absturz des Germanwings-Flugs 4U9525 am 23. März für überzogen und schädlich. „Es gibt heute bei jedem größeren Geschehnis, über das Medien berichten, sozusagen den Live-Ticker des Medienkritikers parallel zum Live-Ticker selbst“, sagte der Münchner Wissenschaftler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Dienstagausgabe).

„Das alles im Modus der Empörung, was das Karussell der Emotionen am Ende eher noch beschleunigt als bremst. Diese Art der Medienkritik verschlimmert die Dinge, statt sie zu bessern.“ Angesichts der veränderten Bedingungen journalistischer Arbeit mit Digitalisierung und Echtzeit-Kommunikation sprach sich Filipovic für eine Überarbeitung des Pressekodex aus. „Dabei könnte man ihn am besten gleich umbenennen: `Pressekodex`, das klingt doch nach Weimarer Republik, nicht nach 21. Jahrhundert.“

Allerdings sei mit einer Neuformulierung des Pressekodex allein „natürlich noch nicht die Welt des Qualitätsjournalismus gerettet“. Redaktionen sollten in angespannten Situationen „einen Gang herunterschalten“, empfahl Filipovic. „Was sollen unendliche Live-Strecken zu einem Ereignis, zu dem die Reporter nichts Neues zu zeigen und zu sagen haben?“ Im Großen und Ganzen, so Filipovic weiter, hätten die Journalisten nach der Absturz-Katastrophe „gut und anständig“ gearbeitet, trotz unbestreitbarer „Fehlleistungen“.

Als Beispiel nannte Filipovic „die Art, in der Journalisten den trauernden Mitschülern der Absturzopfer in Haltern auf die Pelle gerückt“ seien. Er verstehe, dass diese Bilder „eine gewisse Abscheu auslösen“. Ebenso aber sei nachvollziehbar, dass eine Redaktion ihre Reporter an solche Schauplätze schicke.

„Hinschauen und wissen-wollen sind professionelle Reflexe des Journalisten.“

Autor: dts