Interview mit dem Präsidenten der Blauen Funken, Björn Griesemann

In dieser Woche ist der Elfte im Elften – in diesem Jahr pandemiebedingt ein ganz normaler Wochentag. Wie fühlt man sich als Karnevalist an so einem Tag?

Björn Giesemann: Ich sitze im Ringelshirt im Büro und räume auf, um mich etwas abzulenken. Aber wir Karnevalisten haben jetzt eine hohe Verantwortung und dürfen keine falschen Signale aussenden. Natürlich sind wir alle traurig, gerade jetzt würde eine Auszeit wie der Elfte im Elften guttun, aber es ist in diesem Jahr absolut richtig und sinnvoll, dass wir zu Hause bleiben und nicht feiern. Ich finde, dass hier die Stadt, das Festkomitee und die Gesellschaften tolle Zeichen gesetzt haben.

Was bedeutet die Pandemie für den Karneval?

Griesemann: Da gibt es viele Facetten. Wirklich Karneval zu feiern, rückt in dieser Session in weite Ferne. Ich wehre mich zwar dagegen, dass gar nichts passiert, aber der Glaube, dass noch etwas möglich sein wird, schwindet bei der aktuellen Entwicklung immer mehr. Bei Kulturveranstaltungen stehen die Chancen vielleicht noch etwas besser, aber da müssen wir Geduld beweisen und auf eine positive Entwicklung im Januar warten und dann improvisieren. Beim Verein an sich mit seinen mehr als 600 Mitgliedern geht es jetzt um den Zusammenhalt. Dafür sind große Anstrengungen und kreative Ideen notwendig. Für viele ist der Verein der Lebensmittelpunkt und man pflegt dort sehr lange Freundschaften untereinander. Wirtschaftlich ist der Schaden für viele groß und uns trifft das natürlich auch, wenn uns die Einnahmen der Veranstaltungen fehlen oder zum Beispiel auch Anzeigen für unser Liederheft rückläufig sind. Meine größte Sorge jedoch ist, dass die Menschen die Nähe zum Karneval verlieren und nach der Zwangspause nicht zurückkehren. Das könnte zum großen Problem für alle Vereine werden, aber insbesondere die treffen, die bisher schon um Gäste kämpfen mussten.

Gibt es bei den Blauen Funken Pläne für diese Session?

Griesemann: Ja, wir haben Pläne in der Schublade, die wir aber ganz bewusst nicht kommunizieren. Es wird definitiv keine öffentlichen Verkaufsveranstaltungen der Blauen Funken geben. Möglich sind, wenn überhaupt, nur Veranstaltungen mit den Funken selbst oder auch mit den Funkenfreunden. Da müssen wir zeigen, dass wir gute Hygienekonzepte haben und dass wir verantwortlich mit der Gesundheit unserer Gäste umgehen. Das bedeutet deutlich mehr Aufwand, wie bei einer normalen Session.

Wie wichtig ist die Solidarität innerhalb der Gesellschaft?

Griesemann: Die ist bei uns sehr wichtig. Direkt im März haben sich junge Funken in einem Netzwerk zusammengeschlossen, um älteren Funken aus der Risikogruppe zu helfen oder um die Einkäufe zu erledigen. Das hat super funktioniert und die Freude am Helfen war bei allen Mitgliedern extrem groß. Die haben richtig dafür gebrannt. Die Solidarität gilt aber für alle, auch für Menschen, die jetzt in der Krise ihren Job verloren haben und die unsere Hilfe brauchen.

Sie waren selbst Prinz im Dreigestirn. Was fühlen Sie jetzt mit den Altstädtern, die diese Aufgabe übernommen haben?

Griesemann: Am Elften im Elften tun mir die Drei total leid. Man investiert extrem viel Arbeit in diese Aufgabe und will diese an solchen Tagen auch wirklich genießen. Ich kenne den Prinz schon länger und habe ihn angerufen, um ihm Mut zuzusprechen. Dass die drei Altstädter diese Aufgabe übernommen haben, davor habe ich größten Respekt. Ich hoffe jetzt sehr, dass sie den Elften im Elften im Jahr 2021 so richtig feiern können.

Wie wird die Pandemie den Karneval verändern. Kommt jetzt die Zeit für mehr ruhigere Formate?

Griesemann: Wir waren die Ersten, die mit „Funke janz höösch“ in der Flora eine ruhige Sitzung ins Leben gerufen haben. Das ist bei uns die Sitzung, die immer zuerst ausverkauft ist. Das bedeutet weniger Nostalgie, sondern gefühlvollen Karneval, zu dem die Oma mit dem Enkel geht und Tränen in den Augen hat, wenn die Fööss auf die Bühne kommen. Bei Rednern kann man die Stecknadel fallen hören, da sind auch Profis wie Bernd Stelter schwer beeindruckt. Dabei ist dies aber kein Statement gegen den Partykarneval, wie wir ihn zum Beispiel im Bootshaus selbst feiern. Auch das hat sich positiv entwickelt und meist sind die gleichen jungen Leute bei beiden Formaten vor Ort. Das wird sich auch nach der Pandemie fortsetzen. Was sich ändern wird, ist die Bereitschaft der Besucher, sich in zu volle Säle zu begeben. Da werden wir in 2021 Wege finden müssen, wie wir damit umgehen. Weitere Fragen sind zudem, wie man Leute, die den Anschluss verloren haben, zurückgewinnt und letztendlich hoffen wir auch, dass alle Künstler, Firmen und Menschen rund um den Karneval den Karnevals-Lock-down wirtschaftlich überleben.

Wie wird die Krise unsere Gesellschaft verändern?

Griesemann: Am stärksten betroffen sind derzeit die jungen Menschen. Sie haben in ihrem Leben noch nie eine Krise erlebt und können nicht damit umgehen. Da herrscht eine große Unsicherheit, weil man nicht weiß, was passiert. Absolventen finden keine Jobs mehr und Schüler lernen unter schwierigsten Bedingungen. Für manche bricht da eine Welt zusammen. Ein positiver Aspekt ist allerdings, dass sich auch Dinge bereinigen – es geht nicht immer nur bergauf und wir leben nicht auf einer Insel der Glückseligkeit. Man muss jetzt die Freude am Helfen gewinnen, sich auf lokale Angebote ausrichten und insgesamt viel nachhaltiger denken. Das wäre etwas, das ich mir auch über die Krise hinaus wünschen würde.

Autor: Von Stephan Eppinger
Foto: Björn Griesemann mit OB Henriette Reker beim Jubiläumsfest am Tanzbrunnen. Archivfoto: Eppinger