Köln | aktualisiert | Es ist der Tag der schwarzen Limousinen in „Unter Sachsenhausen“. Auf Einladung der Kölner Industrie- und Handelskammer (IHK) treffen sich die Entscheider der Kölner Wirtschaft zum traditionellen Neujahrsempfang. Nach dem amerikanischen Botschafter im letzten Jahr beehrte in diesem Jahr EU-Energiekommissar Günther H. Oettinger die Festversammlung und sprach sich vehement für ein einiges Europa und den Einsatz traditioneller Energien, wie der rheinischen Braunkohle aus. Report-k.de dokumentiert den Abend und bietet die Rede des IHK-Präsidenten im Wortlaut.

Die IHK Köln spricht von 500 Entscheidern, die den Weg in den Kölner Börsensaal gefunden hätten. Der Präsident der IHK forderte ein Umdenken in der Kommunalfinanzierung und griff dabei auch das Tabuthema „Soli“ auf. Allein Köln müsse jedes Jahr rund 70 Millionen Euro aufbringen, Geld das hier für die dringende Sanierung der Infrastruktur, die Bauwens-Adenauer als „bröckelnd“ beschrieb, fehle. Als negatives Leuchtturmbeispiel diente dem IHK Präsidenten natürlich die Situation bei den Rheinbrücken in der Kölner Region.

Von der Stadt Köln forderte Bauwens-Adenauer eine „Task-Force öffentlicher Raum“ um endlich das Baustellenchaos in den Griff zu bekommen. „Köln sei die Stadt herrenloser Plastik-Absperrbaken.“, formuliert die Interessenvertretung der Wirtschaft. Paul Bauwens-Adenauer zum Baustellenmanagement der Stadt: „Die oftmals nicht koordinierte Verkehrsbehinderung ist das eine, das schludrige Erscheinungsbild der oft langjährigen Baustellen sowie deren schlampige Hinterlassenschaften sind das andere.“ Mit Blick auf die im Herbst 2013 anstehende Bundestagswahl warnte Adenauer vor den „Versuchungen einer Verteilungspolitik“. Für den IHK Präsidenten sei es für den Investitionsstandort Deutschland schädlich, wenn bei sprudelnden Steuereinnahmen auch noch Steuererhöhungen ins Spiel gebracht würden. Und dies vor Belastungen, wie der Energiewende. Von der Politik mahnte er vor allem Transparenz bei der Ausgabe von Mitteln, auch bei der Eurorettung an.

Oettinger spricht sich für Europa und Griechenland-Rettung aus

Günter Oettinger, EU Kommissar für Energie, machte sich stark für den Erhalt von europäischer Union und Eurozone und mahnte alle Kritiker der Eurorettung einen Blick auf die Weltkarte zu werfen und diesen aber auch aus der Perspektive Chinas, Russlands oder der USA zu tun. Deutschland spiele mit einem Anteil von drei Prozent der Weltbevölkerung keine Rolle im globalen Spiel und war auch jetzt im USA-Wahlkampf kein Thema mehr. Die Unternehmer sollten einmal auf ihre Auftragsbücher sehen und nachblättern wieviel ihrer Umsätze aus dem Binnen-, dem europäischen und dem Weltmarkt stammten. Man werde dann schnell feststellen, dass es ohne europäischen Markt nicht gehe. Wer Griechenland aus der Eurozone werfen will, der verkenne, dass das griechische Bruttosozialprodukt gerade einmal zwei Prozent und die griechischen Schulden nur drei Prozent in Europa ausmachten. Wenn Europa dieses Problem nicht gelöst bekäme, wer solle dann noch Europa und den europäischen Staaten vertrauen, fragte Oettinger. Nicht Griechenland sei ein OECD Problem, sondern Deutschland mit seinen weitaus höheren Schulden und das in einer Zeit in der Deutschland auf dem Höhepunkt seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit stehe.

Oettinger forderte im Angesicht der europäischen und auch deutschen Schulden, aber auch der demographischen Situation und Entwicklung mehr Demut und Bewusstsein und weniger Arroganz und Selbstbewusstsein. Er lobte die Agenda 2010, die aus dem kranken Mann Europas noch vor 12 Jahren heute ein Land mit höchster Leistungskraft gemacht habe. Man müsse sich auf Kernkompetenzen wie solides Arbeiten, Ehrgeiz, Fleiss und europäischem Handeln besinnen und weniger konsumptiv denken um auch in 12 bis 30 Jahren noch erfolgreich zu sein. Denn 2028 wird Deutschland seinen Außenhandelsüberschuss eingebüßt haben.

Kohle, Braunkohle, Fracking – da sieht Oettinger die Zukunft

Zu seinem eigentlichen Thema Energie bestärkte Oettinger seine Thesen, die er schon zwischen den Jahren nach außen vertreten hat. Er forderte eine Abkehr von Fehlallokationen bei den erneuerbaren Energien, auf Kohlekraft zu setzen und am Industrieleitbild festzuhalten. Für das Rheinland machte Oettinger klar, dass die Braunkohleverstromung nach seiner Auffassung noch lange bleiben müsse. Man solle sich darauf einrichten, dass diejenigen, die bisher „Atomkraft nein danke“-Plakate im Keller gemalt hätten, jetzt schon an den Entwürfen für „Kohle nein danke“ säßen. Er wünsche sich in der Energiediskussion mehr Ratio, Verstand, Physik und Betriebswirtschaft und weniger Ideologie und Idealisierung. Oettinger sprach sich zudem für Fracking, CCS und gegen Nachtflugverbote aus, damit Deutschland in einer dynamisierten Welt auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibe. Zudem forderte er von Wirtschaften, Verbänden und Politik mehr Lobbyarbeit in Brüssel zu machen. Brüssel sei näher an Köln als an Berlin, rief Oettinger in den Börsensaal der IHK.

Ist die Energiewirtschaft schon weiter als Oettinger?

Für Oettinger, aber auch für den IHK Präsidenten gab es viel Applaus aus den Reihen der Gäste, die aber zum großen Teil nur aus Angehörigen der Old Economy bestanden. Unternehmen, Interessensvertreter oder Verbände aus den Bereichen der neuen Energie, dem interessanten Themenfeld Smart Grid oder auch Internet oder E-Commerce, außer Agenturen oder reinen IT-Dienstleistern waren eher marginal beim IHK Neujahrsempfang vertreten. Insofern verwundert es nicht, dass Oettingers Positionen auf fruchtbaren Boden fielen. Auf die Frage von IHK Präsident Bauwens-Adenauer, dass Deutschland Energie ungenutzt wegwerfe, ging Oettinger nicht ein. Wer etwa auf dem VDE Kongress Ende letzten Jahres in Stuttgart zugehört hatte, wunderte sich ob der konsequent ablehnenden Haltung Oettingers gegenüber dem Thema erneuerbare Energien. Dort sprach man übrigens von über 30 Gigawatt erneuerbarer Energien, die derzeit wegen des schleppenden Netzausbaus und des langsam voranschreitenden rechtlichen Rahmens, jedes Jahr einfach verpuffen. Dr. Rolf Martin Schmitz, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der RWE AG, in Köln kein Unbekannter, sagte dort im Themenumfeld Smart Grid: »Die Situation hat sich innerhalb eines Jahres fast umgekehrt, vor einem Jahr sah die Energiebranche die Energiewende noch mit Skepsis , während Politik und Medien sie vollmundig propagieren, jetzt ist die Energiebranche überzeugt, dass sie gelingen kann, aber die Medien sehen Chaos, wenn nicht schon den frühzeitigen Tod der Energiewende.« Die Potentiale die im Netzausbau rund um die erneuerbaren Energien liegen, die Erneuerung der elektrischen Infrastruktur birgt große Chancen, auch und gerade für den Industriestandort Deutschland und Europa. Denn alleine in Deutschland müssten um nur ein einziges Beispiel zu nennen, 44 Millionen Stromzähler durch Smart Meter ausgetauscht werden. Schade, dass Oettinger nicht auch über die Chancen der Energiewende für Europa und Deutschland sprach.

Kleinere und mittlere Unternehmer und deren Vertreter und sei es nur ein Tisch mit wechselnden Protagonisten, suchte man, obwohl diese die Mehrzahl der Unternehmen in der Industrie- und Handelskammer Köln stellen, auch auf dem Neujahrsempfang 2013 in der Gästeliste vergeblich.
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Rede von Präsident Paul Bauwens-Adenauer anlässlich des Neujahrsempfangs 2013 der Industrie- und Handelskammer zu Köln am 9. Januar 2013 im Wortlaut

Sehr geehrte Damen und Herren,

in diesem Jahr wird der Deutsch-Französische Freundschaftsvertrag 50 Jahre alt. Dieses Jubiläum wird man in Frankreich und Deutschland mit einer Reihe von Veranstaltungen begehen.

In Köln gab es aus diesem Anlass bereits vor wenigen Wochen ein festliches Abendessen in der Bastei, bei dem der französische Botschafter eine bewegende Ansprache hielt. Neben der Würdigung der politischen Bedeutung dieses Vertragswerkes sprach er über die Bedeutung Kölns als Brückenstadt am Rhein, die die lateinische und deutsche Welt verbindet. Er bezeichnet unsere Region als Zentrum vieler kultureller und wirtschaftlicher Netzwerke Europas.

Uns Kölnern wurde bei diesen Worten natürlich warm ums Herz. Wenn man den Blick rheinaufwärts wendet und die Silhouette der Stadt beiderseits des Stroms wahrnimmt, dann geht von diesem Bild in der Tat eine große Kraft aus. Zugleich fragt man sich dann, ob wir uns dessen stets bewusst sind und immer angemessen mit unserer Stadt umgehen. Und zumindest an diesem Abend wünschte man sich für den Stadtraum Rhein, der unsere Champs Élysées sein sollte, in der vorweihnachtlichen Zeit etwas mehr Lichterglanz. Dies wäre eine Attraktion! Zugleich könnte man auch einige der vielen Weihnachtsmärkte an den Rhein verlegen und manch engem Platz in der Stadt mehr Luft verschaffen.

Eine Idee!

Ideen braucht diese Stadt, allein wenn man an die finanzielle Situation denkt. Die ist in der Tat alles andere als rosig. Köln hat ein strukturelles Defizit von mehr als 300 Mio. € bei einem knappen Gesamtetat von ca. 3,5 Mrd. €.

Auch bei größtem Sparwillen, den Sie, Herr Roters, derzeit richtigerweise propagieren, erscheint bei einem Pflichtanteil von mehr als 90% die Aufgabe der Hauhaltskonsolidierung unlösbar. Das sieht bei fast allen Kommunen so ähnlich aus. Es ist offensichtlich, dass die Struktur der Kommunalfinan-zierung in Deutschland völlig schief hängt. Die vom Bund auferlegten Lasten und die gewährten Steueranteile driften immer weiter auseinander. Zu alledem werden die Kommunen – man fragt sich, warum eigentlich die Kommunen – jährlich mit horrenden Ausgaben für den „Soli“ belastet. Für die Kommunen unseres Kammerbezirks sind dies jährlich 100 Mio. € – allein für die Stadt Köln 70 Mio. €. Geld, das uns hier dringend fehlt, allein zur Sanierung der an allen Ecken und Enden bröckelnden Verkehrsinfrastruktur. Fast täglich erreichen uns neue Hiobsbotschaften über den miserablen Zustand unserer Rheinbrücken und der Verkehrsinfarkt droht.

Vor diesem Hintergrund der katastrophalen Finanzlage unserer Städte mit der Zusatzbelastung „Soli“ wundert es doch sehr, mit welcher Sorglosigkeit unsere Bundestagsabgeordneten eine halbe Milliarde für den Neubau des Berliner Schlosses beschließen, nach dem Motto, „die Hauptstadt soll glänzen.“ 45 Milliarden Euro zieht Berlin aus dem Länderfinanzausgleich und bekommt jedes Jahr 500 Millionen Euro Kulturförderung des Bundes. Bei der halben Milliarde wird es nicht bleiben, da wir um die finanzielle Entwicklung – insbesondere politisch verantworteter Großprojekte – wissen. Hinzu kommt, dass nach einer sinnvollen Nutzung für das Schloss noch krampfhaft gesucht wird. Was ist mit den Folgekosten? Wo setzen wir eigentlich die Prioritäten? D. h. machen wir die richtigen Dinge und wenn, machen wir sie richtig?

Man darf doch wohl von der Politik konzeptionelles Denken erwarten. Die anstehende Bundestagswahl ist eine gute Gelegenheit, die Kandidaten diesbezüglich inhaltlich zu fordern. Unsere Industrie- und Handelskammer wird dies jedenfalls tun. Die kommunalen Vertreter allerdings müssen lernen, in konzertierter Aktion vehementer aufzutreten. Die Kommunen verstehen es nicht, sich bundespolitisch angemessen zu platzieren. Aber ohne das wird man nichts bekommen oder nur wenig bekommen. Wir helfen gerne.

Gleichzeitig sollte aber das strukturelle Haushaltsdefizit zur Kreativität anregen. So hat Köln z. B. ein großes Vermögen. Dieses muss die Stadt im Interesse ihrer Bürger optimal verwalten, aber auch unternehmerisch einsetzen. Es gilt ständig zu prüfen, inwieweit Umschichtungen der Investments der Stadt Mehrwert bringen könnten. So wäre möglicherweise die Errichtung eines Kongresszentrums im Kontext der Kölnmesse unter Würdigung der entsprechenden Umweg-Rendite gewinnbringender als z.B. ein Unternehmen der Heizenergieverbrauchsmessung, dessen stolzer Besitzer die Stadt u.a. auch ist.

Es gibt aber auch ein herausragendes Thema für unsere Stadt, das kein zusätzliches Geld kostet. Das ist der Zustand des öffentlichen Raums. Der ist immer schlimmer geworden. Nehmen wir nur einmal das Baustellenmanagement. Die oftmals nicht koordinierte Verkehrsführung ist das eine, das schludrige Erscheinungsbild der oft langjährigen Baustellen sowie die schlampigen Hinterlassenschaften sind das andere. (Hier gab es viel Applaus) Köln ist die Stadt der herrenlosen Plastik-Absperrbaken. Wem die gehören weiß ich nicht, vielleicht sind die auch gemietet. (Lacher) Hinzu kommt eine Fülle von Inventar und Schildern auf Straßen und Plätzen, sowie ausufernde Reklameflächen, die das Bild beherrschen.

Das Gebot der Stunde heißt: Aufräumen!

Damit das gelingt, brauchen wir eine Task-Force „Öffentlicher Raum“. Diese muss kompetent und durchgriffsstark sein. Sinn für Ästhetik kann dabei nicht schaden. Die Pflege des öffentlichen Raums darf nicht einer falsch verstandenen Sparpolitik zum Opfer fallen. Das hieße nämlich die Negativspirale weiterdrehen. Das Gleiche gilt für die Infrastruktur. Die hier gemachten Fehler der Vergangenheit holen uns heute auf dramatische Weise ein.

Dies gilt nicht nur für die Kommunen, sondern insbesondere auch für Bund und Land. Das Debakel mit der Leverkusener Autobahnbrücke ist lediglich die Spitze eines Eisbergs und ist Zeugnis jahrzehntelanger sträflicher Vernachlässigung der Verkehrsinfrastruktur. Beim Wissen um deren existenzielle Bedeutung kann dies nur als verantwortungslos charakterisiert werden. Dies muss in Zukunft anders werden – egal wer in Bund und Land regiert. Das Argument knapper Kassen ist vorgeschoben. Die Gesamteinahmen aus Mineralöl- und KFZ-Steuer sowie LKW-Maut betragen 53 Mrd. € pro Jahr. Ausgegeben werden 19 Mrd. €, inklusive Betrieb und Verwaltung, investiv aber nur 11 Mrd. €. Dabei ist die Mineralölsteuer eigentlich gesetzlich zweckgebunden. Diese Bindung wird aber Jahr um Jahr bei der Verabschiedung des Haushaltes aufgehoben. Wenn man in der Vergangenheit lediglich die Hälfte von dem investiert hätte, was das Gesetz vorschreibt, würden wir heute weder über Instandhaltungs- noch Neubauprobleme reden. Wo ist hier die Compliance der Politik, die selbige bei der Wirtschaft so gerne einfordert? Wenn nach der Bundestagswahl eine zusätzliche Maut komme, dann muss diese zweckgebunden und nicht der Willkür des Parlaments ausgeliefert sein. Ich fordere eine wirkliche Bindung.

Im Gegensatz zur Verkehrsinfrastruktur sind Bildung und Ausbildung richtigerweise schon länger im Fokus der Politik. So wurde neben einer verstärkten finanziellen Unterstützung den Hochschulen mehr Selbstständigkeit gegeben. Diesen Umständen ist es u.a. zu verdanken, dass jetzt auch die Universität Köln zum Kreis der Exzellence Universitäten gehört, was unsere rheinische Hochschullandschaft nochmal deutlich aufwertet. Eine herausragende Leistung, die höchste Anerkennung verdient.

Ich befürchte aber, dass das geplante neue Hochschulzukunftsgesetz des Landes einen Rückfall in alte Zeiten politischer und administrativer Gängelung bedeutet. Das können wir uns als Standort, der zukunftsfähig sein will, nicht leisten.

So wie wir es uns gesellschaftlich und wirtschaftlich nicht leisten können, dass immer noch ca. 15 % junge Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung bleiben. Wenn an dieser Stelle die Landesregierung einen Schwerpunkt ihrer Arbeit sieht, ist das vollkommen richtig. Und auch wir, die Wirtschaft, müssen hierbei massiv unterstützen und Geld in die Hand nehmen. Unsere Kammern sind hierfür die geeignete Organisationsplattform und stehen bereit, ihren Beitrag zu leisten. Auf diese Weise können wir mithelfen, dass alle in diesem Zusammenhang stehenden Maßnahmen auch praxisnah getroffen werden.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein für das Jahr 2013 ist die anstehende Bundestagswahl. Gerechtigkeitsdebatten prägen aktuell den Vorwahlkampf und vor allen Dingen die Talkshows. Offensichtlich steht die Illusion einer allumfassenden sozialen Gerechtigkeit für die romantischen Deutschen mal wieder an erster Stelle. Der realitätsferne Glaube, der Staat könne alles richten, hat erschreckend zugenommen. Das staatliche „Fördern“ und „Verbieten“ wuchert aus. Dies verengt die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung und gefährdet auf Dauer den Wohlstand. Ohne Wohlstand aber sind Freiheit und soziale Gerechtigkeit nicht denkbar. Wohlstand gibt es aber nur mit einer florierenden Wirtschaft, die sich tagtäglich im internationalen Wettbewerb neu beweisen muss.

Unsere aktuelle ökonomische Stärke ist kein Anlass, uns aufs Verteilen zu konzentrieren. Dafür sind die globalen wie die hausgemachten Herausforderungen viel zu groß. Und die Konjunktur ist nicht so stabil, wir werden erst noch sehen wo es in diesem Jahr hingeht. Wenn bei größten Steuereinnahmen aller Zeiten und gleichzeitig anstehenden großen Belastungen für die Bürger, wie z.B. der Energiewende, Steuererhöhungen das Wort geredet wird, ist das für den Investitionsstandort Deutschland äußerst schädlich. Die Absicht, eine Vermögenssteuer einzuführen, ist dabei von besonderer Brisanz, da sie als Substanzsteuer insbesondere die mittelständische Wirtschaft mit ihren Personengesellschaften schwächt. Wem soll das dienen?

Statt ständig über Steuer-und Abgabenerhöhungen nachzudenken, wäre es wünschenswert, das gesamte Finanzgebaren des Staates zu vereinfachen und dem Bürger zu mehr Transparenz zu verhelfen. Wie soll man verstehen, dass im Zusammenhang mit der Eurorettung Bürgschaften und Kredite in schwindelerregender Höhe aufgetürmt werden, aber hierzulande die Infrastruktur vor die Hunde geht und die Kommunen dringendsten Aufgaben nicht mehr nachkommen können? Warum gibt es für diese Investitionen im eigenen Land keine Bürgschaften und Kredite?

Die Probleme Europas sind mehr und mehr alles beherrschend geworden. Wir haben uns in immer komplexere Situationen hineinmanövriert, aus denen ein unbeschadetes Entrinnen immer unmöglicher erscheint. Dabei ist vor allem die Frage, welches Europa wir eigentlich wollen, völlig offen. Da gibt es einerseits das Brüssel-Europa mit 27 Mitgliedsstaaten, der in der Öffentlichkeit oft als bürgerfern wahrgenommene Moloch, der ohne unmittelbare demokratische Legitimation immer weiter wächst. Andererseits das Europa der Eurozone mit 17 Mitgliedstaaten, das sich unter dem Druck der Staatsverschuldungen windet und sich einer Notoperation nach der anderen unterziehen muss. Treiben wir oder werden wir getrieben?

Mit der Einführung des Euro wollte man unter anderem auch die schwächeren Volkswirtschaften beflügeln. Dies gelang für kurze Zeit mittels eines schuldenfinanzierten Strohfeuers. Dies hatten Kritiker seinerzeit befürchtet, leider behielten sie Recht. Jetzt will man dem Schulden machen zu Lasten Dritter ein Ende bereiten. Aber selbst wenn das gelingen sollte, was allen bisher gemachten Erfahrungen widerspricht, bleibt die entscheidende Frage: Wie soll die Wirtschaft der betreffenden Länder die notwendige Kraft entfalten, um dann im Hartwährungsraum des Euro dauerhaft zu bestehen?

Welches sind die Produkte, mit denen man einen Leistungsbilanzausgleich schafft?

Es wird immer wieder von Hilfe gesprochen, die gegeben werden soll.

Aber welche Hilfe soll das sein? Der weitere Aufbau von Subventionsblasen? Transferzahlungen? Wer soll die leisten? Vielleicht ein neuer „Soli“ zu Lasten der deutschen Kommunen? Oder Strafzahlungen für Exportüberschüsse?

Dies würde die Angleichung der Lebensverhältnisse mit der Brechstange bedeuten, eine Bestrafung der Erfolgreichen.

Das kann nicht unser Wille sein. Das würde nur die Spannungen innerhalb Europas dramatisch erhöhen.

Nein, Europa darf keine Superplanwirtschaft werden. Das führt geradewegs in die Katastrophe.

Europa ist als ein Friedensmodell geboren worden und als solches ein großer Erfolg. Wir alle wollen dieses Europa des Friedens. Und wir alle wollen, dass sich die Integration der Völker fortentwickelt. Das bedeutet aber, dass man der Entwicklung Zeit gibt – Geschichte braucht Zeit. Das bedeutet auch, dass man sowohl die Brüsseler Situation entkrampft als auch über die Struktur des Euro nachdenkt.

Ein kreatives Nachdenken ist notwendig und eben gerade nicht europafeindlich – das Schlagwort, mit dem man gerne jede kritische Auseinandersetzung abwürgt.

Die Chance von Europa liegt in der Vielfalt, dem Wettbewerb, der Rechtsstaatlichkeit und dem Willen zum Frieden. Dies war auch Grundlage des Deutsch-Französischen Vertrages vor 50 Jahren und dies sollte die Grundlage unseres Handelns auch heute sein. Das sage ich in der Stadt, von der der französische Botschafter in der eingangs erwähnten Veranstaltung sagte, und ich zitiere: „Wenn es nur eine Wiege des europäischen Bewusstseins gäbe, dann wäre es schlicht und einfach Köln.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man sieht, es bleibt auch im Jahr 2013 spannend. Der eine sieht die Entwicklung optimistischer, der andere pessimistischer. Aber, ich versichere Ihnen: Am Ende wird alles gut. Und wenn es dann doch nicht gut sein sollte, dann ist es eben noch nicht das Ende.

In diesem Sinne alles Gute für 2013.

Autor: Andi Goral
Foto: Der Präsident der IHK Köln Paul Bauwens-Adenauer, EU Kommissar für Energie Günther H. Oettinger beim Eintrag ins Gästebuch der IHK, Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters und Ulf C. Reichardt, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln.