Köln | Ein Team von Wissenschaftlern um Sara Wickström, Arbeitsgruppenleiterin am CECAD, dem Exzellenzcluster für die Erforschung altersassoziierter Erkrankungen an der Universität zu Köln, hat neue Einblicke gewonnen, wie Stammzellen fühlen und auf externe mechanische Reize reagieren. Dies geschieht durch eine Veränderung der DNA im Zellkern und einer daraus folgenden veränderten Expression von Genen, die für die Differenzierung der Stammzellen benötigt werden.

Alle Zellen haben den identischen genetischen Code, egal ob es sich um Haut- oder Gehirnzellen handelt. Diese Zellen sind aber völlig verschiedenen Umgebungen und mechanischen Belastungen ausgesetzt. Gehirnzellen sind zum Beispiel sehr weich, Knochen hingegen extrem hart. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass Zellen auf externe Kräfte mit Änderungen in ihrer Struktur und Genexpression reagieren können, um sich ihrer Umgebung besser anzupassen und weiterhin ihre Funktion aufrecht erhalten zu können. Die molekularen Mechanismen dieser Regulierung sind aber bisher unklar.

„Unsere Haut beschützt uns gegen unsere Umgebung und ist dabei dauerhaft toxischen Substanzen, UV-Strahlung und mechanischer Belastung ausgesetzt. Daher ist es besonders für Hautzellen sehr wichtig, auf äußere Kräfte reagieren zu können”, so Huy Quang Le, der leitende Wissenschaftler der Studie, die am Max-Planck-Institut für die Biologie des Alterns, einem CECAD-Kooperationspartner, durchgeführt wurde. Die Ergebnisse sind in Nature Cell Biology erschienen.

Um zu untersuchen, wie Hautzellen auf Belastung reagieren, nutzten Le und seine Kollegen eine spezielle mechanische Vorrichtung, die Stammzellkulturen von Hautzellen einer Dehnung aussetzte, wie sie auch im Gewebe vorkommt. Die Genexpression der gedehnten Zellen wurden mithilfe von Hochdurchsatzsequenzierung (next-generation-sequencing) analysiert. Hier konnte gezeigt werden, dass tausende Gene herunter reguliert waren, aber nur sehr wenige Gene eine gesteigerte Expression hatten. Weitere Forschung zeigte, dass die Dehnung weitreichend veränderte, wie die DNA im Zellkern vorliegt. Daraus resultiert eine weitreichende Unterdrückung der transkriptionalen Aktivität der Zelle, was bedeutet, dass weniger DNA in messengerRNA zur Herstellung von Proteinen kopiert wird. Damit sich eine Stammzelle differenzieren kann, müssen viele Gene transkribiert werden, damit die Zelle ihre spezielle Architektur und Funktion erhält. Als Resultat der mechanischen Dehnung konnten sich die Zellen nicht differenzieren. “Es war aufregend festzustellen, dass wir die strukturelle Organisation der DNA einfach durch eine mechanischen Reizung der Stammzellen verändern konnten”, so Sara Wickström.

Bei weiterer Untersuchung der zellulären Mechanismen der neu geordneten DNA fanden Le und seine Kollegen heraus, dass die mechanischen Kräfte an der Kernhülle registriert werden, einer Struktur, die die DNA umgibt und vom Rest der Zelle trennt. Eines der Schlüsselproteine in diesem Prozess ist Emerin, welches den Kern und die DNA mit dem Cytoskelett verbindet. Dieses Skelett ist die Struktur, die der Zelle Stabilität gibt. Das ist daher interessant, weil Emerin in mutierter Form bei der Krankheit Emery-Dreifuss-Muskeldystrophie vorliegen kann. Patienten, die an dieser Erkrankung leiden, weisen eine Degeneration mechanisch belasteter Gewebe auf, zum Beispiel in Skelettmuskeln, dem Herz oder der Haut. “Der genaue Mechanismus dieser Krankheit ist noch unbekannt und uns fehlen effektive Behandlungsmöglichkeiten. Ein großes Zukunftsziel unseres Labors ist es zu verstehen, ob der in unserer Studie entdeckte Mechanismus eine Rolle in der Pathogenese der Krankheit spielt”, sagt Sara Wickström. Weil sich die mechanischen Eigenschaften von Geweben auch mit dem Alter ändern, besteht ein weiteres Ziel darin zu verstehen, wie gealterte Stammzellen das Einwirken externer Kräfte wahrnehmen und inwieweit Veränderungen in den mechanischen Eigenschaften des umgebenden Gewebes sich auf diese Wahrnehmung auswirken.

Autor: ib