Das Foto zeigt die mit den sogenannten "Kojen-Räumen" ausgestattete Messehalle 3 der Kölnmesse für Geflüchtete aus der Ukraine. | Foto: Bopp

Köln | In ihrem Jahresbericht 2022 spricht die Ombudstelle für Flüchtlinge in Köln von 186 Beschwerdefällen. Dieser Jahresbericht wurde dem Rat der Stadt Köln heute im Ausschuss Soziales und Seniorinnen und Senioren vorgelegt.

Gegenüber dem Vorjahr 2021 stieg die Zahl neu aufgenommener Beschwerdefälle um 38 Prozent auf 174 und damit auf den höchsten Jahreswert seit Einrichtung der Ombudsstelle. Allerdings ist diese Zunahme in Bezug zu setzen auf die starke Zunahme der Flüchtlingszahlen, denn die Unterbringung im System des Amtes für Wohnungswesen stieg im Jahr 2022 um 88 Prozent. Waren zum 31. Dezember 2021 noch 5.764 Geflüchtete in Köln untergebracht, so zählte die Stadt am Stichtag 31. Dezember 2022 bereits 10.839 Geflüchtete. Allerdings gelang es der Ombudsstelle mehr Verfahren abzuschließen.

Viele Verbesserungsvorschläge der Ombudsstelle

Die Ombudsstelle empfiehlt dem Rat der Stadt Köln unter anderem dem Aufbau kommunaler Unterbringungskapazitäten weiterhin eine hohe Priorität einzuräumen und in allen Einrichtungen etwa Schutzräume einzurichten. Wachdienste sollten beauftragt werden die Gewalt unter Minderjährigen eindeutig zu erfassen und das Vorgehen bei Gewaltvorwürfen gegen Wachdienstmitarbeitende zu verbessern. Die Liste mit Empfehlungen der Ombudsstelle für Flüchtlinge in Köln umfasst mehr als 20 Punkte.

Anstieg bei sexueller Belästigung

Die 186 Beschwerden richteten sich, so die Ombudsstelle, auf vielfältige Umstände der Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten in Köln. Der Rat hatte vier Kategorien festgelegt von möglichen Beschwerden. Jetzt stellt die Ombudsstelle fest, dass sie in 96 Prozent der Fälle zu einer anderen Kategorisierung kommt. 14 Prozent konnten der Kategorie Gewalt, 11 Prozent Diskriminierung, 5 Prozent sexueller Übergriff und 4 Prozent der Kategorie Verstoß gegen die Menschenwürde zugeordnet werden. Die Ombudsstelle stellt fest, dass die Zahl der Beschwerden über sexuelle Belästigungen deutlich gegenüber dem Vorjahr anstieg.

Gewalt

In den Unterbringungseinrichtungen komme es bei Gewaltdelikten unter den Bewohner:innen teilweise zu gravierenden Körperverletzungen und eine Massenschlägerei sei 2022 dokumentiert. Bei Einschüchterungen sieht es die Ombudsstelle als besorgniserregend an, dass es nicht gelungen sei Bewohner:innen eines Wohnheims dazu zu bewegen Strafanträge zu stellen. Gewalt gegen Minderjährige sei vor allem ein Thema unter Kindern. Hier wertet die Ombudsstelle es als problematisch, dass der Wachdienst bei Streitigkeiten unter Kindern nicht eingreife und diese dadurch nicht dokumentiere. Diese würden erst dokumentiert, wenn es zu Verletzungen komme. Eine eingeschränkte Dokumentation von Gewalt unter Minderjährigen weiche von den Vorgaben des Kinderschutzes und des Gewaltschutzes ab. Zur Gewalt von Wachdiensten oder Polizei gegenüber Geflüchteten dokumentiert die Ombudsstelle vier Fälle. Allerdings gebe es keine dokumentierten Fälle in denen Mitarbeitende von Wachdienst oder Polizei Geflüchtete diskriminiert hätten.

Sexuelle Übergriffe

Kritisch sieht die Ombudsstelle die lange Zeitdauer die verging, bis städtische Stellen bei einem Fall von sexuellen Übergriffen durch einen Jugendlichen auf Kinder handelten. Zwei Wochen seien vergangen, bis die Ämter handelten. Die Übergriffe fanden in einer Notaufnahmeeinrichtung mit Kojen-Unterbringung statt. Junge Frauen aus der Ukraine meldeten sexuelle Belästigungen etwa durch Hinterherpfeifen und Gesten. Allerdings gelang es nicht die Belästiger zu identifzieren. In einem Fall von möglichem sexuellen Übergriff auf eine Jugendliche im Sanitärbereich schaltete die Ombudsstelle zuständige Stellen ein, die entsprechende Maßnahmen vorschlugen, die aber von der Jugendlichen selbst abgelehnt wurden.

Verletzung der Menschenwürde

Hier sieht die Ombudsstelle es als kritisch an, dass Geflüchtete unter prekären Wohnverhältnissen untergebracht werden und nennt dabei auch Beispiele, wie etwa eine Familie mit einer jugendlichen Tochter, die in einem Zimmer leben mussten oder eine siebenköpfige Familie in einem Containerraum ohne Rückzugsmöglichkeit.

Umfangreich dokumentiert die Ombudsstelle die Schwierigkeiten bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und deren Situation und die Inklusionshindernisse, die geflüchtete Menschen mit Behinderung ausgesetzt sind. Anforderungen an die Wohnsituation von Personen mit psychischen Störungen wurden nach Feststellung der Ombudsstelle teilweise nicht erfüllt. 

Sammelunterkünfte

Die Geflüchteten beklagten fehlende Privatsphäre, räumliche Enge oder Lärm. Zudem komme es immer wieder zu Konflikten mit der Sozialbetreuung und dem Sozialen Dienst. Die Geflüchteten fordern etwa bessere Information über ihre Rechte und Pflichten. Die Ombudsstelle spricht von teilweise eskalierenden Konflikten. Dabei nahmen die dokumentierten Fälle im dritten und vierten Quartal 2022 zu. Vor allem ukrainische Geflüchtete in Leichtbauhalleneinrichtungen mit Kojenunterbringung beschwerten sich über Alkoholkonsum, Lärm/Ruhestörung, Verschmutzung, Eigentumsdelikte, Gewalt und sexuell übergriffiges Verhalten. Die Ombudsstelle empfiehlt Lösungen, wie eine bessere Identifizierung schutzbedürftiger Personen, eine Optimierung der Privatsphäre und Rückzugsräumen oder eine bessere personelle Ausstattung bei der Sozialbetreuung.

Die Belegungsverdichtung, die das Amt für Wohnungswesen vornahm, um den gestiegenen Bedarf zu decken, was zu den Problemlagen führte, die auch in der Ombudsstelle für Geflüchtete thematisiert wurde. Die Ombudsstelle erstellte eine lange Liste mit Empfehlungen für Stadtverwaltung und Politik, wie die Situation Geflüchteter in Köln verbessert werden kann, die von Unterbringungskapazitäten bis zum Gewalt- und Kinderschutz oder dem Internetzugang reicht. Die Politik wird jetzt in die Beratung eintreten und die Stadtverwaltung hat in die Mitteilung bereits Erkenntnisse und Empfehlungen übernommen. Nach dem Sozialausschuss wird sich der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen, der Integrationsrat und im August nach der Sommerpause der Gesundheitsausschuss mit dem Thema befassen.

ag