Köln | aktualisiert | Jetzt jubeln sie sich selbst in warmen und unkonkreten Worten zu: Die Aktivisten des Bündnisses Klimawende Köln, das kommerzielle städtische Unternehmen Rheinenergie und bisher wenig grün sowie die Verwaltung der Stadt Köln selbst in einer Mitteilung an die Öffentlichkeit. Es wird so wenig konkret wie möglich ein Hinterzimmerkompromiss zur Dekarbonisierung des Kölner Energieversorgers Rheinenergie in blumige Worte gefasst.
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Redaktioneller Hinweis: Mittlerweile gibt es erste schriftliche Statements der Ratsfraktionen, die am Ende des Textes eingefügt, beziehungsweise ergänzt werden. Auch von Extinction Rebellion liegt ein Statement vor

Das ist das Ergebnis und das darf die Öffentlichkeit über den Kompromiss zur Dekarbonisierung der Rheinenergie wissen:

• Dekarbonisierung, also CO2-Neutralität der Strom- und Wärmeversorgung der Rheinenergie bis 2035 und dies in Köln und bundesweit.

• Die Dekarbonisierung werde mit konkreten Maßnahmen erfolgen, deren zeitliche Umsetzung abhängig von der energiewirtschaftlichen Entwicklung ist. Konkreter wird die öffentliche Erklärung der drei Partner nicht.

• Es soll ein jährliches Monitoring stattfinden. Wie, wann und mit wem dies personell besetzt ist, bleibt offen.

• Die Aktivisten der Klimawende Köln werden das Bürgerbegehren für das 30.000 Unterschriften gesammelt wurden, nicht in den Rat einbringen, so dass ein möglicher Bürgerentscheid zeitgleich mit der Bundestagswahl 2021 ausgeschlossen ist.

Das wollten Rheinenergie und Klimaaktivisten im Vorfeld der als geheim deklarierten Hinterzimmergespräche: Die Aktivisten von Klimawende wollten eine Dekarbonisierung der Stromversorgung der Rheinenergie bis 2030 und das Unternehmen wollte dies bis 2040 erreichen. Jetzt trafen sich die beiden in der Mitte bei 2035 und es soll die Wärmeversorgung mit einbezogen werden, was als großer Erfolg gefeiert wird.

Für die Stadt Köln und die Rheinenergie ist das ein Erfolg: Zum einen bleiben alle Optionen offen, wann was umgesetzt werden kann und vor allem verschreckt dieser Kompromiss nicht mögliche oder schon diskutierte Partner. Er verschafft der Rheinenergie Luft so lange wie möglich fossile Energien einzusetzen, ob im Steinkohlekraftwerk Rostock oder den eigenen Kraftwerken in Köln-Niehl und die Entwicklung der großtechnisch nutzbaren Wasserstofftechnologie abzuwarten, um dann über die in den letzten Jahren stark ausgebauten Fernwärmeversorgungen, weiterhin die starke Marktstellung in Köln nicht zu verlieren, die es in einem sich immer weiter diversifizierenden und geöffneten Energiemarkt sonst schwierig ist zu verteidigen. Die Stadt Köln kann dann weiter an den exorbitanten Profiten des Unternehmens Rheinenergie und dessen Einbindung in den ihr gehörenden Stadtwerkekonzern diese Profite für defizitäre Unternehmen wie die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) nutzen und erhält weiterhin zweistellige Millionensumme als Gewinn an den städtischen Haushalt ausgeschüttet.

Auch für die Parteien in Köln, allen voran die Kölner Grünen ist dieser Kompromiss exzellent. Ein Bürgerbegehren zur Bundestagswahl zum Thema Klima ist für die Ökopartei semioptimal, würden die Wähler*innen doch merken, dass in der Kölner Energiepolitik seit Jahren die Mühlen langsam und immer noch nicht schneller mahlen. Denn die Grünen in Köln bestimmen seit Jahren diese Politik mit und sind jetzt stärkste Kraft. Dieser Kompromiss wird von den Grünen als Erfolg gefeiert werden, da lässt schon das Statement der im Herzen grünen, aber parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker keinen Zweifel: „Ich freue mich sehr, dass dieser Kompromiss erzielt werden konnte und wir eine gemeinsame Basis haben, die es nun gilt, in die Tat umzusetzen.
Mit einer breiten Allianz für den Klimaschutz können wir unsere ambitionierten Ziele erreichen. Dies ist eine große Chance für Köln und ich hoffe, dass dabei ein starkes Bündnis aus Rat, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft entsteht.“

Im Jahr 2035 wird Bilanz gezogen werden müssen, was in den Hinterzimmern besprochen wurde und weiter besprochen werden soll und ob die Versprechen eingelöst werden. Das einzige Versprechen, dass in diesem Jahr noch sichtbar werden wird, ist ob sich das Bündnis Klimawende daran halten wird, die 30.000 Unterschriften nicht zur Bundestagswahl in den Rat einzubringen und damit ein Klimabürgerbegehren in Köln parallel zur Bundestagswahl stattfinden wird.

Alles andere ist offen. Dr. Dieter Steinkamp, RheinEnergie: „Wir werden den Umbau unserer sicheren Versorgungssysteme weiterhin konsequent angehen und immer wieder beschleunigen, sobald der energiewirtschaftliche Rahmen dies jeweils erlaubt.“ 2035 wird Köln sehen, wie viel der energiewirtschaftliche Rahmen zuließ.

Größter Verlierer ist übrigens die Öffentlichkeit und die Transparenz: Die kennt jetzt nur das große Ziel 2035, die konkreten Maßnahmen sind aktuell hinter den geschlossenen Hinterzimmertüren geblieben, so dass es keine öffentliche Kontrolle, Debatte und Diskussion geben kann. Denn diese Maßnahmen sind der Öffentlichkeit schlicht nicht bekannt. Niemand kann öffentlich kontrollieren, ob der von Steinkamp genannte „energiewirtschaftliche Rahmen“ – ein wenig aussagekräftiger und dehnbarer Begriff – diese nichtöffentlich festgelegten Maßnahmen zulässt, zulassen könnte oder nicht.

Selbst wenn in den nun vorgesehenen Ratsbeschlüssen, diese Maßnahmen konkretisiert und öffentlich gemacht werden sollten, woran allerdings nach der letzten Ratssitzung im Juni und der nicht stattgefundenen öffentlichen Diskussion der Parteien, Gruppen und Einzelmandatsträger im Rat über die Beteiligung der EON an der Rheinenergie – der ganze Vorgang wurde ausschließlich im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung behandelt – Zweifel aufkommen, bleibt intransparent, wie diese verhandelt wurden.

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Das sagt die Kölner Politik zur Einigung:

Kein Bürgerentscheid: FDP erleichtert über Wegfall einer Existenzbedrohung für die RheinEnergie
Der Geschäftsführer der Kölner FDP-Fraktion, Ulrich Breite in einem längeren schriftlichen Statement: „Wir freuen uns, dass eine faire Einigung mit der RheinEnergie gefunden werden konnte, die sowohl für den Energieversorger umsetzbar ist als auch hinsichtlich des Klimaschutzes rechtzeitig und wirksam ist. Das ist eine große Herausforderung für die Stadt und für die RheinEnergie bei der Erzeugung bezahlbarer Energie. Aber wir sind uns sicher, dass es mit Fortschritt und Forschung machbar ist, Köln bis 2035 klimaneutral mit Energie zu versorgen.

Die ersten, zu ambitionierten, Forderungen der „Klimawende“ sind zum Glück vom Tisch. Der Verzicht auf Erdgas bis 2030 hätte neben vielen anderen Problemen auch dazu führen können, dass die RheinEnergie alle ihre Gaskraftwerke hätte abschalten müssen. Dieses Szenario wäre für das Unternehmen wahrlich existenzbedrohend. Darüber hinaus müssen wir die RheinEnergie stärken, wenn wir wirksamen Klimaschutz in Köln betreiben möchten. Unseren Versorger dabei vor vollendete Tatsachen zu stellen, die etwa in Sachen Infrastruktur gar nicht umsetzbar sind, hätte niemandem geholfen. Daher ist nach Ansicht der Kölner FDP sehr zu begrüßen, dass dieser Kompromiss mit und nicht gegen die RheinEnergie ausgehandelt wurde. In Sachen Klimaschutz ist die Stadt Köln mit der Beantwortung der Frage nach der Energieversorgung einen großen Schritt weitergekommen. Davon profitieren alle Kölnerinnen und Kölner gleichermaßen.“

Christiane Martin, Fraktionschefin der Grünen im Kölner Rat, in einem schrfitlichen Statement: „Wir sind sehr froh, dass mit der Einigung zwischen Klimawende und Rheinenergie jetzt alle an einem Strang ziehen. 2035 ist ein ambitioniertes aber erreichbares Ziel für die Klimaneutralität der Rheinenergie. Dieses Zieljahr haben wir Grünen zusammen mit unseren Bündnispartnern im Rat für sämtliche städtisch-kontrollierten Unternehmen vorgegeben. Durch die Einigung bekennen sich nun auch die Rheinenergie und die Kölner Zivilgesellschaft zu diesem Zeitplan. So sieht ein gelungenes Mediationsergebnis aus. Nach der notwendigen Debatte um das Ziel können wir jetzt gemeinsam das Großprojekt Klimaneutralität anpacken.“

Die Linke im Kölner Stadtrat: „Klimawende Köln und RheinEnergie verständigen sich auf einen Kompromiss zu Lasten des Klimaschutzes“

Heiner Kockerbeck, Sprecher der Fraktion in einem schriftlichen Statement: „Für die Klimawende Köln wurden tatkräftig 30.000 Unterschriften gesammelt. Die Verständigung mit der RheinEnergie wird viele, die engagiert Unterschriften für die Einleitung eines Bürgerbegehrens sammelten, nicht zufrieden stellen. Es wird kein Ausstieg 2030 vereinbart. Konkrete Maßnahmen für das Ziel 2035 werden angekündigt, aber nicht für die Öffentlichkeit überprüfbar benannt. Und selbst die Erreichung dieses Ziels wird von günstigen Rahmenbedingungen abhängig gemacht. Fest steht nur, dass die Bürgerschaft nicht mehr direkt über die Energiewende abstimmen kann.

Sarah Nikmantavin, umweltpolitische Sprecherin der Linke Ratsfraktion: „Dass die RheinEnergie erst ab 2035 klimaneutral Strom und Wärme liefern soll, ist unambitioniert und torpediert das 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens. Gerade im Energiesektor ist ein Umstieg auf Erneuerbare Energie schneller möglich und notwendig. Jetzt feiern die neuen Partner*innen ihren Verhandlungserfolg. Wer bei diesen Verhandlungen hingegen verloren hat ist eindeutig: die Umwelt.“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende, Christian Joisten, in einem schriftlichen Statement: „Wir freuen uns, dass eine solche Lösung möglich geworden ist! Der noch dringlicher gewordene Klimaschutz muss insbesondere bei der Energiewende sozial ausgestaltet werden und für unsere städtischen Unternehmen gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig sein, um Arbeitsplätze nicht zu gefährden. All diesen Anforderungen wird die nun getroffene Vereinbarung gerecht. Viele Dank an alle Beteiligten, die dies möglich gemacht haben.“

Das sagt die Kölner Ortsgruppe von Extinction Rebellion zum Kompromiss: „Die gesammelten Unterschriften für ein Bürgerbegehren in der Hinterhand ermöglichten es der Klimawende Köln, die RheinEnergie dazu zu bewegen, ihre eigene Dekarbonisierung deutlich zu beschleunigen. Das ist ein klarer Erfolg der Klimagerechtigkeits-Bewegung. Ein global gerechter Weg zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C würde allerdings eine noch deutlich schnellere Energiewende benötigen, weswegen das Vermittlungs-Ergebnis zwischen Klimawende Köln und RheinEnergie aus der Sicht von Extinction Rebellion noch nicht ambitioniert genug ist. Extinction Rebellion fordert Klimaneutralität bereits 2025, zehn Jahre früher.“

Autor: red