„Die Reaktion des Publikums fehlt mir sehr“

Wie erleben Sie die Situation jetzt während des zweiten Lockdowns?

Bernd Stelter: Jetzt hätte ich Bergfest gehabt, die Hälfte einer Session mit vielen Auftritten wäre vorbei. Stattdessen hatte ich bislang online zwei bis drei Auftritte. Ich habe trotzdem meine Rede geschrieben, und inzwischen ist mein Karnevalskalender auf Facebook und Youtube online. Dort gibt es noch bis zum Rosenmontag täglich etwas Neues auf die Ohren und Lachmuskeln. Trotzdem kommt natürlich etwas Langeweile bei mir auf. Das gilt auch für die Zeit außerhalb der Session. Ich wäre über das Jahr auf Kabarett-Tour in ganz Deutschland unterwegs gewesen, über 100 Auftritte standen im Kalender. Jetzt waren es gerade einmal sieben Auftritte, davon zwei im Autokino. Ich bin seit 30 Jahren glücklich verheiratet, allerdings war ich bislang immer viel unterwegs. Jetzt sitze ich meiner Frau seit einem Jahr jeden Tag auf der Pelle. Wir sind ein bisschen stolz darauf, dass wird das so gut hingekriegt haben.

Wie sieht derzeit Ihr Alltag aus?

Stelter: Ich versuche, auch jetzt im Lockdown diszipliniert zu bleiben. Man könnte sich ja auch morgens im Bett einfach wieder umdrehen, es liegt ja nichts an. Ich stehe aber wie immer auf, ich gehe zu Fuß zum Bäcker, weil ich jeden Tag meine 10.000 Schritte absolvieren möchte. Im vergangenen Jahr habe ich meinen dritten Camping-Krimi geschrieben, der wird jetzt am 26. Februar veröffentlicht. Dazu gibt es ein paar Talkshows und Pressetermine. Ich habe ein bisschen zu tun, aber das ist natürlich kein Vergleich mit einer normalen Karnevalssession. Ich stehe sehr gerne auf der Bühne, das ist nicht nur mein Beruf, sondern auch mein Hobby. Die Reaktion des Publikums fehlt mir schon sehr.

Welche Rolle spielen die digitalen Möglichkeiten?

Stelter: Über das Digitale bleibt man im Kontakt mit den Fans. Es gibt viele positive Reaktionen auf meinen Karnevalskalender. Ich bin froh, dass ich diese Idee hatte. Aber es ist kein Ersatz für Liveauftritte. Nächste Woche stehe ich zumindest für die Fernsehsitzung wieder auf einer Bühne – mit einer Kapelle, aber leider ohne Publikum. Es ist doch klar, wenn 1000 Menschen im vollbesetzten Gürzenich bützen, schunkeln, laut singen oder im Foyer ihr Kölsch trinken. Das ist quasi die Definiton von Corona-Infektionen. Das geht im Moment nicht. Aber es fehlt uns sehr, an Karneval machen wir Sachen, zu denen wir sonst gar nicht in der Lage sind. Wir gehen raus, feiern mit wildfremden Menschen, tanzen, singen und leben unsere Freude aus. Genau das macht den Karneval so toll und wichtig. Und diese Lebensfreude, die geht uns gerade verloren. Was mich im Moment stört, ist das Vokabular, das in vielen Medien verwendet wird. Wie oft haben Sie in den letzten Wochen die Worte Klatsche, Impfkrieg, Corona-Desaster gelesen. Genau das hat in den USA zu dieser Polarisierung geführt, die an Ende sogar in Gewalt ausartete. Was sind die wichtigsten Worte im Karneval? Lachen, Singen, Feiern.

Wie stehen Sie mit den Kollegen in Kontakt?

Stelter: Mit Volker Weininger habe ich neulich am Telefon gemeinsam ein Glas Wein getrunken. Auch mit Guido Cantz und Horst Müller gab es schöne Telefonate. Ich freue mich immer über solche Begegnungen, weil ich meine Kollegen mag. Nach Hause einladen kann ich sie im Moment nicht. Da bleibt dann nur noch das Telefon.

Ist es erlaubt, Witze über das Virus zu machen?

Stelter: Ja, natürlich, und zwar so viele, wie möglich. Man kann das Virus nicht beleidigen. Und Dinge wie das Hamstern der Deutschen beim Klopapier und die Geschichte, dass jetzt alle zunehmen, sind doch genau mein Thema. Allerdings habe ich es selbst durch meine täglichen 10.000 Schritte geschafft, im Corona-Jahr deutlich abzunehmen. Im letzten Jahr an Rosenmontag war ich auf dem Wagen der Großen Kölner im Zoch unterwegs. Da hat mich eine Journalistin gefragt, ob ich Corona in meine Rede einbauen werden. Zu dem Zeitpunkt, an dem Corona ein Pflichtthema für jeden Redner geworden wäre, war Rosenmontag, die Session war vorbei.

Wie ist die Perspektive für das laufende Jahr?

Stelter: Wir haben jede Menge Termine aus dem letzten Jahr in dieses Jahr verschoben, dazu war 2021 natürlich auch schon gebucht. Der Kalender ist rappelvoll, aber niemand weiß, wann die Veranstaltungen wieder stattfinden. Aber ich will nicht alles nur negativ sehen. Wir haben vieles neues dazugelernt. Ich werde mich gleich mit meinem Techniker treffen, ich habe einen Online-Auftritt bei der Luftflotte. Wir senden aus meinem Keller, das ist auch spannend. Mir ist wichtig, dass wir jetzt im Karneval zusammenhalten und Solidarität zeigen. Das passiert bei der großen Spendenaktion an Weiberfastnacht in der Arena, wo wir so viel Geld wie möglich sammeln wollen, für die Leute, denen es jetzt so richtig dreckig geht. Die Techniker, die Tonleute, die Lichtleute, die Roadies, da geht es um Existenzen. Da halten Bands, Redner, die Karnevalsgesellschaften und das Festkomitee fest zusammen. Ein Engagement, bei dem mir das Herz aufgeht.

Wie wichtig ist Humor jetzt in der Krise?

Stelter: In meinem Lied „Der Clown“ heißt es: „…erst wenn das Lachen stirbt, erst dann sind wir verloren.“ Das ist genau richtig, aber wichtig ist mir auch, dass ich als Redner auch die Themen anspreche, bei denen es nicht unbedingt ums Lachen geht. Es sind auch Dinge, die manchen Menschen nicht passen. Aber als Redner im Karneval muss man Haltung zeigen und als Narr den Menschen den Spiegel vorhalten. Karl Küpper ist da ein großes Vorbild für mich.

Was macht Ihnen im Moment Hoffnung?

Stelter: Hoffnung macht mir die Impfung und die Aussicht, dass wir vielleicht im Sommer so langsam wieder loslegen können. Hoffnung macht mir, dass die überwältigende Mehrheit der Menschen vorsichtig und vernünftig mit dem Thema umgeht. Es klappt im Moment sicher nicht alles. Aber ich glaube, dass alle zumindest versuchen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich habe neulich gelesen, die Kanzlerin solle sich für ihre Corona-Politik entschuldigen. Wie weit sind wir da schon gekommen. Jeder versucht jetzt, sein Bestes zu geben. Da werden auch Fehler gemacht, aber nur wer nichts tut, macht keine Fehler. Hoffnung hat mir ein Buch gemacht, das ich gerade ausgelesen habe: „Der Wal und das Ende der Welt“ von John Ironmonger, kann ich jedem als Lektüre empfehlen.

Welchen Tipp haben Sie für die Zwangspause zu Hause?

Stelter: Nicht hängen lassen, jeden Morgen aufstehen und sein Leben leben, Kontakt zu den Freunden halten, und trotz allem ein bisschen Spaß haben am Leben. Ich weiß, das ist im Moment ziemlich anstrengend. Und wenn man abends im Bett liegt, sollte man sich kurz überlegen, was habe ich heute schönes erlebt, denn da war immer was.

Autor: Von Stephan Eppinger | Foto: Manfred Esser