Köln | Der Zwischenfall in der gestrigen Nacht gegen 22:15 Uhr in der Schwefelkohlenstoff-Anlage bei der Carbosulf Chemische Werke in Köln-Niehl wirft Fragen auf. Nicht nur, was die Meldung des Unternehmens betrifft, sondern auch die Art und Weise, wie die Kölner Feuerwehr mit Zwischenfällen dieser Art umgeht und das nicht zum ersten Mal. Einige Kölner erinnern sich vielleicht noch an den Hashtag „#maggikalypse“, als es in der ganzen Stadt nach Maggi roch und die Feuerwehr mehr als vier Stunden benötigte um festzustellen, dass der Geruch durch einen Zwischenfall in einer chemischen Produktion in Neuss entstanden war. Report-K trägt die Ereignisse der Nacht zusammen, wie sie die Beteiligten Carbosulf, Feuerwehr und Bezirksregierung schildern.

So schildern die Beteiligten die Abläufe

22:11 Uhr Zwischenfall in der Schwefelkohlenstoff-Anlage bei der Carbosulf Chemische Werke GmbH in Köln-Niehl. Die Anlage, so Carbosulf, wird abgeschaltet. Das in der Anlage befindliche Erdgas wird über die Fackel abgefackelt, die weiteren Stoffe über den Kamin abgegeben. Die Carbosulf eigene Werkfeuerwehr kommt nicht zum Einsatz, da dies nicht nötig gewesen sei.

22:20 Uhr Carbosulf informiert nach eigenen Angaben die Kölner Feuerwehr über den Vorfall in der Schwefelkohlenstoff-Anlage

22:38 Uhr Pressesprecher Heinisch der Kölner Feuerwehr gibt diese Uhrzeit an, dass diese Erstmeldung die Feuerwehr erreicht habe. Das Unternehmen habe über eine reguläre Fackeltätigkeit informiert und dass man alles im Griff habe und nichts schlimmes passiert sei, so der Sprecher.

23:05 Uhr Die Feuerwehr Köln fragt bei Carbosulf nach und will wissen, was genau passiert ist. Carbosulf, so Heinisch, habe noch einmal die Unbedenklichkeit bescheinigt und dass durch die Fackeltätigkeit Wasserdampf freigesetzt werde.

23:07 Uhr Der erste Notruf eines Bürgers aus Köln-Mülheim in der Windmühlenstraße, der der Feuerwehr einen schwefelartigen Geruch meldet. Die Feuerwehr schickt ihren Umweltschutzdienst mit dem Führungsdienstfahrzeug aus der Feuerwache Weidenpesch. Dieser Mitarbeiter ist speziell ausgebildet und Teil der analytischen Task Force, einer besonderen Einheit der Kölner Feuerwehr, die sich auf die Analyse chemischer Stoffe versteht. Feuerwehrsprecher Heinisch: Der Mitarbeiter konnte keinen Geruch feststellen.

23:09 Uhr Der zweite Notruf erreicht die Feuerwehr aus Buchforst. Auch dort klagt man über üble Gerüche. Die Feuerwehr fährt auch dort weiter unter dem Einsatzstichwort „Gasaustritt“ eine Kontrollfahrt. Auch hier keine Feststellungen.

Ob die Beamten einen Zusammenhang zum gemeldeten Vorfall bei Carbosulf herstellen ist derzeit unklar.

23:15 Uhr Die Feuerwehr fragt erneut bei Carbosulf nach, so Heinisch. Die Hochfackeltätigkeit wird bestätigt und es steht fest, dass Erdgas und Schwefel verbrannt werden. Welche Stoffe genau freigesetzt wurden, sei nicht mitgeteilt worden. Über diese, so Heinisch, habe man erst am Morgen durch die Berichte in den Medien Kenntnis erhalten. Allerdings heißt die Anlage „Schwefelkohlenstoff-Anlage“. Zur Herstellung und wie so eine Anlage arbeitet, findet man bei Wikipedia innerhalb weniger Minuten einen Artikel.

Es kommt zu weiteren Notrufen aus der Kölner Bevölkerung, allerdings, so Heinisch, eröffnet die Kölner Feuerwehr keine weiteren Einsätze mehr, sondern vermerkt diese Anrufe als „Blinden Alarm“. Die Anzahl der Anrufe habe im niedrigen zweistelligen Bereich gelegen.

24:00 Uhr Die Bezirksregierung Köln wird von Carbosulf über den Zwischenfall informiert, so deren Pressesprecher Dirk Schneemann. Da es sich um einen Betrieb der Störfallverordnung handelt, wurden auf Basis der Störfallverordnung die entsprechenden Maßnahmen ergriffen. So soll am Montag bei einem Gespräch mit dem Unternehmen der Vorfall aufgearbeitet werden. Die Bezirksregierung Köln fungiert als Aufsichtsbehörde und mischt sich nicht in die Gefahrenabwehrmaßnahmen, die alleine Sache der Feuerwehr Köln sind, ein.

2:46 Uhr Die Carbosulf verschickt eine Pressemitteilung an die Medien

3:10 Uhr Die Carbosulf veröffentlicht die Pressemitteilung auf Ihrer Homepage mit gleichlautendem Wortlaut und der Angabe der ausgetretenen Stoffe Schwefelwasserstoff (H2S) und Schwefeldioxid (SO2) und Hinweisen zur Gefährlichkeit der Stoffe. Spätestens jetzt hätte die Feuerwehr Köln mit einer einfachen Recherche die Stoffe kennen können. Der Pressesprecher der Kölner Feuerwehr Heinisch erklärte gegenüber dieser Internetzeitung, man habe erst aus den Medien in den frühen Morgenstunden erfahren, um welche Stoffe es sich handelte.

In den frühen Morgenstunden berichten die Kölner Lokalmedien mit dem Beginn ihrer Redaktionstätigkeit über den Vorfall.

16:23 Uhr Die Feuerwehr Köln verschickt ein „Eilinfo“ an die Kölner Medien zu dem Zwischenfall bei Carbosulf.

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Hat die Kölner Feuerwehr den Zwischenfall nicht ernst genug genommen?

Der Sprecher der Kölner Feuerwehr sagt, Meldungen zu Fackeltätigkeiten seien an der Tagesordnung, sozusagen Routine und daher habe man auch darauf verzichtet die Kölner Medien zu informieren. Also wurde der Vorfall, obwohl Bürger sich meldeten, als so harmlos eingestuft, dass die Kölner Feuerwehr auf die Information der Bürger verzichtete.

Als diese Internetzeitung in den frühen Morgenstunden, die Pressemitteilung des Unternehmens Carbosulf bei der Kölner Feuerwehr hinterfragte, wusste der Mitarbeiter an der Pressehotline aus der Leitstelle der Kölner Feuerwehr noch nicht einmal, dass es sich bei Carbosulf um ein Unternehmen handelt, dass der Störfallverordnung unterliegt. Selbst auf mehrfache Nachfrage hielt er es nicht für nötig sich zu informieren. Erst eine Nachfrage bei der Bezirksregierung Köln ergab, dass die Carbosulf eines von 22 Unternehmen ist, die in Köln der Störfallverordnung unterliegen. Die Bezirksregierung Köln bestätigte gegnüber report-K, dass die Liste der 22 Unternehmen der Kölner Feuerwehr vorliegt.

Parallelen zur „#maggikalypse“

Einige Kölnerinnen und Kölner können sich vielleicht noch daran erinnern, als am 11. Juni 2016 (report-K.de berichtete: „Ursache des Würzgeruches gefunden: Brand in einem Chemiewerk in Neuss“) plötzlich in der ganzen Stadt ein würziger Geruch festzustellen war. Viele verglichen ihn mit dem Geruch des Würzmittels „Maggi“. Ursache war damals ein Brand in einem Chemiewerk in Neuss. Die ersten Meldungen erreichten Köln in den Morgenstunden ab 8 Uhr und die Feuerwehr Köln brauchte bis 14 Uhr, bis sie die Ursache, den Brand in einem Neusser Chemiewerk eruierte. Köln liegt als Millionenstadt umringt von großen Chemieunternehmen, die teilweise letale Substanzen herstellen. Aus diesem Grund wurde die Berufsfeuerwehr Köln, im übrigen die viertgrößte Wehr in Deutschland, mit einer analytischen Task Force ausgestattet.

Die Organisation und Eignung der Mitarbeiter der Leitstelle müssen auf den Prüfstand

Die Berufsfeuerwehr Köln und vor allem ihre Führung muss sich die Frage gefallen lassen, warum Ihre Beamten in der Leitstelle, also der zentralen Einheit für Einsatzstrategie, Taktik und schneller Entscheidung bei Notfällen und Störfällen nicht stärker nachgefragt haben, welche Stoffe freigesetzt wurden, vor allem vor dem Hintergrund, dass man Bürgeranrufe als „Blinden Alarm“ abtat. Es kann nicht ausreichen, dass die Feuerwehr aus den Medien erfährt, welche Stoffe dort ausgetreten sind, weil sie selbst nicht nachfragt oder es nicht schafft eine Mini-Internetrecherche anzustoßen. Hat die Leitstelle der Kölner Feuerwehr keinen Internetzugang? Oder können die dort eingesetzten Mitarbeiter das Internet nicht bedienen?

Warum verfolgt man in einem laufenden Einsatz zu einem Vorfall in einem Betrieb der Störfallverordnung, nicht die Mitteilungen des Unternehmens auf dessen Website? Mehrfach telefonierten die Mitarbeiter der Leitstelle mit Carbosulf, warum bat keiner darum bei Mitteilungen an die Öffentlichkeit in den Verteiler aufgenommen zu werden? Warum ist die Kölner Feuerwehr bei Betrieben der Störfallverordnung nicht in den digitalen Nachbarschafts- und Presseverteilern der betroffenen Unternehmen und hat sich proaktiv darum bemüht? Oder ist die Struktur der Leitstelle der Kölner Feuerwehr so schlecht organisiert, dass keiner in ein E-Mail-Postfach blickt?

Das der Mitarbeiter der Leitstelle der die Pressehotline bedient, bei mehrfacher Nachfrage dieser Internetzeitung nicht wusste, dass es sich bei Carbosulf, um einen Betrieb der Störfallverordnung handelte und es nicht einmal für nötig hielt nachzusehen, zeigt, dass es organisatorische Schwächen, aber auch Schwächen in der Kompetenz der Mitarbeiter in der Leitstelle gibt.

Die Führung der Feuerwehr und der diese kontrollierende Stadtdirektor Keller sollten sich hinterfragen, ob die Organisation und die Kompetenzen der Mitarbeiter in der Leitstelle der Kölner Feuerwehr aktuell optimal aufgestellt sind. Dazu muss eines klar festgehalten werden, da Feuerwehrbeamte ja besonders sensibel auf Kritik reagieren, es geht nicht darum einen Einzelnen hinzuhängen, sondern darum die Besten mit ihren besonderen Fähigkeiten für die jeweilige Stelle zu finden und das ist Gut so, denn jeder Mensch hat andere besondere Qualitäten, die aber nicht immer an allen Positionen gebraucht oder voll zur Entfaltung kommen.

Beim Unternehmen Carbosulf, auch das bestätigt die Bezirksregierung Köln, handelt es sich um ein Unternehmen, dass normalerweise nicht durch Vor- oder Störfälle auffällt. Das Unternehmen ist seit 1962 am Standort Köln und gehört heute zu AkzoNobel.

Autor: Andi Goral