Das Archivbild zeigt Feiernde auf der Zülpicher Straße am Elften im Elften 2022. | Foto: Bopp

Köln | Das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt wollen „Karneval dezentral und entspannt feiern!“, so ihr Dringlichkeitsantrag in der heutigen letzten Ratssitzung in diesem Jahr. Sie nennen dies „Sessionshöhepunkt 2023“.

Der Auftrag des Ratsbündnisses: Die Stadtverwaltung soll für den Kölner Straßenkarneval der in 70 Tagen – mit weihnachtlicher Unterbrechung – beginnt „neue kreative Ideen entwickeln, die die Situation in den Feierhotspots entschärft“. Kenner des Kölner Karnevals, die den historischen Kontext kennen, werden sich erstaunt die Augen reiben: Seit dem Elften im Elften 2017 ist der Kölner Stadtverwaltung, der Kölner Politik, dem das Fest ordnenden Komitee die Lage und Situation bekannt und seither wird diskutiert, debattiert und um Ideen gerungen. Jetzt soll also in 70 Tagen eine Lösung kreiert werden?

Das will das Ratsbündnis

Die Stadtverwaltung muss bereits an 2023 liefern. Es sollen Angebote umgesetzt werden, die den zusätzlichen Besucherandrang besser verteilen und kanalisieren. Die Politik bleibt auf der Meta-Ebene und spricht davon, dass geprüft werden solle, ob es Angebote im Rechtsrheinischen, auf Teilabschnitten der Ringe oder im nördlichen Teil der Innenstadt alternative Angebote entstehen können. Die Kölner Kommunalpolitik will für die Zielgruppe der unter 30-Jährigen attraktive Angebote. Sie folgt dem Vorschlag von Stadtdirektorin Andrea Blome und ihrem Team, die klar machten, dass es um Angebote unter der Maxime „umsonst und draußen“ gehe. Das Ratsbündnis spricht von attraktiven Angeboten unter freiem Himmel bei erschwinglichen Preisen.

Die Politik fordert die Einbindung der Akteure des Runden Tisches Karneval und des Festkomitee Kölner Karneval. Vor allem letztere Institution hat sich zumindest in der Veranstaltung von Veranstaltungen für die Jugend nicht mit Ruhm bekleckert, sondern im Gegenteil waren deren Veranstaltungen eher schlecht besucht. Um das einzuordnen: Das Festkomitee Kölner Karneval ist extrem professionell in der Ausrichtung von Veranstaltungen im High-End-Segment, genannt sei die Prinzenproklamation und in der Vertretung der Interessen der ihm angeschlossenen Karnevalsgesellschaften oder deren Organisation im Rosenmontagszug und damit auch äußerst erfolgreich. Aber eben nicht bei den Jungen. Das scheint auch bei der Kölner Politik zumindest angekommen sein und die fordert die Einbindung von Fachschaften der Universitäten oder Schülervertretungen der Kölner Oberstufen. Auch hier sei die Frage gestellt: Feiern denn da vor allem Studierende aus Köln und den Kölner Oberstufen?

Der Müll ist im Fokus des Ratsbündnisses

Das Ratsbündnis fordert die Stadtverwaltung auf ein Glasverbot für die gesamte Kölner Innenstadt zu prüfen. Der Müll soll besser verwaltet werden: Die Ideen reichen von Aufstellen und regelmäßigem Leeren von großen Abfallbehältern bis zur Ausschilderung von Müll- und Sammelplätzen. Hier stellt sich die Frage, ob Jecke nach wie viel Kölsch auch immer, ähnlich wie es Kölner:innen mit ihrem Sperrmüll machen, bewusst und rational Müllsammelstellen voll korrekt ansteuern? Eine Frage, die sich die Politik einmal selbst stellen sollte.

Kampagne und digitale Lenkung

Eine Kampagne soll es richten. Das versuchen Stadt und Festkomitee seit 2017. Der Erfolg mäßig. Jetzt soll die Stadtverwaltung in 70 Tagen eine digitale Landkarte programmieren, die alle Angebote und deren Auslastung zeigt. Damit soll die Stadtverwaltung die Besucherströme lenken und leiten. Leicht ketzerisch gefragt: Was war noch einmal die Faszination des Kölner Straßenkarnevals? Es ist das um die Häuser ziehen, sich treiben lassen, mit anderen oder mit neuen anderen und eben nicht zu wissen wo und wie es endet. Da hilft sicher eine App die lenkt und leitet.

Die KVB soll rollen

Eine Einschränkung des Stadtbahnverkehrs soll es in Köln nicht mehr geben. Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) sollen ihren Stadtbahnbetrieb gewährleisten. Die Politik gibt der Stadtverwaltung auf Einschränkungen wie am Elften im Elften unbedingt zu vermeiden.

Richter: „Wir lehnen es ab, dass für zwei Karnevalstage im Jahr unsere schützenswerten Grünflächen nachhaltig geschädigt werden.“

Manfred Richter, ordnungspolitischer Sprecher der Grünen im Kölner Rat, und damit der stärksten Fraktion begründet den Dringlichkeitsantrag so: „Wir müssen neue Angebote ermöglichen, damit sich die zehntausenden Feiernden an Karneval besser in der Stadt verteilen. Hierfür sollten wir versiegelte Flächen finden. Einen umfassenden Schutz des Inneren Grüngürtels, der vom Ordnungsdezernat als Alternativfläche ins Spiel gebracht wurde, halten wir nicht für umsetzbar. Wir lehnen es ab, dass für zwei Karnevalstage im Jahr unsere schützenswerten Grünflächen nachhaltig geschädigt werden. Eine Ausweichfläche etwa auf den versiegelten Ringen wäre eine viel nachhaltigere Lösung, auch was die Müllentsorgung angeht. Was außerdem wichtig ist: Wenn einzelne KVB-Linien nicht mehr fahren, dann möglichst nur mit vorheriger Ankündigung und organisiertem Schienenersatzverkehr.“

Eine kurze Analyse

Immerhin fand das Ratsbündnis eine politische Partei, die diesen Antrag unterstützte: Die Linke. Der Beschluss im Kölner Rat lässt der Stadtverwaltung alle Optionen offen und bringt eigentlich wenig neue Ansätze. Die Grünen im Stadtrat nehmen einen Ansatz ihrer grünen Kollegen aus der Bezirksvertretung Innenstadt mit auf, indem sie die Feiern ins rechtsrheinische auf die versiegelten Flächen rund um die Kölnmesse verlagern wollen. Damit soll der Innere Grüngürtel geschützt werden, der von Feierei freigehalten werden soll. Das würde aber eine Verdrängung voraussetzen, die massiv nur dann gelingt, wenn das Kwartier Lateng abgeriegelt würde und nur noch Anwohner:innen und Gäste von Kneipen, die vorher Tickets erworben haben, Zugang hätten. Hier dürfte es der Stadt Köln vor dem Hintergrund des vaterstädtischen Festes den traditionellen Gedanken des Straßenkarnevals hochzuhalten schwer fallen die richtigen Argumente zu finden. Das diese Idee in der Kneipenszene Anklang findet ist verständlich. Die Stadt würde den Türsteher machen und die Kneipen könnten auch den Eintritt kommerzialisieren. Was war noch einmal Straßenkarneval? So mit dicker Trumm und am nächsten Morgen anhand von nicht eingelöster Kölsch-Gutscheine nachvollziehen, wo der vorherige Abend stattfand…

Die SPD und FDP dagegen wollen den Inneren Grüngürtel, geschützt durch Bodenplatten, nutzen. Hier stellt sich die Frage nach den Kosten und wer diese tragen sollte.  

Eine Rolle spielt auch die IG Gastro, die ein Festival im Inneren Grüngürtel wünscht. Das scheint aber in der Debatte keine Rolle zu spielen, da die IG Gastro beim Runden Tisch damit auf kein positives Echo stieß. Und die Ringe: Tja, da stehen ja schon die Tribünen für den Kölner Rosenmontagszug. Das Kölner Ordnungsamt mahnt dort keine massiven Feiern zu ermöglichen.

Und jetzt: Die Grünen wollen den Inneren Grüngürtel schützen, so sind Entscheidungen der Bezirksvertretung Innenstadt zu werten. Aber das Ratsbündnis unter Führung der Grünen findet selbst im Dringlichkeitsantrag – 70 Tage vor Weiberfastnacht – keinen klaren politischen Rahmen, der der Stadtverwaltung Vorgaben macht, dies klipp und klar umzusetzen. Manfred Richter bleibt bei einem Appell. Die Oberbürgermeisterin Henriette Reker bietet derzeit keinen Konzeptansatz und erinnert in ihrem Handeln dabei an die Debatten zum städtischen Engagement für Feiern rund um Silvester 2016 im öffentlichen Raum, als ihr damals Martin Börschel, SPD, verdeutlichte, dass ein Feierkonzept mehr sei, als nur Sperrbaken aufzubauen.

Jetzt soll der Hauptausschuss am 16. Januar zum nächsten Mal das Konzept besprechen. Das ist dann exakt einen Monat vor Weiberfastnacht. Denn der Straßenkarneval beginnt an Weiberfastnacht am 16. Februar 2023.

Am Ende bleibt die Frage: Hat die Stadt Köln im 23. Jahr des neuen Jahrtausends ein Konzept für den Straßenkarneval im 21. Jahrhundert?