Köln | In Leipzig feierte die Bundesprominenz der SPD, im Kölner Rathaus heute die politische Elite der Stadt 150 Jahre SPD. Die Genossen starteten mit dem Singen des Liedes „Brüder zur Sonne…“ in den Festakt. Gekommen waren auch Vertreter anderer Parteien, deren Anwesenheit Roters als gute Zusammenarbeit in der Ratsarbeit wertete. Der Hansasaal war bis auf den letzten Platz besetzt.

Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität seien Werte der demokratischen Gesellschaft führte Roters aus, die die SPD immer vertreten hat und auch heute noch vertritt. Die SPD sei 1863 angetreten die Menschen aus ihren Klassengrenzen zu befreien, Schranken die unüberwindbar waren zu überwinden und habe für eine offene Gesellschaft gestritten. Bildung und Aufstiegschancen seien auch heute noch, wie man an Köln sehe, immer noch ungleich verteilt und damit noch immer Aufgabe. Roters sprach den Wunsch der Bürger nach mehr Beteiligung an politischen Prozessen an und sprach sich über ein Nachdenken für mehr Bürgerbeteiligungsverfahren aus und setzte in seiner Rede ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus.

Prof. Dr. Gerhard Brunn, Historiker, zeigte auf, dass es schon 1877 eine Zeitungsnotiz gab zur SAP, der sozialistischen Arbeiterpartei. Er erinnerte daran, dass in der Anfangszeit für 12 Jahre von 1878 an die SAP verboten und erst1890 die SPD in Köln gegründet wurde. Erst 1956 konnte man dann den ersten Platz in der Stadt mit dem Stellen des Oberbürgermeisters einnehmen. Die Kölner SPD sei immer hinterhergehinkt zur SPD in den anderen deutschen Städten, so der Historiker. Sie wäre zu Beginn nicht urkölsch, sondern eine Partei der Immis gewesen, erst mit Theo Burauen habe ein Kölscher die Spitze der Partei übernommen. Das habe daran gelegen, dass die konservativen Kräfte des Zentrums in Köln es lange geschafft hätten auch die Arbeiterschaft um sich zu scharen, was durch den Katholizismus und die christlichen Gewerkschaften begünstigt wurde.

Als die Partei 12 Jahre verboten war, nannte man diese Zeit die heroische Zeit, weil man im Untergrund überlebte, erläuterte der Historiker. Die Widerstände damals wären groß gewesen, auch die bürgerliche Presse schrieb gegen die SPD, forderte Unternehmer auf, Arbeiter die Mitglieder der SPD seien, zu entlassen. Mehr als 1.000 Menschen klatschten am Tag der Aufhebung des Verbotes und vier Tage später sei 1890 die Partei wieder gegründet worden. Das Verbot habe die SPD nicht geschwächt, nach 1890 verzeichnete die SPD große Erfolge bei Wahlen, etwa zum Reichstag, dem preußischen Landtag und dem Stadtrat. Dabei gelang es mit den Forderungen nach dem allgemeinen und gerechten Wahlrecht zu agitieren und die Massen zu mobilisieren.

Die Kölner SPD sei vor dem Ausbruch des I. Weltkrieg Antikriegspartei gewesen und rund 10.000 demonstrierten in Köln gegen den Krieg. Nach Kriegsausbruch erfasste auch die SPD der nationale Rausch und man reihte sich unter die Kriegsbefürworter ein. Die SPD habe nach 1918 den Absturz ins Chaos in Köln verhindert, durch Wilhelm Sollmann, der den demokratischen und nicht den revolutionären Weg wählte, wie Brunn aufzeigte. Man habe nicht handstreichartig die Macht übernommen, sondern Verantwortung und drei Dezernate übernommen und vertraute auf die Wahlen. Unter anderem hatte man das Dezernat für Soziales und Lebensmittel übernommen. Die Wähler hätten das aber nicht honoriert sondern straften die SPD ab und über die USPD und spätere KPD spalteten sich Teile der SPD ab. Die SPD verlor die Wahl.

Als die Nationalsozialisten auf die politische Bühne der Weimarer Zeit drängten, sei die Kölner SPD wieder näher an das Zentrum herangerückt. Die Kölner SPD unterschätzte die NSDAP, so die Schlussfolgerung des Historikers. Sollmann hielt die NSDAP nur für eine vorübergehende Erscheinung. Die KPD und SPD waren unversöhnlich und die KPD sah die SPD als schlimmeren Gegner als die NSDAP, auch eine Fehleinschätzung, wie wir heute wissen. Nach der Machtergreifung 1933 wurde die SPD massiv verfolgt. Die rheinische Zeitung wurde schon im Februar 1933 verboten. Schon 1934 waren mehr als 100 Kölner Genossen verhaftet. Man bildete Gesinnungsgenossenschaften, wie in der Zeit des Verbotes bis 1890, die auch die Verhaftungswellen überstanden, in denen die, die aus den Konzentrationslagern oder Zuchthäusern zurückkamen wieder zusammenfanden. Man traf sich in Privatwohnungen und engagierte sich sozial.

Nach dem Krieg sah sich die Kölner SPD als die demokratische Partei die dem Nationalsozialismus widerstanden habe. Aber die Partei war nach dem Krieg eine Partei der alten Männer und Frauen. Man war programmatisch rückwärtsgewandt, das zwar richtig gewesen sein mag, aber nicht zeitgemäß, so der Historiker. Die britische Regierung habe auf das Zentrum zurückgegriffen. Ein Jahr nach der Wiedergründung gab es die erste Krise und man musste merken das man sich auf neue Mitglieder, wie Angestellte einstellen musste. Mit Theo Burauen gelang es zum ersten Mal 1956 den Kölner Oberbürgermeister alleine zu stellen. Als Anwalt der kleinen Leute, traf Burauen den Nerv der Zeit und das SPD Parteibüro wurde zum Bürgerbüro, wo jeder vorbeikommen konnte der Rat suchte. Burauen Programm des sozialen Wohnungsbaus war besonders erfolgreich.

Jochen Ott, heute der Vorsitzende der Kölner SPD, meint die Partei wäre schon älter, denn bereits 1858 hätte es viele engagierte Sozialdemokraten gegeben. Sozialdemokrat zu sein, hieße, zum einen nicht, dass man zwangsläufig arm zu sein habe, sondern, dass man Ungerechtigkeiten nicht ertragen könne. Ott erinnerte an große Namen der Kölner Sozialdemokratie, wie Hofrichter, Juchertz, Gillesbach oder Sollmann. Fünf Opfer der Nazizeit habe die Kölner SPD zu beklagen. Die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen sei nach dem Krieg in manchen Teilen der Stadtgesellschaft immer noch nicht abgeschlossen, kritisierte Ott. Nicht nachvollziehbar sei es für die Nachgeborenen, dass man damals über vieles hinwegsehen und neu beginnen konnte. Wiederaufbau nach dem Krieg, soziale Wohnungsbau, gutes Wohnen spielte immer eine Rolle, „Weiterbauen mit Burauen“, gute Bildung sei der rote Faden durch die Arbeit der SPD von damals bis heute. Arbeit von der man leben kann. Gute Bildung, gute Arbeit, gutes Wohnen, Zukunftsfähigkeit der Partei. Burauen habe Köln zu einer Großstadt entwickelt, nes Ziegler das Dom-Rheinprojekt und damit die Zukunftsfähigkeit angestoßen, Herterich die kommunale Neuordnung vorangetrieben und Klaus Heugel die Medienstadt Köln initiiert, für die er ausgelacht worden sei und Norbert Burger Köln für alle und damit die ganze Stadt im Blick behalten. Die SPD habe in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts Fehler gemacht, sei selbstgerecht und überheblich gewesen. Gesühnt habe die SPD und deren Verantwortliche, ist sich Ott sicher.

Heute habe man das Vertrauen der Menschen für die Partei wiedergewonnen. Ott kritisierte Medienberichte, die aussagen, dass Politik ein schmutziges Geschäft sei, nur dazu da Freunde zu versorgen, Seilschaften zu pflegen, bestimmt sei durch egoistische Karrieristen und inkompetente Parteileute. Heute habe man knapp 6.000 Parteimitglieder, die Farbe bekennen, dicke Bretter bohren und mit Wahlprogrammen die Geschichte der Stadt schrieben und die Grundlage der Demokratie legten. Welche Wertschätzung haben diese Menschen verdient, fragte Ott, die sich ehrenamtlich in Funktion und Mandat engagierten? Heute sähen es Menschen als ehrenvoller an, Präsident eines Sport- oder Karnevalsvereins zu sein, als Vorsitzender einer Partei.

Ott sprach von einem regelrechten Hass auf Parlamente, Parteien und Abgeordnete, die Grundlage des demokratischen Systems seien und für Wohlstand, Frieden und Freiheit stünden. „Wir verbrauchen unser System und die Legitimation unseres Systems“, rief Ott den Festgästen zu. Es gehe um Rollen in der Demokratie und nicht um Personen. Man müsse wieder lobend über die sprechen, die sich hier einbrächten, so der Kölner Parteichef in Richtung der Medien. Bürger sollten die Parteien und Politiker fordern. Und man müsse auch innerhalb der Parteien besser werden, schloss Ott. Die SPD trug sich ins Goldene Buch der Stadt ein.

Der Kölner CDU Vorsitzende Pettelkau nannte die SPD eine wichtige Partei für die Demokratie in Deutschland. Man habe, die CDU als Nachfolger des Zentrums, immer schon auf Bundes- oder Ratsebene bei wichtigen Entscheidungen zusammengearbeitet. Das die SPD trotz Verfolgung die Fahnen über so einen langen Zeitraum hoch gehalten habe, verdiene unseren Respekt. Auch Jörg Detjen, der Fraktionsvorsitzende der Linken zollte der SPD Respekt, auch für den gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus. Man habe gemeinsam Dinge bewegt, aber auch gemeinsam Fehler gemacht, so Detjen.

Autor: Andi Goral
Foto: Mit einem Lied begann man den Festakt