Köln | Wer Elektriker, Sanitär-Monteur, Dachdecker, Bäcker oder Frisör werden will, der hat noch eine große Auswahl an freien Ausbildungsstellen im Kammerbezirk der Kölner Handwerkskammer (HWK). Und dies gilt nicht nur für junge Männer, sondern auch für junge Frauen. 499 freie Stellen listet die Ausbildungsbörse der Kammer. Nur wer Büchsenmacher werden will findet derzeit nichts. Die HWK Köln kritisiert die Landesregierung für die Werbung für Berufskollegs und Kopfprämie für Absolventen an Universitäten.

Glänzende Aussichten für junge Menschen im Handwerk

Aktuell seien bei der HWK 2.071 unterschriebene Ausbildungsverträge eingegangen, so die Zahl heute, die aber durch die Auswirkungen des Poststreiks wahrscheinlich nicht zu 100 Prozent den richtigen Stand darstellt. Die Ausbildungsbörse ist noch gut gefüllt und die Unternehmen bieten im Kammerbezirk noch viele Ausbildungsstellen. Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der HWK Köln, spricht von glänzenden Karriere- und Berufsaussichten für junge Menschen im Handwerk, denn Fachkräfte werden gesucht, auch durch das voraussichtliche Umsatzwachstum von zwei Prozent in diesem Jahr. Auch für Abiturienten gibt es mit dem Trialen Studium für leistungsbereite junge Menschen eine spannende Karriereoption. In nur wenigen Jahren werden neben der Gesellenprüfung, auch der Meister, der Betriebswirt und der Bachelor Handwerksmanagement erworben. Und danach warten vielfältige Führungsaufgaben auf den Nachwuchs, denn nicht wenige Betriebsinhaber suchen Nachfolger. Und Handwerksmeister sind so gut wie nie arbeitslos.

Das Handwerk bildet in mehr als 130 Berufen aus. Auch um Menschen mit Migrationshintergrund wird intensiv geworben. Am 8. September 2015 findet von 13 bis 16 Uhr in der Tages- und Abendschule (TAS) Mülheim, Genovevastraße 72 die mehrsprachige Ausbildungsbörse statt.

Die Rolle der Berufskollegs hinterfragen

Besonders kritisch sieht man bei der HWK Köln die Rolle der Berufskollegs. In Köln wechseln 43,7 Prozent der Absolventen mit mittlerer Reife direkt in ein Berufskolleg und rund 33 Prozent streben eine weitere Ausbildung am Gymnasium oder einer Gesamtschule an. Nur noch 23 Prozent suchen sich einen Ausbildungsplatz. Dies läge an der offensiven Werbung der Berufskollegs. Die Landesregierung NRW ganz besonders das Schulministerium von Silvia Löhrmann, reduziere nicht die Werbung an den Realschulen für die Berufskollegs und ziehe damit der Wirtschaft zukünftige Lehrlinge ab. Zudem müssen sich die Schüler schon zu Jahresbeginn für die Berufskollegs entscheiden und bewerben sich gar nicht bei den Betrieben. Dies sei eine Fehlentwicklung, so die Kölner Kammer und führe die jungen Menschen häufig auf einen Umweg. Denn viele Absolventen der Berufskollegs, wie etwa die Handelsschüler fänden anschließend keine Anstellung und begönnen nach der Berufskolleg-Schleife erst dann wieder eine Ausbildung. Mit der Kritik stehe man nicht alleine, so hätte man in Arbeitsminister Guntram Schneider, einen Verbündeten.

Kopfprämie für Hochschulabsolventen ist eine Fehlsteurung

Kritisch sieht man auch die Kopfprämie von NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze, die sie Universitäten und Fachhochschulen für jeden Absolventen zahlen will. So bekämen die Universitäten und FH´s schon zu Beginn des Studiums für jeden Studenten 18.000 Euro, eine Beteiligung des Staates, den dieser bei der dualen Ausbildung nicht leiste und jetzt noch zusätzlich Geld. Anstatt jungen Menschen auch die Perspektive im Handwerk aufzuzeigen, werden jetzt, so die Befürchtung der Kammer, diese auch mit Studienwechseln durch die Hochschule geschleift, damit man am Ende die Prämie kassieren könne. Zudem werde der Fachkräftemangel nicht im Bereich der Hochschulabsolventen erwartet sondern bei der beruflichen Ausbildung. Die HWK spricht von einer Überakademisierung. Weltrich: „Die Arbeitslosenquote unter Handwerksmeisterinnen und Handwerksmeistern ist schon heute mit 2,0 Prozent niedriger als die bei Hochschulabsolventen mit 2,5 Prozent. Die Schere wird in Zukunft weiter auseinandergehen. Vor diesem Hintergrund können wir nicht akzeptieren, dass im NRW-Wissenschaftsministerium die allseits anerkannte Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung mit Füßen getreten wird. Schon beim Studienabbruch wird der Studienfachwechsel bessergestellt, als der Übergang in die berufliche Bildung.“

Autor: Andi Goral