Karlsruhe | Die Bundesanwaltschaft hat am Dienstag die Ermittlungen gegen einen 55-jährigen Syrer wegen des Brandanschlags und der Geiselnahme vom Montag am Kölner Hauptbahnhof übernommen. Dem Beschuldigten werde versuchter Mord in zwei Fällen sowie gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt, teilte die Bundesanwaltschaft am Mittwoch mit. Am Montagmittag hatte der Beschuldigte im Kölner Hauptbahnhof in einem Schnellrestaurant eine brennbare Flüssigkeit ausgeschüttet und diese in Brand gesetzt.

Eine 14-Jährige rutschte bei ihrer Flucht vor den Flammen darauf aus und erlitt erhebliche Verletzungen. Der Beschuldigte floh anschließend in eine Apotheke und nahm dort eine Geisel. Er stellte telefonisch verschiedene Forderungen.

Unter anderem verlangte er, nach Syrien zum „Islamischen Staat“ (IS) ausreisen zu können, so die Karlsruher Behörde. Die Apotheke wurde durch ein Spezialeinsatzkommando gestürmt. Dabei wurde die Geisel durch den Beschuldigten verletzt.

Nach dem bisherigen Erkenntnisstand lägen „zureichende Anhaltspunkte“ für einen radikal-islamistischen Hintergrund der Tat vor, so die Bundesanwaltschaft. Sie ergeben sich demnach unter anderem aus Zeugenangaben. Im Anschluss soll der Beschuldigte die Freilassung einer Frau gefordert haben, deren Mann sich terroristisch betätigt haben soll.

Zudem soll er geäußert haben, dass er Mitglied des IS sei und zu diesem nach Syrien ausreisen wolle, so die Bundesanwaltschaft.

Polizeigewerkschaft: Staat ignoriert Schutzauftrag

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt hat nach dem Brandanschlag und der Geiselnahme am Kölner Hauptbahnhof Unverständnis darüber geäußert, dass der Täter auf freiem Fuß war, obwohl er schon wegen verschiedener Delikte wie Körperverletzung, Diebstahl, Betrug und Hausfriedensbruch polizeibekannt gewesen sein soll. „Viele Menschen können nicht verstehen, dass angeblich Schutzsuchende in unserem Land leben, die immer und immer wieder durch jede Menge Straftaten auffallen und trotzdem in Freiheit unter uns leben“, sagte Wendt der „Frankfurter Allgemeinen Woche“. Erst wenn dann Todesopfer oder Schwerverletzte zu beklagen seien, kämen diese Täter in Haft.

„Es ist nicht nachzuvollziehen, dass der Staat seinen Schutzauftrag gegenüber der Bevölkerung an dieser Stelle komplett ignoriert“, so Wendt. Es sei die Aufgabe des Staates, für einen ausreichenden Schutz zu sorgen, indem Straftäter bis zu ihrer Ausreise sicher untergebracht sind und eine Residenzpflicht auch durchgesetzt werde, so der Polizeigewerkschaftschef. Das gelte beispielsweise auch für jugendliche Intensivtäter, die immer wieder durch Gewaltdelikte auffallen.

„Leider überlässt der Gesetzgeber dies ausschließlich der Justiz, obwohl das Strafrecht hierzu ungeeignet ist, denn an eine Untersuchungshaft sind weitreichende Voraussetzungen geknüpft, die regelmäßig nicht erfüllt sind“, so Wendt. Weiter forderte Wendt, dass der Einsatz moderner Videotechnik gesteigert werde, damit gefährliche Situationen schon im Entstehungsprozess erkennbar würden. „Dies ist mit intelligenter Videosoftware möglich und könnte den gezielten Einsatz von Polizeikräften zum frühestmöglichen Zeitpunkt sicherstellen“, so Wendt.

Um gesuchte gefährliche Personen zu erkennen, wäre der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware „richtig und notwendig“. Der Gesetzgeber müsse für eine ausreichende gesetzliche Grundlage sorgen: „Man kann nur hoffen, dass darüber nicht wieder eine Koalitionskrise ausbricht und allen Koalitionspartnern ihre Verantwortung klar ist“, so der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft.

Autor: dts | Foto: Polizei
Foto: Mit dem Foto dieser Tasche sucht die Kölner Polizei nach Zeugen. Sie soll dem mutmasslichen Täter gehört haben.