Berlin | 20 Jahre nach der Einführung der Reform der deutschen Rechtschreibung hat der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, Wissenschaftlern widersprochen, die darin die Hauptursache für die nachlassenden Rechtschreibleistungen von Schülern sehen. Es sei zwar eine unbestreitbare Tatsache, dass die Rechtschreibleistungen auch an Gymnasien immer schwächer würden, das läge aber „zum geringsten Teil an der Rechtschreibreform“, sagte Meidinger in einem Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstagsausgabe). Die Hauptursache sieht er darin, „dass wir es insbesondere bei den meisten Jungen mittlerweile mit einer Generation von Jugendlichen zu tun haben, die kaum mehr liest“.

Ohne intensives Lesen erwerbe man aber auch keine ausreichende Rechtschreibkompetenz, betont der Experte. Der Bildungspolitik wirft Meidinger vor, den Rechtschreibunterricht in den Lehrplänen seit den 90er-Jahren systematisch zu vernachlässigen. Weil Rechtschreibung als Bildungsbarriere gelte, führe sie in manchen Bundesländern insbesondere in der Mittelstufe ein Randdasein.

„Ich halte es für einen schweren Fehler, dass es Bundesländer gibt, in denen zumindest in bestimmten Jahrgangsstufen keine benoteten Rechtschreibdiktate mehr geschrieben werden dürfen“, kritisierte der Vorsitzende des Philologenverbandes. In keinem anderen europäischen Land würde dem muttersprachlichen Unterricht in den Stundentafeln so wenig Platz eingeräumt. Meidinger reagierte mit seiner Stellungnahme unter anderem auf eine aktuelle Studie des Saarbrücker Bildungsforschers Uwe Grund.

Grund war nach der Auswertung zahlreicher Untersuchungen zur Rechtschreibreform zu dem Schluss gekommen, dass sie „ein Flop“ sei. Sie habe bei den Schülern zu schlechteren Rechtsschreibleistungen geführt.

Bildungsexperten für mehr Deutschunterricht

Bildungsexperten fordern angesichts der schlechten Bilanz der Rechtschreibreform einen stärkeren Fokus auf korrektes Deutsch im Schulunterricht und mehr Deutschstunden. „Während Rechtschreibung im Deutschunterricht an Bedeutung verloren hat, legen Firmen und Arbeitgeber darauf nach wie vor großen Wert“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands (DPhV), Heinz-Peter Meidinger, deer „Bild“ (Dienstag). „Wir brauchen mehr Deutschunterricht an unseren Schulen“, verlangt Meidinger.

Kaum ein Land in Europa biete seinen Kindern so wenig muttersprachlichen Unterricht wie Deutschland. Die Rechtschreibreform habe „viel weniger gebracht, als Befürworter versprochen haben“, kritisiert Meidinger. In einzelnen Bereichen sei die Rechtschreibung „etwas logischer geworden, sehr viel einfacher aber sicher nicht“, urteilt der Bildungsexperte.

„Im Nachhinein hat sich der Riesenaufwand nicht gelohnt.“ Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) wünscht sich vor allem „einen guten Rechtschreibunterricht“. Er halte nichts davon, „später in Studium und Beruf auf Korrekturprogramme und Computer zu vertrauen“.

Richtiges Schreiben müsse in der Schule intensiv geübt werden. „Das wurde in der Vergangenheit nicht immer gemacht“, kritisierte Rabe in der „Bild“. Der CDU/CSU-Bildungsobmann im Bundestag, Stefan Kaufmann (CDU), hält hingegen „kleine Korrekturen“ an der Rechtschreib-Reform für möglich.

Kaufmann kritisiert, die Reform habe „nicht überall zur Vereinfachung beigetragen“.

Autor: dts