Köln | „Wallrafs Erbe – Ein Bürger rettet Köln“ heißt die neue Sonderausstellung im Museum, dessen Name an eben diesen Retter erinnert. Übertrieben? Alles andere als das – denn ohne Ferdinand Franz Wallraf wären alle Kölns Museen leerer, hätte die Erinnerung an die Stadtgeschichte große Lücken. Diese Ausstellung gibt darüber ein beeindruckendes Zeugnis.
So könnte es im Hause Wallraf ausgesehen haben.
Entstanden ist die Ausstellung aus einer Seminarreihe der Kölner Universität, deren Ergebnisse lassen sich im Internet abrufen (www.wallrafdigital.koeln). Dass sie gerade jetzt stattfindet, kommt nicht von ungefähr: Vor 200 Jahren – am 9. Mai 1818 – vermachte der Theologe, Stadtplaner und Universitätsrektor Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) der Stadt seine riesige Sammlung. Zu Lebzeiten war sie ein „Chaos“ – so jedenfalls notierte es Goethe nach einem Besuch in sein Tagebuch. Zur Zeit der Säkularisierung kirchlichen Besitzes durch die Franzosen hatte Wallraf Wichtigeres zu tun, als seine Sammlung zu ordnen – er musste kaufen und so die Kölner Geschichte vor Zerstörung oder Abtransport nach Frankreich retten. Bei der Übernahme des Erbes durch die Stadt wurde sie immerhin aufgelistet, wissenschaftlich aufgearbeitet ist sie immer noch nicht.
Rund 80.000 Objekte vererbte der Sammler seiner Heimatstadt
Und das stand schließlich – zusammengefasst – auf der Liste: 521 Manuskripte, 488 Urkunden, 1.055 alte und 13.428 zeitgenössische Bücher, 1.616 Gemälde, 3.875 Zeichnungen, 38 antike Marmorskulptuten, 104 antike Denkmäler, 323 geschnittene Steine, 9.923 Mineralien und Fossilien (darunter auch ein versteinertes Vogelnest), 38.254 Grafiken, 3.165 Holzschnitte, 1.297 antike Gegenstände, 5.598 Münzen sowie 96 Waffen und Rüstungen. Ein vielfältiges Gemisch aus religiösen und weltlichen Objekten.
16 Vitrinen empfangen den Besucher im Kellergeschoss des Museums: „Wallrafs Walhalla“ wird das Ensemble hausintern genannt. Und wie in dem Tempelnachbau nahe Regensburg sind hier einige Prunkstücke versammelt, die die Vielfalt der Sammlung zeigen – und welche Institutionen von dieser einmaligen Sammelwut bis heute profitieren. Natürlich das Wallraf-Richartz-Museum selber, dann das Museum für Angewandte Kunst, das Stadtmuseum, das Museum Schnütgen, das Römisch-Germanische Museum, das GeoMuseum der Universität.
Auch römische Ausgrabungsfunde wurden dank Wallraf für die Nachwelt bewahrt
Vom Keller führt der Besichtigungsparcour in die Dauerausstellung
Die Ausstellung ist thematisch nach Objekten gegliedert. Rund 240 Objekte werden in großzügiger Weise präsentiert: römische Öllämpchen, Altarbilder, Reliquiare, Schuhschnallen, Bronzefiguren, Möbel, ein versteinertes Vogelnest, Zeichnungen, Elfenbeinschnitzereien, einen historischen Auktionskatalog oder das „Systematische Verzeichnis der besten Schriften aus allen Wissenschaften für Studierende, junge Gelehrte und Dilettanten“ aus dem Jahr 1798. Der Parcour führt vom Keller in die 1. und 2. Etage zu prominenten Exponaten der Dauerausstellung wie Peter Paul Rubens’ „Stigmatisation des Heiligen Franziskus“ oder dem „Weltgerichtsaltar“ von Stefan Lochner. Ein kostenloses Heftchen erklärt alle Exponate, denn Legenden fehlen. Leider sind auch die zugeordneten Zahlen an den Objekten bisweilen nur schwer zu erkennen.
Auf dem Weg durch die Ausstellung wird auch die Biografie einer schillernden Persönlichkeit aufgeblättert. Er war gegen die Franzosen, als sie dann in Köln einrückten, schrieb er eine Lobeshymne auf Napoleon und übersetzte die Straßennamen in die Sprache der Besatzungsmacht. Von den Preußen erhoffte er sich die Wiedereröffnung der Universität, die Franzosen hatten sie geschlossen und ihn damit als deren Rektor abgesetzt. Der Liebe zu Preußen wenig förderlich war, dass diese dann 1818 in Bonn und nicht in Köln „ihre“ Universität gründeten.
Mit großzügigen Sammlern hat Köln bis heute Schjwierigkeiten
Für Köln aber war er Vorbild für zahlreiche andere Mäzene. Und der Umgang mit seinem Erbe ist – leider – bis heute irgendwie typisch für den Umgang Kölns mit seinen Kulturgütern. Ein Kapitel, das diese Ausstellung etwa durch einige aktuelle Museumsmodelle nicht verschweigt. So verkaufte die Stadt entgegen Wallrafs letztem Willen Teile der Sammlung. Über Standort und Baustil für sein Museum wurde lange diskutiert, Realität wurde es dann erst, als der Kaufmann Johann Heinrich Richartz das nötige Geld spendierte. So eine großzügige Gabe könnte das heutige Wallraf-Richartz-Museum gut gebrauchen, steht doch die Finanzierung der geplanten Erweiterung und damit der Erhalt der Corboud-Stiftung auf dem Spiel.
[infobox]„Wallrafs Erbe – Ein Bürger rettet Köln“ – bis 28. Juli 2018, Wallraf-Richartz-Museum, Obenmarspforte, Di-So 10-18 Uhr, jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat 10-22 Uhr (außer an Feiertagen), Eintritt 9/5,50 Euro, Katalog 22 Euro
[/infobox]
Autor: ehu
Foto: “Wallrafs Walhalla” empfängt die Besucher der Ausstellung.