Köln | „Jede jeck ist anders“, garantiert das Kölner Grundgesetz. Kein Wunder, dass sich in der Historie der Domstadt jede Menge merkwürdiger Typen einschreiben konnte. Ihnen hat jetzt Historikerin und Kölsche-Sprach-Expertin ein kleines Denkmal gesetzt: „Schräge Typen der Kölner Stadtgeschichte“ heißt ihr Buch, das im Marzellen-Verlag erschienen ist.

20 Persönlichkeiten stellt Malchert vor, deckt ein breites Spektrum aus Geschichte und Gesellschaft ab: Kirche, Kultur, Kommerz, und Karneval, Sport ebenso wie Politik und Verbrechen. Nur wenige Seiten lang sind die Porträts, salopp, manchmal fast schnoddrig und wohltuend respektlos formuliert, oft mit Anekdoten geschmückt – das ist dann etwa im Fall vom Zoten reißenden Büttenredner Horst Muys, von Meister-Boxer Peter Müller oder Unterwelt-König Heinrich Schäfer alias „Schäfers Nas“ höchst amüsant zu lesen.

Wenn die „persönliche“ Quellenlage fehlt, erschöpfen sich die Texte – etwa im Fall von Jan van Werth oder Johann Adam Schall von Bell – dann mehr im Aufzählen von Lebensstationen, was doch etwas trocken herüber kommt.

Von Agrippina bis „Hänneschen“-Gründer Johann Christoph Winters

Es beginnt mit A wie Agrippina und endet mit W wie Johann Christoph Winters. Bekannt die Erste als Kölns „Stadtgründerin“, eher unbekannt der Letzte als Gründer des Hänneschen-Theaters. Ein Positivum des Buches ist es, solche Namen aus dem Dunkeln zu holen. Auch wenn Edelweißpirat Jean Löring als Erfinder des akrobatischen Mariechen-Tanzes im Karneval aufgeführt wird, ist das für viele sicher mehr als nur „interessant“.

Was auffällt – oder Vorurteile bestätigt: Die „schrägen“ Typen sind vor allem männlich. Neben Agrippina finden sich nur noch Sibylle Mertens-Schaafhausen (eine Kunstmäzenin, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem in Rom in ihren Salon einlud), und die vor allem aus Sagen beziehungsweise Legenden bekannten Richmodis von Aducht und die heilige Ursula, immerhin Kölns Stadtheilige – sie war fromm, schrägt ist eher der Handel mit ihren Knochen und denen ihrer 11.000 Begleiterinnen. Es fällt schwer, auf Anhieb außer Trude Herr weitere Frauen zu finden. Vielleicht noch die Theologin und Dichterin Dorothee Sölle? Aber war sie schräg?

Da hätte das durchweg lesenswerte Buch einen passenderen Titel verdient. Die Aufmerksamkeit heischenden „schrägen Typen“ wecken falsche Erwartungen. Denn nicht alles, was seltsam, schrullig, ungewöhnlich, vielleicht auch ärgerlich ist, ist auch schräg. Schokoladenfabrikant Ludwig Stollwerck, der ein Näschen für das Geschäft der Zukunft hatte, oder der Kaufmann Cornelius Stüssgen, der die abgepackte Ware erfand, passen nicht in geltende Normen. Sie waren innovativ – aber nicht schräg. Dass Stüssgen auf Rollschuhen durch seine Lager gefahren sein soll, kann’s ja wohl allein nicht gewesen sein.

Monika Salchert: Schräge Typen der Kölner Stadtgeschichte – marzellen verlag, Köln 2018. Gebunden, 136 Seiten. 12,95 Euro

Autor: ehu