Köln | Es gibt Mythen, die halten sich hartnäckig und werden einfach weitergetragen. Vor allem der Autobahn-Mythos, der häufig mit dem verräterischen Nebensatz „es war nicht alles schlecht“ vorgetragen wird und nichts anderes ist als der Propaganda der Nationalsozialisten auf den Leim zu gehen. Das hat auch was mit Köln zu tun. Aber lassen Sie uns die Fake-News stoppen: Nein es waren nicht die Nationalsozialisten, die die deutschen Autobahnen erfanden und damit ein Arbeitsmarktwunder in den 1930er Jahren erschufen. Lesen Sie bei report-K, wie die Geschichte stimmt und warum in diesem Monat 100 Jahre Autobahn gefeiert werden kann.
Im Jahr 1920, das ist einige Jahrzehnte nachdem Nikolaus August Otto den Ottomotoer in Köln Mülheim erfunden hatte, kamen rechnerisch 0,5 Personenkraftwagen in Deutschland auf 1.000 Einwohner:innen. Im Jahr 2022 waren in Köln auf 1.000 Einwohner:innen 445 Pkw zugelassen. Diese Zahlen sind wichtig zum Verständnis und zur Einordnung. Für so wenige Fahrzeuge brauchte es keine Autobahnen.
1921 wurde in der damaligen Hauptstadt der Weimarer Republik die „Avus“ eröffnet. Sie gilt als erste kreuzungsfreie Strecke der Welt, die aber nicht der Staat baute, sondern private Investoren. Sie diente als Renn- und Teststrecke.
Erste Autobahn Europas in Italien
Am 21. September 1924 wurde in Italien die „Autostrada dei Laghi“, die heutige A8 eröffnet. Sie gilt als erste Autobahn oder Kraftfahrstraße und erste reine Autostraße Europas. Warum Kraftfahrstraße? Weil es noch keine getrennten Richtungsfahrbahnen gab. Das war also vor 100 Jahren. Am 21. September 1924 war Adolf Hitler im Gefängnis in Landsberg am Lech inhaftiert und scheidet damit als Erfinder der Autostrada aus. Er verbüßte eine Haftstrafe nach dem gescheiterten Putschversuch vom 8. und 9. November 1923, die ihm das Volksgericht München am 1. April 1924 wegen Hochverrats auferlegte. Das Gericht verurteilte ihn zu fünf Jahren Festungshaft. Auf Bewährung wurde Hitler am 20. Dezember 1924 entlassen.
Die Kraftfahrstraße zwischen Köln und Bonn
Acht Jahre später wurde die älteste deutsche Autobahn eröffnet. Es ist die heutige A 555 von Köln nach Bonn. Der Bau begann im Oktober 1928. Die Autobahn wurde am 6. August 1932 durch den damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer eröffnet, der damals sagte: „So werden die Straßen der Zukunft aussehen“. Der Bau der Autobahn war damals aber nicht dem Zuwachs an Pkw geschuldet, damals rollten in ganz Deutschland 279.000 Pkw, sondern war in erster Linie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit der Adenauer mit Mitteln der Reichsregierung für Kölner Arbeiter eine Anschlussbeschäftigung fand. Denn es waren viele Arbeiter nach Abschluss der Arbeiten an den Grüngürteln wieder arbeitslos.
Die Propaganda der Nationalsozialisten
Die Nationalsozialisten stufen die Kraftfahrstraße zwischen Köln und Bonn zur Landstraße herab. Das war für die Nationalsozialisten und ihre Propaganda wichtig. Denn sie behaupteten und trichterten den Deutschen ein, dass Autobahnen „einmalig in der Welt“ seien und der „Beton gewordene Wille eines Mannes“. Die Fake-News basierte auf reiner Propaganda. Im September 1933 wird Adolf Hitler dabei fotografiert wie er den ersten Spatenstich für das von den Nationalsozialisten als „Reichsautobahn“ deklarierte Schnellstraßennetz beginnt. Das war bei Frankfurt am Main und sorgsam medial inszeniert. Denn die Deutschen sollten dies in Erinnerung behalten. Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute hinein wird gerne dieser Satz gesprochen: „Hitler war schlecht, aber immerhin hat er doch die Autobahnen gebaut“. Das ist reine Nazi-Propaganda. Es handelt sich sogar um eine Geschichtsfälschung. Denn Unterlagen aus dem Bundesarchiv belegen, dass der damalige Generalinspekteur für das Deutsche Straßenwesen, Fritz Todt, die geistige Urheberschaft des Begriffs „Autobahn“ auf das Jahr 1923 zurückdatieren und Hitler zuschreiben lässt als „Die Straßen Adolf Hitlers“.
Keine erfolgreiche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
Selbst als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme funktionierte der Autobahnbau angesichts von 6 Millionen Arbeitslosen nicht. In der Hochphase 1936 arbeiteten, rekrutiert über den Reichsarbeitsdienst nur rund 120.000 Menschen beim Autobahnbau. Dazu kamen rund 250.000 Menschen die in der Zulieferung beschäftigt wurden. Anders als die Propagandamaschine der Nationalsozialisten verkündete gab es keinen arbeitspolitischen Effekt, denn der Autobahnbau wurde durch die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung bezahlt. Die Nationalsozialisten hatten 6.900 Kilometer geplant und bis 1945 lediglich 3.800 Kilometer gebaut. Während des Zweiten Weltkriegs wurden zudem viele Zwangsarbeiter eingesetzt.
Der Boom beim Autobahnbau fand in den Wirtschaftswunderzeiten statt. Heute ist der Bau neuer Autobahnen kräftig umstritten. So auch bei Köln der achtspurige Ausbau der Autobahn A4 gegen den sich Widerstand formiert.