Das Foto zeigt die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten auf dem Berliner Opernplatz am 10. Mai 1933. | Foto: IMAGO / ZUMA/Keystone

Köln | Am 17. Mai 1933 brannten vor der „Alten Universität“ in der Claudiusstraße 1 mitten in der Kölner Südstadt die Bücher. Heute ist in dem Gebäude die TH Köln beheimatet. Es diente den Nationalsozialisten allerdings als Gebäude für die Gauleitung. Am 17. Mai jährt sich die Kölner Bücherverbrennung zum neunzigsten Mal.

Die widerwärtige Kampagne der Nazis: „Wider den undeutschen Geist“

Um die Kölner Ereignisse einordnen zu können ist zunächst eine Betrachtung der Kampagne „Wider den undeutschen Geist“ der Nationalsozialisten, die am 10. Mai 1933 in vielen deutschen Universitätsstädten durch die Bücherverbrennung öffentlich wurde, nötig. Diese Kampagne der Nazis war wohlvorbereitet, organisiert und mitnichten ein Ausdruck eines vermeintlichen „Volkszorns“, den Rechte und Rechtsextreme so gerne für ihre Schandtaten ins Feld führen und das bis heute. Die Hauptverantwortung für die Bücherverbrennungen trug die nationalistisch gesinnte „Deutsche Studentenschaft“ – gegründet bereits in der Weimarer Republik – und deren Führer Gerhard Krüger, der sich mit dieser Aktion vom „Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund“ abgrenzen wollte.

Die Aktion wurde bereits im April 1933 durch vier Rundschreiben der „Deutschen Studentenschaft“ vorbereitet und ab dem 12. April 1933 durch Plakataktionen unterstützt. 12 Thesen sollten veröffentlicht werden. Die Plakate trugen die Überschrift „Wider den undeutschen Geist“ und gaben der Kampagne den Titel. Die vierte der 12 Thesen lautete: „Unser gefährlichster Widersacher ist der Jude und der, der ihm hörig ist.“  Und der erste Satz der 5. These ist ungeheuerlich: „Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er.“ Die Vorbereitung, die Rundschreiben und die Thesen dokumentieren und belegen, dass es sich bei den Bücherverbrennungen nicht um eine spontane Aktion handelte, also um den so gerne von den Nazis reklamierten „Volkszorn“, sondern eine straff durchgeplante Organisation. Belegbar zudem durch die „Schwarzen Listen“, die ab dem 26. April 1933 übermittelt wurden und mit deren Hilfe Universitäts- und Institutsbibliotheken sowie Stadt- und Volksbüchereien durchsucht wurden. Die Originale dieser Listen liegen im Staatsarchiv Würzburg. Diese Listen waren unterteilt in Themengebiete:

• Schöne Literatur: 131 Schriftsteller
• Geschichte: 51 Autoren
• Kunst: 8 Werke
• Politik und Staatswissenschaften: 121 Autoren
• Literaturgeschichte: 9 Autoren
• Religion, Philosophie, Pädagogik: Diese Listen wurden erst nach dem 10. Mai 1933 verschickt, so dass diese Werke bei den ersten Verbrennungen nicht verbrannt wurden. Auffällig ist, dass vor allem auch die Literatur der Moderne den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge waren.

Die Berliner Bücherverbrennung

Die Nazis holten tausende Bücher aus öffentlichen und privaten Bibliotheken. Sie sammeln sie und verbrennen sie in der Öffentlichkeit. Die Bücher von rund 300 Autoren brannten in 34 Universitätsstädten. Nicht in allen, wie in Berlin, am 10. Mai, wie das Beispiel Köln zeigt. Allein am 10. Mai sollen 25.000 Bände „undeutscher“ Bücher von Nazis und Nazi-Studierenden ins Feuer geworfen worden sein. Die rechtsgerichteten Studenten läuteten damit eine Ära der staatlichen Zensur und Kontrolle der Kultur ein. Die Abende begannen meist mit einem Fackelzug der rechten Studierenden unter dem Motto „Wider den undeutschen Geist“. Bei den Verbrennungen sprachen hohe NS-Funktionäre, Professoren, Hochschulrektoren und Studentenführer.

Dort wo die Bücher brannten warfen die Studenten die Bücher, die sie zuvor plünderten, unter dem Rufen von Sprüchen ins Feuer – sogenannten „Feuersprüchen“ – und auch das war vorbereitet. Beispiele sind: „Ich übergebe die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Gläser, Erich Kästner den Flammen“ oder „Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkrieges, für Erziehung des Volkes im Geist der Wahrhaftigkeit! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Erich Maria Remarque.“ Erich Maria Remarque schrieb den Roman „Im Westen nichts Neues“. Der Antikriegs-Bestseller erhielt in der jüngsten Verfilmung von Edward Berger vier Oskars. Remarque lieferte 1929 den Antikriegsroman schlechthin ab, der die Geschichte von Schülern von der Schulbank direkt in die Schützengraben der Westfront des Ersten Weltkriegs erzählt.

„Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.“

Erich Maria Remarque: „Im Westen nichts Neues“

Auf dem Berliner Opernplatz

Allein in Berlin nahmen am 10. Mai 1933 rund 40.000 Menschen an der Bücherverbrennung auf dem Opernplatz teil. Dort sprach der NSDAP-Propagandist Joseph Goebbels zu den Studenten, dessen Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda als Initiator hinter den Bücherverbrennungen gilt. Dessen Rede war zutiefst antisemitisch und menschenverachtend. So behauptete Goebbels, dass sich die Bibliotheken mit dem „Schmutz jüdischer Asphaltliteratur“ gefüllt hätten. Einer der Autoren, dessen Bücher verbrannt wurden, war Erich Kästner. Er mischte sich unter den Nazi-Studentenmob am Berliner Opernplatz und wird später zur Rede von Goebbels sagen: „Ich stand vor der Universität eingekeilt zwischen Studenten in SA-Uniform, sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners. Begräbniswetter hing über der Stadt. (…) Es war widerlich.“

Heinrich Heine, dessen Werke ebenfalls von den Nationalsozialisten verboten wurden, schrieb bereits 1820 in seinem Werk „Almansor“: „Das war ein Vorspiel nur. Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ 1933 brannten die Bücher. Die düstere Prophezeiung Heines folgte nur wenige Jahre später. Es brannten die Bücher von Jack London, Theodore Dreiser, Helen Keller, Ernst Gläser, Thomas Mann, Ernest Hemingway, Bertolt Brecht, August Bebel oder Karl Marx. Die Bücher von mehr als 300 Autoren verbrannten.

Vor dem heutigen Hauptgebäude der TH Köln in der Kölner Südstadt, Claudiusstraße 1, befindet sich das Bodendenkmal, dass an die Kölner Bücherverbrennung am 17. Mai 1933 erinnert. | Foto: Bopp

In Köln brennen die Bücher am 17. Mai 1933

In Köln brannten die Bücher sieben Tage später. Die populäre, aber nicht richtige Erklärung für den zeitlichen Verzug ist, dass es in Köln am 10. Mai 1933 regnete. In der heutigen Einschätzung mehr Vorwand als korrekte Einordnung. In Bonn regnete es am 10. Mai 1933 ebenso aber dort fand die Bücherverbrennung statt. 

Wer trieb in Köln die Bücherverbrennung voran und warum fand diese erst sieben Tage später statt? Peter Lindhorst geht in seiner Studienarbeit „Bücherverbrennung in Köln 1933“ unter anderem dieser Frage nach. Da ist zunächst die Haltung der Universität zu Köln zur Machtergreifung durch die Nazis einzuordnen. Lindhorst zitiert aus einem Senatsprotokoll vom 22. Februar 1933, das den Lehrenden empfiehlt mit Äußerungen über die Regierung in Vorlesungen vorsichtig zu sein. Lindhorst bewertet dies als Anbiederung an den Nationalsozialismus und am 8. März 1933 wehte die Hakenkreuzfahne über der Kölner Uni.

Die Kölner Kommunalpolitik nahm Einfluss auf die Kölner Universität, allen voran der neue Kölner Oberbürgermeister und Nationalsozialist Dr. Günter Riesen, der dem abgesetzten Konrad Adenauer nach der Machtergreifung im Kölner Rathaus nachfolgte. Obwohl der damalige Rektor Godehard Ebers sich massiv anbiederte wurde durch Mithilfe Riesens der der NSDAP nahestehende Ernst Leupold Rektor der Kölner Universität. Bereits 10 Tage vor der ministeriellen Anordnung vollzog die Kölner Universität die Gleichschaltung. 29 Professoren und Dozenten, die nicht der nationalsozialistischen Vorstellung entsprachen, wurden entlassen, was 18 Prozent des Lehrkörpers entsprach.

Die verspätete Kölner Bücherverbrennung, so folgert Lindhorst, hänge mit der Hemmung einzelner Professoren gegen diese zusammen. Die Werke etwa von Thomas Mann wurden in Köln nicht verbrannt. Rektor Leupold versuchte die Vorbehalte einiger Professoren zu entkräften, indem er am 3. Mai 1933 sagte, dass es sich bei der „Verbrennung nur um einen symbolischen Akt“ handele. Mit der Studentenschaft handelte er aus, dass die Kölner Universitätsbibliothek verschont bleibt. Denn auch in Köln war die Studentenschaft die treibende Kraft. Die Frage ist wie stark die nationalsozialistisch geprägten Deutsche Studentenschaft und der Nationalsozialistische Studentenbund waren. Die Arbeit von Lindhorst differenziert zwar immer wieder zwischen den beiden rivalisierenden Studentenorganisationen aber ist an einigen Stellen nicht eindeutig in der Zuordnung, beziehungsweise inhaltlich nicht dicht. Er verweist zudem auf die stark katholisch und rheinisch geprägten Studierendenorganisationen in Köln. In Köln wurden die „12 Thesen gegen den undeutschen Geist“ bei der Verbrennung nicht verlesen, da Rektor Leupold dies mit dem Propagandaleiter des Nationalsozialistischen Studentenbundes Hans Wallraf vereinbart hatte. Dafür wurde in Köln ein Abdruck des Versailler Vertrages verbrannt. 

Der 10. Mai 1933 in Köln

Am 10 Mai wurden Flyer verteilt, die zur „Kundgebung wider den undeutschen Geist“ aufriefen und eine Rede des Rektors Leupold ankündigten. Auf diesen wurde unter anderem die Verbrennung jüdischer Literatur angekündigt. Obwohl zunächst der Senat der Universität zu Köln teilnehmen wollte, veranlasste Rektor Leupold noch am 10. Mai, dass die Senatsmitglieder sich nicht beteiligen würden. Die Studentenschaft setzte daraufhin die Veranstaltung ab. Als offizieller Grund wurde der strömende Regen angegeben, der den Ehrengästen nicht hätte zugemutet werden können. Warum Leupold und der Senat in letzter Minute die Reißleine zogen, ist unklar. Offen bleibt zudem warum es den Kölner Nazi-Studentenschaften so wichtig war, dass die Universitätsleitung mit von der Partie war? Eine Erklärung wäre, dass es mehrere Professoren waren, die Bedenken hegten.

Der 17. Mai 1933 war in Köln minutiös durchgeplant

Lindhorst berichtet in seiner wissenschaftlichen Arbeit, dass der 17. Mai exakt durchgeplant wurde, sogar mit einer Skizze. Ein Karree sollte um den Bücher-Scheiterhaufen vor dem Gebäude der Alten Universität gebildet werden und die Positionen von NSDAP-Parteimitgliedern, Persönlichkeiten aus der Kommunalpolitik, Rektor, Senat, Professoren und Studiendirektoren und -räten wurden exakt festgelegt. Gegenüber dem Kriegerdenkmal sollte die SA aufmarschieren und an den Seiten Rekruten Platz nehmen. In der zweiten Linie Chargierte der Korps, dahinter die Studierenden und die Zuschauer:innen.

Kölner Polizei unterstützte die Bücherverbrennung am 17. Mai 1933

Kein Ruhmesblatt für die Kölner Polizei in jener Zeit ist die Bücherverbrennung. Die Studentenschaft konnte sich auf deren Mithilfe verlassen. So beschlagnahmte die Kölner Kriminalpolizei in den Buchhandlungen und Leihbüchereien Kölns 334 Bücher und 1.200 periodisch erscheinenden Druckschriften und übergab sie den Studierenden, die diese dann am 17. Mai verbrannten.

Die Darstellung der Kölner Bücherverbrennung im „Westdeutschen Beobachter“

Der 1925 als NSDAP-Wochenzeitung gegründete „Westdeutsche Beobachter“ berichtete ausführlich auf einer ganzen Seite über die Kölner Bücherverbrennung und gab die gehaltenen Reden wörtlich wieder. Im Titel sprach die Zeitung von einem Bekenntnis der Kölner Studentenschaft zur nationalsozialistischen Revolution. Bei den Reden, die von den nationalsozialistischen Studentenorganisationen gehalten wurden, spricht Lindhorst dann nur noch von der „Deutschen Studentenschaft“ und nicht mehr von der mit dieser konkurrierenden Organisation dem „Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund“, obwohl er deren Propagandaleiter Wallraf nennt. Zudem soll es eine Abmachung zwischen den Studierenden und der Kölner Universitätsleitung gegeben haben auf antisemitischen Parolen bei der Bücherverbrennung zu verzichten. Auch Rektor Leupold der Kölner Universität sprach und endete mit den Worten: „Der Anfang ist gemacht und nun ans Werk!“. Frank Gloczewski, bescheinigt der damaligen Universitätsleitung unter Leupold in „Kölner Universitätslehrer und der Nationalsozialismus, Studien zur Geschichte der Universität zu Köln“, herausgegeben von der Senatskommission für die Geschichte der Universität zu Köln, dass der Rektor und die gesamte Universität, sich in den Ansprachen während der Bücherverbrennung dem demokratischen Staat verbunden gefühlt habe.

„Mitläufertum“ der Kölner Universität

Lindhorst sieht dies kritischer: „Eine Distanzierung vom Nationalsozialismus, wie sie Leupold vornahm, kommt keinem automatischen Bekenntnis zur Demokratie gleich.“ Eine weitere seiner Folgerungen ist, dass die „Deutsche Studentenschaft“ und der „Nationalsozialistischen Deutsche Studentenbund“ abhängig waren von der Teilnahme der Universitätsleitung. Er begründet dies mit der Verhinderung der „Schandpfähle“, die in Köln nicht aufgestellt wurden. Anders als an den Universitäten Königsberg, Rostock, Erlangen, Münster und Dresden. Dies waren zwei Meter hohe Pfähle, an denen die Namen von Professoren oder literarischer Werke angeschlagen wurden, die den Nazis nicht gefielen.  Auch die Verlegung der Bücherverbrennung um eine Woche sei ein Indiz für die gegenseitige Abhängigkeit. Die Universitätsleitung habe diese Abhängigkeit der Nazi-Studentenschaften aber nicht stärker genutzt und so vielleicht die Kölner Bücherverbrennung verhindern können, wirft Lindhorst der Kölner Universität vor und bescheinigt ihr „Mitläufertum“.

Vor dem Gebäude der TH Köln gibt es heute ein Bodendenkmal mit Namen von Autoren, deren Werke in Köln verbrannt wurden. In Köln wurden unter anderem die Bücher von Max Brod, Lion Feuchtwanger, Claire Goll, Maxim Gorki, Ernest Hemingway, Walter Mehring, Joachim Ringelnatz, Anna Seghers, Else Ury, Stefan Zweig, Heinrich Mann, Ludwig Cohn, Alfred Kerr und Erich Maria Remarque.

„Verachtung des Geistes“

Petra Schmidt-Bentum, schrieb im Jahr 2003 zum 70sten Gedenktag der Kölner Bücherverbrennung, in einer Pressemitteilung der TH Köln: „Die als ‚Wider den undeutschen Geist‘ bezeichnete Aktion war ein Verbrechen gegen den deutschen Geist, gegen die Freiheit des Wortes, gegen die Prinzipien der Aufklärung und Humanität, gegen eine liberale Entwicklung der Gesellschaft, gegen Demokratie und Parlamentarismus. Die Bücherverbrennungen dokumentierten die Verachtung des Geistes und der Autonomie der Kultur, die für den Nationalsozialismus charakteristisch ist.“