Rom | aktualisiert | Bei einem Schiffsunglück im Mittelmeer sind möglicherweise bis zu 700 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtet am Sonntag, dass das Schiff nördlich der libyschen Küste gekentert sei. Rettungskräfte sind laut eines Berichts der „Times of Malta“ auf dem Weg in das betreffende Gebiet. Mit den Reaktionen aus der deutschen Politik.

Weitere Hintergründe wurden zunächst nicht bekannt. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks sind bei der Überfahrt über das Mittelmeer seit Anfang 2015 über 900 Flüchtlinge gestorben.

EU will außerplanmäßige Konferenz zur Flüchtlingskrise

Der europäische Ratspräsident Donald Tusk will schnell eine Konferenz zur Flüchtlingskrise im Mittelmeer einberufen. Er wolle nach den „tragischen Toten im Mittelmeer“ Gespräche mit den Führern der EU-Staaten, der EU-Kommission und dem Auswärtigen Dienst der Union führen, wie die Situation zu lindern sei, schrieb Tusk über den Kurznachrichtendienst „Twitter“. Bei der jüngsten Bootstragödie waren am Sonntag vor der libyschen Küste mindestens 700 Menschen ums Leben gekommen.

Nur 28 Menschen konnten gerettet werden. Auch der italienische Ministerpräsident Mateo Renzi forderte eine Konferenz der Union in Rom, um schnell Maßnahmen zu ergreifen. Der Ministerpräsident von Malta, Joseph Muscat, sprach von der „schlimmsten Tragödie im Mittelmeer in den letzten Jahren“. Es müsse gehandelt werden, so der Ministerpräsident weiter.

Opposition fordert nach Flüchtlingskatastrophe bessere Seenotrettung

Nach der neuerlichen Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer haben Spitzenpolitiker von Grünen und Linkspartei die schnelle Rückkehr zu früheren Rettungsprogrammen für Schiffsbrüchige gefordert. Deutschland müsse sich „für eine Neuauflage des Seenotrettungsprogramms Mare Nostrum einsetzen“, sagte die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, dem „Tagesspiegel“ (Montagausgabe). „Wir haben eine humanitäre Verpflichtung zu helfen.“

Die Europäische Union müsse sichere Wege für die Flüchtlinge schaffen und könne diese nicht weiterhin wie bisher „zynisch ihrem Schicksal“ überlassen. Die EU müsse „die Seenotrettungsoperation unverzüglich und in größerem Umfang als früher wieder aufnehmen“, verlangte auch der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi. Dass man dieses Programm eingestellt habe, sei „katastrophal und absolut inhuman“, sagte er der Zeitung.

Ramelow: Flüchtlingskatastrophe ist „Schande für Europa“

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) hat sich entsetzt über den neuerlichen Tod zahlreicher Flüchtlinge nach dem Kentern eines Bootes im Mittelmeer geäußert. „Diese Katastrophe ist eine Schande für Europa“, sagte der Linkspolitiker gegenüber der Zeitung „Neues Deutschland“ (Online-Ausgabe). Ramelow forderte „sichere Fluchtkorridore“.

De Maizière nach neuerlichem Flüchtlingsdrama im Mittelmeer entsetzt

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat erschüttert auf das neuerliche Flüchtlingsdrama im Mittelmeer reagiert: „Mit Entsetzen habe ich gehört, dass erneut viele Menschen im Mittelmeer vermisst werden und möglicherweise Hunderte ertrunken sind. Vor dieser andauernden Tragödie dürfen wir in Deutschland und in der EU unsere Augen nicht verschließen“, sagte der Innenminister am Sonntag. Der Migrationsdruck sei unverändert hoch, so de Maizière.

„Menschen fliehen vor Verfolgung oder Armut in ihren Ländern. In Libyen gibt es kaum noch staatliche Strukturen, das nutzen Schlepper aus. Verbrecherische Schlepperbanden verdienen viel Geld mit der Reise bis und über das Mittelmeer.“

Organisierte Banden überfüllten untüchtige Boote und überließen die Menschen ihrem Schicksal. „Die Bekämpfung der Schlepperbanden ist deshalb ein zentraler Punkt. Wir müssen die Zusammenarbeit intensivieren. Bei Europol haben wir eine eigene Ermittlungsgruppe eingerichtet, wo wir erste Erfolge sehen. Wir dürfen und werden es nicht dulden, dass diese Verbrecher aus bloßer Profitgier massenhaft Menschenleben opfern“, betonte der CDU-Politiker. Es sei klar, dass kein Land die Flüchtlingsproblematik alleine lösen könne.

„Wir brauchen nicht nur eine gemeinsame europäische Strategie, sondern auch eine bessere Verzahnung der Außen-, Innen und Entwicklungspolitik in und zwischen den Mitgliedsstaaten ebenso wie mit den Herkunfts- und Transitstaaten.“

Steinmeier: Bilder von Flüchtlingsdrama im Mittelmeer „unerträglich“

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat bestürzt auf das neuerliche Flüchtlingsunglück im Mittelmeer reagiert: „Was wir heute erneut im Mittelmeer beobachtet haben, das ist eine weitere Tragödie. Die Bilder sind unerträglich“, sagte Steinmeier im „Bericht aus Berlin“ (ARD). Dennoch sehe er es nicht als hilfreich an, „neu über Frontex“ zu diskutieren „oder über mehr polizeiliche Präsenz im Mittelmeer. Das mag alles notwendig sein. Aber ich glaube, es sind zwei Dinge, die wir tun müssen. Das Erste: Wir müssen versuchen, mehr Stabilität nach Libyen zu bringen. Das heißt, zu versuchen, doch noch eine Regierung der nationalen Einheit zustande zu kriegen in Libyen“, so Steinmeier.

Nur stabile Verhältnisse in dem Land verhinderten, dass Libyen „weiterhin von den Schleppern und Schlepperorganisationen benutzt wird“, sagte der Außenminister. „Und wir müssen den Schlepperorganisationen das Handwerk legen. Das wird nur gehen in internationaler Kooperation.“ In der Nacht auf Sonntag war ein Schiff im Mittelmeer gekentert. Es wird befürchtet, dass die rund 700 Flüchtlinge an Bord des Schiffs das Unglück nicht überlebt haben.

Autor: dts