Köln | Seit September 2013 kooperiert das Jobcenter Köln mit dem Verein „Alt hilft Jung NRW“, einem Zusammenschluss aus rund 70 Wirtschaftssenioren, die ihre Kompetenz und ihr Know-how an in Not geratene Selbständige weitergeben wollen. Das Projekt mit dem Jobcenter soll gezielt Selbstständige, unterstützten, die gezwungen sind, Arbeitslosengeld II zu beantragen, um die Kosten für ihren Lebensunterhalt zu decken.

Mit dem neuen Beratungsangebot richte man sich an Selbständige, die aus eigener Kraft nicht mehr die nötigen Mittel für den Lebensunterhalt erwirtschaften könnten, so Olaf Wagner, Mitglied der Geschäftsführung des Jobcenters Köln.

In Zusammenarbeit mit dem Verein und gleichzeitig Namensgeber des Kölner Projekts „Alt hilft Jung“ erhalten Selbstständige und Kleinunternehmer seit September 2013 individuelle Beratungen in puncto Wirtschaftlichkeit ihres Unternehmens. So sollen bis zu 52 Klienten pro Kalenderjahr vor Ort an ihren Betrieben von den Coaches, darunter zahlreiche ehemalige Unternehmer und Führungskräfte, beraten werden. Gemeinsam soll so ein Fahrplan für das weitere Vorgehen des jeweiligen Betriebes erstellt werden. Ein Coaching umfasst dabei zwei Beratungseinheiten von insgesamt bis zu 16 Stunden innerhalb von vier Wochen.

„Kein verlängerter Arm des Amtes“

Dabei wolle man in erster Linie „Hilfe zur Selbsthilfe“ bieten und die Klienten nicht gängeln, so Jürgen Kohns, Vorstandsmitglied von Alt hilft Jung NRW. Auch werde man von den Hilfesuchenden nicht als „der verlängerte Arm des Amtes angesehen“, sondern vielmehr als Businessberatung. Im weiteren Verlauf des Coachings werde dann ein Hilfeplan erstellt, der Sanierungsmaßnahmen und Empfehlungen enthalte, so Kohns. Dabei könne es auch vorkommen, dass man zu der Überzeugung gelange, dass es für den jeweiligen Betroffenen besser ist, die Selbstständigkeit aufzugeben oder in eine Nebenerwerbsselbständigkeit umzuwandeln. Das sei bisher jedoch die Ausnahme gewesen.

Erste Erfolgsergebnisse

Bislang wurden laut Jobcenter Köln 39 Kundinnen und Kunden aus unterschiedlichen Branchen von den „Alt hilft Jung“-Mitgliedern betreut. Davon konnten bereits zwölf so erfolgreich in Ihre Selbstständigkeit zurückkehren, das sie nicht länger auf Leistungen nach ALG-II angewiesen seien, so Wagner. Sieben Teilnehmer seien in einen aktiven Vermittlungsprozess eingebunden worden, gingen ihrer selbständigen Tätigkeit also nicht mehr hauptberuflich oder gar nicht mehr nach. 20 Teilnehmer befänden sich aktuell noch im Projekt und hätten gerade damit angefangen.

Einer der Zwölf, bei dem das Coaching erfolgreich verlief, ist Christian Glavina, Betreiber einer Holzofen-Pizzeria in Köln. Nachdem er unter Anleitung des Coaches seine Öffnungszeiten optimiert, Änderungen im Personal vorgenommen und mehr in Werbung investiert hatte, konnte er seinen Umsatz erheblich steigern und ist nun nicht mehr auf Transferleistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch angewiesen.

Zahl der selbständigen Aufstocker gestiegen

Eine Verlängerung der Maßnahme über den Sommer 2014 hinaus ist laut Wagner geplant. Die Finanzierung des Projekts für maximal 52 Teilnehmer pro Jahr sei gesichert, das Projekt ausbaufähig. Nach Angaben von Wagner und Kohns arbeiten die Coaches auf Grundlage einer Aufwandsentschädigung in Form einer festgelegten Pauschale pro Klient.

Die Zahl der Selbständigen in Köln, die auf ALG-II zur Deckung ihres Lebensunterhalts angewiesen seien, sei in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, so Wagner. Aktuell zähle man 2.000 Personen, im Vergleich zu 2013 (1.800 Personen) ein Zuwachs von 10 Prozent. Oftmals lebten diese bereits längere Zeit unterhalb des Existenzminimums und seien hochverschuldet, ehe sie sich an das Jobcenter wendeten, so Wagner und weiter: „Das Maß der Selbstausbeutung ist bei vielen Selbständigen sehr hoch“.

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Der Verein „Alt hilft Jung NRW“ ist nach eigenen Angaben überparteilich, steht in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu Verbänden, Firmen oder Institutionen und verfolgt keine kommerziellen Interessen. Der Verein, der seit 28 Jahren existiert arbeitet in NRW derzeit mit elf Jobcentern zusammen, außerdem mit mehreren Kammern sowie Mittelstandsvereinigungen.

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Autor: Daniel Deininger
Foto: Vlnr.: Pizzeria-Betreiber Christian Glavina, Lothar Weiland (Jobcenter Köln), Jürgen Kohns (Verein „Alt hilft Jung NRW“), Olaf Wagner (Jobcenter Köln) bei der ersten Zwischenbilanz zum Projekt.