Karlsruhe | Der im Zuge der Ermittlungen gegen Netzpolitik.org in der Kritik stehende Generalbundesanwalt Harald Range sieht sich durch ein Gutachten in seiner Haltung bestätigt. Er habe das externe Gutachten Mitte Juni in Auftrag gegeben, erklärte Range am Dienstag. „Der unabhängige Sachverständige sollte klären, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt.“ Range sieht einen Eingriff in die Justiz. Dieser Sichtweise widerspricht aber Staatsrechtler Joachim Wieland, der eine Unabhängigkeit lediglich bei Richtern, nicht aber bei Staatsanwälten sieht.

Range verteidigt sich

Der Sachverständige habe Range am Montag mitgeteilt, „dass es sich nach seiner vorläufigen Bewertung bei den am 15. April 2015 veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt. Der Sachverständige hat damit die Rechtsauffassung der Bundesanwaltschaft und des Bundesamtes für Verfassungsschutz insoweit vorläufig bestätigt.“ Range habe die Bewertung des Sachverständigen dem Bundesjustizministerium „unverzüglich mitgeteilt“.

„Mir wurde die Weisung erteilt, das Gutachten sofort zu stoppen und den Gutachtenauftrag zurückzuziehen. Dieser Weisung habe ich Folge geleistet.“ Die Presse- und Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, so Range weiter.

Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz?

Dieses Recht gelte aber auch im Internet nicht schrankenlos: „Es entbindet Journalisten nicht von der Einhaltung der Gesetze. Über die Einhaltung der Gesetze zu wachen, ist Aufgabe der Justiz. Diese Aufgabe kann sie nur erfüllen, wenn sie frei von politischer Einflussnahme ist. Daher ist die Unabhängigkeit der Justiz von der Verfassung ebenso geschützt wie die Presse- und Meinungsfreiheit.“ Es sei ein „unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz“, auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, „weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint“, erklärte Range.

Nach Kritik an Maas: Staatsrechtler kritisiert Generalbundesanwalt

Der angesehene Staatsrechtler Joachim Wieland hält die Kritik von Generalbundesanwalt Harald Range an Justizminister Heiko Maas (SPD) für nicht gerechtfertigt. „Die Unabhängigkeit der Justiz gilt nur für Richter, nicht für Staatsanwälte – und damit auch nicht für den Generalbundesanwalt“, sagte der Rektor der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer dem „Handelsblatt“. Der Justizminister dürfe dem Generalbundesanwalt als nachgeordnete Behörde Weisungen erteilen, das sei rechtlich eindeutig.

In der Praxis werde dieses Durchgriffsrecht aber meist zurückhaltend angewandt. Range hatte die Einflussnahme des Justizministers auf seine Ermittlungen in der Affäre um Netzpolitik.org als unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz bezeichnet.

Chefredakteur von „Netzpolitik.org“ will sich weiter gegen Ermittlungen wehren

Im Machtkampf zwischen Generalbundesanwalt Harald Range und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat sich nun auch der Chefredakteur von „Netzpolitik.org“, Markus Beckedahl, zu Wort gemeldet: „Wir werden die Öffentlichkeit nutzen, uns gegen die Ermittlungen zu wehren“, sagte er der „Bild“. Beckedahl wies zudem die erhobenen Landesverrat-Vorwürfe zurück. „Wir sind überrascht, dass Herr Range die Aufnahme der Ermittlungen gegen uns wegen Landesverrat für berechtigt hält. Das klingt danach, als dass die gerade ruhenden Ermittlungen bald weiterlaufen“, so Beckedahl. „Wir sehen das klar als Einschüchterungsversuch gegen uns und unsere kritische journalistische Arbeit, aber auch gegen alle anderen Journalisten, die dazu beitragen, dass das System der Massenüberwachung aufgedeckt und eine gesellschaftliche Debatte darüber geführt werden kann. Und selbstverständlich ist es ein Einschüchterungsversuch gegenüber allen Quellen von Journalisten. Und damit ein Angriff auf die Pressefreiheit“, so der Journalist. Am Dienstag hatte Range der Öffentlichkeit das Ergebnis eines Gutachtens vorgelegt, laut dem die von „Netzpolitik.org“ veröffentlichten Dokumente Staatsgeheimnisse gewesen seien. Bereits am Montag habe der Bundesanwalt diese Bewertung des unabhängigen Sachverständigen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mitgeteilt, worauf er aufgefordert worden sei, den Gutachtenauftrag zurückzuziehen, wie Range erklärte.

Den Vorwurf Ranges, Justizminister Heiko Maas gefährde mit seiner Einmischung in die Ermittlungen die Unabhängigkeit der Justiz, kommentierte Beckedahl mit den Worten: „Natürlich kann ich das nachvollziehen. Nicht nachvollziehen konnte ich die Tatsache, dass Herr Range nicht in der Lage war, gegen die Massenüberwachung von NSA & Co. einen Anfangsverdacht zu finden. Das klang politisch motiviert. Was er in unserem Fall aber von sich weist.“

Sensburg warnt vor Entlassung Ranges

Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestages, Patrick Sensburg (CDU), hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) davor gewarnt, Generalbundesanwalt Harald Range vor die Tür zu setzen. „Es wäre kein guter Zug, ihn jetzt zu entlassen“, sagte Sensburg der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Mittwochausgabe) nach Ranges Vorwurf der politischen Einflussnahme. „Man darf nicht jede Institution demontieren. Ich finde es gut, dass die Bundesanwaltschaft dem Druck standhält.“ Vielmehr solle Maas nun Range helfen, seinen Aufgaben nachzugehen. Sensburg kritisierte den Minister, weil dieser am Freitag auf Distanz zum Generalbundesanwalt gegangen war.

Er sei von Anfang an in die Ermittlungen wegen angeblichen Landesverrats eingebunden gewesen, betonte der CDU-Politiker. „Ich wundere mich, dass dann so harte Kritik kommt.“ Range hatte am Dienstag erklärt, es sei ein „unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz“, auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, „weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint“.

Autor: dts
Foto: Demonstration gegen die Ermittlungen gegen Journalisten