Köln, Leipzig | aktualisiert | Das Oberverwaltungsgerichts Münster hatte das Planfeststellungsverfahren für den Hafen Godorf aufgehoben. Dies wurde heute durch einen Beschluss des Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigt. (BVerwG 7 C 10.12 – Urteil vom 19. Februar 2015) Mit Stimmen und Reaktionen der Gegner und Befürworter des Hafenausbaus aus Wirtschaft und Politik auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Bezirksregierung Köln hat der Häfen und Güterverkehr Köln AG eine wasserrechtliche Planfeststellung für die Erweiterung des Hafens in Köln-Godorf erteilt. Der Hafen soll dem sogenannten trimodalen Umschlag dienen, d.h. den Umschlag von Gütern zwischen Wasserstraße, Schiene und Straße ermöglichen. Zugelassen wurde der Bau eines Hafenbeckens mit einer Fläche von ca. 2 ha und landseitiger Anlagen mit einer Fläche von insgesamt ca. 18 ha.

Planfeststellung rechtswidrig

Die wasserrechtliche Planfeststellung ist rechtswidrig, weil auf der Grundlage des Wasserhaushaltsgesetzes die Planfeststellung eines Hafens als funktionale Gesamtheit von wasser- und landseitigen Betriebsanlagen nicht möglich ist; planfeststellungsfähig ist nur der Ausbau des Gewässers. Die außerhalb des Hafenbeckens und seiner Ufer vorgesehenen Maßnahmen sind auch nicht sämtlich auf anderen Rechtsgrundlagen planfeststellungsfähig. Für Straßen kommt nach dem irrevisiblen Landesrecht eine Planfeststellung nur in Betracht, wenn diese dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind; das soll bei den der inneren Erschließung des Hafengeländes dienenden Straßen nicht der Fall sein. Eisenbahnrechtlich planfeststellungsfähig sind lediglich Bau und Änderungen von Betriebsanlagen einer Eisenbahn.

Bebauungsplan nötig

Nicht alle planfestgestellten Teile des Vorhabens, die nicht dem Gewässerausbau unterfallen, sind ausschließlich als derartige Betriebsanlagen einzuordnen; daneben dienen sie auch anderen, nicht von der Ermächtigung zur Planfeststellung umfassten Zwecken. Für die nicht planfeststellungsfähigen Teile des Gesamtvorhabens sind mithin die gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungsverfahren durchzuführen, insbesondere Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Baurecht, die bei einem solchen Vorhaben die vorherige Aufstellung eines Bebauungsplans erfordern können.

[infobox]Vorinstanzen:

OVG Münster 20 A 2147/09 – Urteil vom 15. März 2011

VG Köln 14 K 4720/06 – Urteil vom 11. August 2009

BVerwG 7 C 11.12 – Urteil vom 19. Februar 2015

Vorinstanzen:

OVG Münster 20 A 2148/09 – Urteil vom 15. März 2011

VG Köln 14 K 4719/06 – Urteil vom 11. August 2009

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Stimmen und Reaktionen in Köln auf das Urteil

Die Aktionsgemeinschaft Contra Erweiterung Godorfer Hafen fordert: Kölner Rat soll jetzt Moratorium beschließen, um den Hafenausbau zu stoppen

Die Gerichtsentscheidung sei eine schwere Niederlage für die Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK), die das Prestigeprojekt seit Jahren gegen den Widerstand der Kölner Bürger betreibt und die Kölner SPD, die den Hafenausbau politisch unterstützt. Jetzt müsse der Kölner Rat umgehend ein Moratorium für den Hafenausbau beschließen, um eine Investitionsruine von mindestens 70 Millionen Euro (davon 45 Prozent Subventionen) und die Zerstörung von 150.000 qm Naturschutzgebiet Sürther Aue zu verhindern. Dafür müsse der Kölner Rat sich endlich methodisch verlässliche Klarheit über die tatsächliche Erforderlichkeit des Hafenausbaus in Godorf verschaffen, indem er alle im Wirtschaftsraum Köln verfügbaren Alternativen inklusive Null-Variante einem fundierten Optionsvergleich unterzieht oder von sachkundiger neutraler Seite unterziehen lässt. So die Forderungen der Hafengegner.

Die Gegner des Hafenausbaus, der im Jahr 1988 vom Kölner Rat beschlossen wurde, führen gewichtige Argumente ins Feld. Unter anderem, dass die Planungsgrundlagen falsch seien, weil sie nicht an die Entwicklungen der Märkte angepaßt wurden. Die Gegner sagen dazu im Detail: „Der Bundesverkehrswegeplan 2015 korrigiert Wachstumsannahmen deutlich nach unten auf eine Verdoppelung statt Verdreifachung des Containermarkts. Die Beschlussvorlage zum Hafenausbau geht 2012 mit 5.8 Prozent p.a. noch von einer Verdreifachung des Containermarkts 2010-2030 aus. Das lässt unberücksichtigt, dass mit der Wirtschaftskrise seit 2008 auch die Boomzeit der Container zu Ende ging. In den See- wie in den Binnenhäfen, z. B. in Köln, stagniert der Umschlag seither. Entsprechend wurde für den kommenden Bundesverkehrswegeplan BVWP 2015 der Jahre 2010-2030 der Eckwert für das Container-Wachstum in den Seehäfen von 6.0 Prozent p.a. für 2004-2025 im BVWP 2003 um 28 Prozent zurückgenommen auf 4.3 Prozent p.a.. Aus einer Verdreifachung wird nur noch eine Verdoppelung. Für die hierfür notwendigen Flächen wurde jedoch im Raum Köln bereits ohne den Ausbau in Godorf Vorsorge getroffen.“ Man habe, so die Gegner 237 Millionen Euro in Köln bisher für den Ausbau der Containerkapazitäten ausgegeben und den Bedarf für die nächsten 20 Jahre damit gedeckt. Auch gebe es in Niehl noch Ausbaureserven.

FDP-Fraktion kündigt Initiative im Rat der Stadt Köln an

Ralph Sterck, Fraktionsvorsitzender der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln erklärt angesichts des Urteils: „Wir haben dem Hafenausbau in Godorf immer die Wirtschaftlichkeit abgesprochen. Jetzt ist es Zeit, das Gespenst Hafenausbau in Godorf zurück in den Rathauskeller zu sperren und das Projekt endgültig zu beerdigen. Köln braucht keine Investitionsruine, sondern muss die erfolgreiche Hafenkooperation in der Region verstärken und die Kapazitäten im Niehler Hafen optimal nutzen. Wir werden das Thema im Stadtrat auf die Tagesordnung bringen.“

Heribert Hirte fordert 10-jähriges Moratorium

Der Kölner Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte begrüßt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich: „Dies ist ein guter Tag für Köln, die Kölner Umwelt und den Kölner Steuerzahler! Der Rat der Stadt Köln und die Bezirksvertretung Rodenkirchen sind nun aufgefordert, endgültig von ihrem vermeintlichen Prestigeprojekt Abschied zu nehmen. Sie müssen nun den Weg fortsetzen, den der Kreisparteitag der Kölner CDU auf meine Initiative hin am 17. Juni 2013 schon eingeschlagen hat.“ Dort hatte  Hirte ein 10jähriges Moratorium für den Hafenausbau gefordert. Heribert Hirte betont zudem, dass bei größeren Infrastrukturmaßnahmen Kooperationen über die Stadtgrenzen hinweg gefordert seien: „Die Zeiten kommunaler Alleingänge sind vorbei! Zudem ist immer Vorsicht geboten, wenn kommunale Unternehmen die Zulässigkeitsgrenzen für die wirtschaftliche Betätigung ausreizen wollen. Scheitert ein solches Projekt zahlt am Ende der Kölner Steuerzahler.“

Kölner Grüne begrüßen die Entscheidung des Gerichts

Zur höchstrichterlichen Entscheidung erklärt Jörg Frank, Fraktionsgeschäftsführer und wirtschaftspolitischer Sprecher der grünen Ratsfraktion: „Wir begrüßen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Es ist ein großer Erfolg der Bürgerinnen und Bürger vor Ort, die seit 35 Jahren gegen den Hafenausbau in ein Naturschutzgebiet kämpfen. Es ist jetzt der richtige Zeitpunkt, dass sich der Rat von diesem 70 Mio-Euro-Projekt verabschiedet. Es gibt wichtigere Investitionen. Mit dem inzwischen erweiterten Hafen in Bonn, einer besseren Ausnutzung des Niehler Hafens und dem in Planung befindlichen Hafen in Düsseldorf-Reisholz hat die Region für die Zukunft ausreichende Hafenkapazitäten.“

HGK will an Ausbau festhalten

Die HGK beabsichtigt, weiterhin an ihrem Ziel festzuhalten, den Godorfer Hafen wie geplant zu erweitern, heißt es in einer Mitteilung des städtischen Unternehmens. Jetzt wolle man zunächst das Urteil prüfen. Die Kölner Industrie- und Handelskammer unterstützt die HGK weiter: „Mit dem heutigen Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht leider bestätigt, dass ein einziges, gesamtes Genehmigungsverfahren nicht rechtens war. Dadurch werden sich weitere Bauverzögerungen ergeben, da Teile nun noch einmal von anderen Behörden geplant werden müssen“, so Ulf Reichardt, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln.

DGB Köln bedauert Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

„Mit dem gestrigen Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass das Genehmigungsverfahren für den Ausbau des Godorfer Hafens Fehler aufweist und erneut durchgeführt werden muss,“ so der Kölner DGB-Vorsitzende Andreas Kossiski: „Dadurch wird sich die Umsetzung dieses dringend notwendigen Infrastrukturprojekts leider weiter verzögern. Das Urteil stellt die Hafenerweiterung aber nicht grundsätzlich in Frage. Es zeigt vielmehr, wie kompliziert und aufwendig mittlerweile Genehmigungsverfahren sind.“

Nach Auffassung von Kossiski ist ein schneller Ausbau des Godorfer Hafens dringend notwendig, um die hohe Verkehrsbelastung in der Region besser zu verteilen und Schwerlastverkehr von der Straße zu bekommen: „Wir brauchen in Godorf einen leistungsfähigen Containerhafen, damit mehr Güter über den Rhein transportiert und die maroden Brücken und Straßen entlastet werden.“, so Kossiki in einer schriftlichen Stellungnahme. Er hoffe daher, dass das erneute Genehmigungsverfahren für den Hafenausbau jetzt schnell eingeleitet wird: „Aber diesmal ohne formale Fehler und rechtssicher.“

SPD für zügigen Ausbau des Godorfer Hafens

Für Jochen Ott, SPD-Ratsmitglied und Oberbürgermeisterkandidat, steht nach dem Urteil fest: „Es geht weiter darum, den Wirtschaftsstandort Köln zu stärken und daher den Ausbau des Hafens in Godorf auf neuer Grundlage weiter voranzutreiben. Dies ist sinnvoll für Köln. Die Genehmigungsverfahren müssen nun zügig fortgeführt werden, die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens muss dabei aktuell nachgewiesen werden. Denn der Ausbau des Hafens stärkt unsere Wirtschaft, sichert und schafft Arbeitsplätze und schont schließlich auch die Umwelt. Durch die Stärkung der Binnenschifffahrt auf dem Rhein entlasten wir die Kölner Straßen erheblich vom Containerlastverkehr.“

Stadt Köln: Ratsauftrag zum Ausbau besteht weiter

Vor dem Hintergrund des bestehenden Ratsbeschlusses zum Ausbau des Hafens will die Stadt Köln die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts prüfen und dann gemeinsam mit der der Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK) das weitere Vorgehen abstimmen. Franz-Josef Höing, Beigeordneter der Stadt Köln für Stadtentwicklung, Planen, Bauen und Verkehr, kommentiert das Urteil: „Es ist gut, dass nun zum Verfahren Klarheit besteht. Wir werden mit der HGK und unter Einbindung der politischen Gremien nun die nächsten Schritte überlegen. Klar ist aber: Der Wirtschaftsstandort Köln braucht, auch vor dem Hintergrund der weiter wachsenden Verkehre, eine entsprechende Infrastruktur.“

Parallel zu diesem weiteren Verfahren hat die Stadt Köln nach eigenen Angaben bereits Anfang des Jahres den Bau- und Verkehrsminister Michael Groschek gebeten, in dem neuen Landesentwicklungsplan NRW den Godorfer Hafen in die Kategorie ,Landesbedeutsame Häfen‘ einzustufen.

Ute Berg, Beigeordnete für Wirtschaft und Liegenschaften: „Eine weitere Belastung des Kölner Straßennetzes – insbesondere in Nord-Süd-Richtung – muss vor allem auch im Interesse der Wirtschaft und der Wohnbevölkerung dringend vermieden werden. Daher ist das Potenzial, das die Wasserstraße Rhein bietet, umfassend zu nutzen. Nach genauer Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung muss überlegt werden, wie das Ziel, den Godorfer Hafen verstärkt in die Abwicklung der Verkehre einzubinden, erreicht werden kann.“

Kölner Piraten: Rat muss neu entscheiden

Thomas Hegenbarth, Sprecher der Piratengruppe im Rat der Stadt, erklärt die Position der Piratengruppe: „Als langjähriger Gegner des Ausbaus des Godorfer Hafens freut mich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Es ist nun an der Zeit, dass der Stadtrat das „70 Millionen Euro“-Projekt endgültig beerdigt und verstärkt auf die Zusammenarbeit mit den Häfen in Neuss, Düsseldorf und Bonn setzt. Ein guter Tag für die Aktiven vor Ort, von denen viele bereits seit Jahrzehnten engagiert gegen den Ausbau kämpfen.“

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entscheidung des BVerwG erweise sich das am zu hohen Quorum gescheiterte Votum der Einwohnerbefragung gegen den Ausbau von 2011 auch im Nachhinein als richtig, so die Kölner Piraten.

Autor: ag, Q.: Bundesverwaltungsgericht