Köln | aktualisiert 14:30 Uhr, 16:43 Uhr | Von einer der ältesten europäischen Synagogen bis zum verkohlten Zeitungspaket aus dem Zweiten Weltkrieg: Fünf Jahre nach Beginn der Ausgrabungen in der Kölner Altstadt sind zwei Drittel des Areals freigelegt. Bisher wurden in der sogenannten Archäologischen Zone mehr als 250.000 Fundstücke entdeckt, wie Grabungsleiter Sven Schütte der Nachrichtenagentur dapd sagte. Noch im Herbst soll der Bau des Jüdischen Museums beginnen. Aktualisiert: Die Stadt Köln erklärte heute, der Zeitplan für den Bau stehe derzeit noch nicht fest. Zuvor sollen Verhandlungen mit dem LVR über eine mögliche Kooperation abgeschlossen werden.

„Gang durch 2.000 Jahre Stadtgeschichte“

Die Arbeiten in der sogenannten Archäologischen Zone laufen seit August 2007. Seitdem wurde ein komplettes jüdisches Stadtquartier mit der ältesten Synagoge nördlich der Alpen (vor 800 errichtet) und einer Mikwe gefunden. Neben dem Viertel aus Mauerresten, Ruinen und schmalen Gassen waren die Wissenschaftler auch auf einen römischen Statthalterpalast aus dem 4. Jahrhundert gestoßen. Die jüdische Gemeinde in Köln gilt als die älteste nördlich der Alpen und war laut Schütte bereits um 320 bedeutend. Bis Ende 2015 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Spätestens Anfang 2016 sollen die Funde in dem geplanten Ausstellungsgebäude mit integriertem Jüdischem Museum präsentiert werden.

Der Bau des Museums soll noch im Herbst beginnen, wie Schütte sagte. „Wir machen gerade das Baufeld frei, und dann können die Bohrpfähle gesetzt werden.“ Das neue Museumsgebäude, das als Überbau für die bereits bestehende Ausgrabungsstätte dient und eine reine Ausstellungsfläche von 7.500 Quadratmetern erhält, kostet rund 52 Millionen Euro. Davon trägt die Stadt 37,5 Millionen Euro, den Rest übernimmt das Land.

„Der Fundus reicht von der Römerzeit bis nach den Zweiten Weltkrieg“, sagte Schütte. „Es ist ein Gang durch 2.000 Jahre Stadtgeschichte.“ Die Fundstelle sei in Europa derzeit einzigartig. „Wir haben hier die gesamte Infrastruktur des jüdischen Viertels: Die Männersynagoge, die Frauensynagoge, die Mikwe, das Hospital, das Fest- und Tanzhaus, die Bäckerei, das Warmbad und die ganzen Wohnhäuser“, sagte der Direktor der Archäologischen Zone. Bei vergleichbaren Ausgrabungen wie in Prag und Amsterdam werde nicht soviel gefunden und die Quartiere seien weitaus jünger. Mehr als 200 umfangreiche Schriftstücke seien entdeckt worden, darunter der weltweit älteste literarische Text in Jiddisch. Dieser Ritterroman sei in hebräischer Schrift auf einer Schiefertafel geschrieben, die Sprache sei aber mittelhochdeutsch. Der Text sei vor dem Pestpogrom gegen die jüdische Gemeinde 1349 entstanden und damals mit verbrannt.

Reste aus dem 1. Jahrhundert

„Die ältesten Funde gehören in die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts“, sagte Schütte. Dazu zählte er aufwendige Mauerzüge einer Ubierstadt, die damals den Hang zum Rhein abstützen sollten. Das jüngste Exemplar sei dagegen ein Streichholzetui aus Kunststoff, das an der Grabungsstelle bereits 1956 gefunden worden sei. „Wir zählen schon gar keine Tierköpfe oder jede Scherbe mehr. Das wären Hunderttausende.“

Die Archäologische Zone ist nicht die einzige Grabung in der Domstadt. Die Arbeiten an einer neuen U-Bahn-Strecke waren im Frühjahr nach zehn Jahren beendet worden. Dort stießen die Forscher auf 2,5 Millionen Fundstücke, darunter Zeugnisse des römischen Hafens, von Tempelanlagen, Festungswerken aus dem Mittelalter und preußischen Grabenwerken.

16:39 Uhr > Stadt: Baustart erfolgt erst nach Abstimmungen mit LVR

Die Stadt Köln erklärt zu der heutigen Stellungnahme von Schütte: „Die Stadt Köln arbeitet entsprechend dem Ratsauftrag aus dem Jahr 2011 derzeit mit Hochdruck daran, das international herausragende Kulturprojekt Archäologische Zone/ Jüdisches Museum Köln für den Baustart vorzubereiten. Dieses Ziel hat sowohl für Oberbürgermeister Jürgen Roters als auch für Kulturdezernent Professor Georg Quander höchste Bedeutung. Die in Zusammenhang mit dem geplanten Bau von Archäologischer Zone/Jüdischem Museum am heutigen Mittwoch, 1. August 2012, geäußerte Erwartung von Projektleiter Dr. Sven Schütte, eine Grundsteinlegung und ein Baustart könnten noch im Laufe dieses Herbstes erfolgen, gibt allerdings nur die operative Sicht der Grabungsleitung wieder. Neben der operativen Vorbereitung des Baubeginns steht die Stadt Köln im Moment in intensiven Verhandlungen mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) für eine mögliche Kooperation beim künftigen Betrieb des Museumsprojekts Archäologische Zone/ Jüdisches Museum. Wenn diese Abstimmungen erfolgreich abgeschlossen sind, werden die Kooperationspartner gemeinsam und in geeigneter Form über den Zeitplan für den Bau und den Betrieb des Projekts Archäologische Zone/Jüdisches Museum unterrichten.“

Autor: cs, Fabian Wahl/ dapd