Köln | Langfristig sollte im Nationalsozialismus das Christentum und dessen „jüdische Mitleidsmoral“ verschwinden. Doch zunächst war es ein nützlicher Helfer, Führerkult und Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung zu verankern. Besonders hilfreich dabei die evangelische Kirche. Die Ausstellung „Überall Luthers Worte“ im NS-Dokumentationszentrum beleuchtet deren Verstrickung mit der NS-Diktatur.

Mit fast 200 Fotos, Schrift- und Tondokumenten sowie erklärenden Texttafeln ist es keine im Vorübergehen zu konsumierende Ausstellung. Um so erschreckender dürfte für viele spätgeborene Besucher die freiwillige Gleichschaltung protestantischer Christen mit dem NS-System sein.  

Die Feiern zu Martin Luthers 450. Geburtstag im November 1933 waren willkommener Anlass für die Kirchenführung, den Schulterschluss mit den NS-Machthabern zu suchen. Schon zuvor hatte sich die „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ als inner-evangelische Kirchenpartei gegründet. Sie überhöhte Luther als „urdeutschen Charakter“, was der NS-Ideologie passgenau entgegenkam. Mit der Einsetzungs eines „Reichsbischofs“ wurde die Gleichschaltung vorangetrieben.

Wahlaufruf mit Christuskreuz und Hakenkreuz

Zu den Kirchenwahlen im Juli 1933 tief sie mit dem Slogan auf: „Wir verbinden aber Christentum und Deutschtum, daher Christuskreuz und Hakenkreuz.“ Die erste Nummer der Parteischriften trug den Titel „Unser Kampf“ und der Berliner Pfarrer, Vizpräsident des Oberkirchenrates und „Deutsche Christen“-Gründer Joachim Hossenfelder schrieb: „Die Deutschen Christen sind die SA Jesu Christi.“

Luthers antijüdische Hetzschriften wurden willkommen aufgegriffen – mit ihnen rief man zur „Vollendung der deutschen Reformation im Geiste Martin Luthers“ auf. Nicht erst nach dem  Novemberpogrom von 1938. Als „Kämpfer gegen den Judengeist in der christlichen Kirche“ wurde er im „Stürmer“ gefeiert. Und der Staat dankte es mit Umgestaltung oder Neubau von über tausend Kirchen.

Doch die Wanderausstellung – erarbeitet von der Stiftung Topographie des Terrors und der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin – widmet sich auch der Bekennenden Kirche, deren Anhänger landeten wegen ihrer Regime-Kritik oft genug vor Gericht. So wie Martin Niemöller (1892-1984), dessen Worte „Überall Luthers Worte und doch aus der Wahrheit in Selbstbetrug verkehrt“ dieser Ausstellung den Titel gaben.

[infobox]„Überall Luthers Worte – Martin Luther im Nationalsozialismus“ – bis 24. Februar 2019. NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln, www.nsdok.de, Di-Fr 10-19 Uhr, Sa und So 11-18 Uhr, erster Donnerstag im Monat 10-22 Uhr. Begleitband (deutsch/englisch)18 Euro

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Autor: ehu
Foto: Luthers antijüdische Hetzschriften bereiteten schon vor 1933 den Boden für den Antisemitismus und wurden nach 1933 erst recht aufgegriffen.