Köln | Viele Kölner dürften mit dem Clevischen Ring in Köln-Mülheim vor allem eines verbinden: Stau und manchmal quälend langsames Vorankommen. Die Messstation die Feinstaub oder Stickoxide misst ist schon von außen rußig und dreckig. Jemand hat mit dem Finger in den Dreck das wort „schmutzig“ geschrieben. Heute standen auf dem kurzen Stück zwischen der Bergisch Gladbacher Straße und der Auffahrt zur Mülheimer Brücke ein Sofa auf dem Kinder spielten, ein runder Tisch, Pavillons. Die Anwohner protestieren gegen Schadstoffbelastung, Lärm und Dreck.

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In Mülheim am Clevischen Ring gibt es kaum einen Tag an dem die Grenzwerte eingehalten werden und selbst unter dem eigentlich schönen Spektakel „Kölner Lichter“ leiden hier die Anwohner besonders, denn die Werte, die die Luftbelastung mit Schadstoffen anzeigen steigen in vielen Jahren über den Grenzwert. An Tagen auf denen die A 3 dicht ist, wird es dann meist noch enger in Mülheim. Denn der Clevische Ring ist die Ausweichstrecke, wenn zwischen Köln-Mülheim und Kreuz Köln-Ost wieder einmal gar nichts geht. Dazu kommt der Verkehr über die Mülheimer Brücke die die nördlichen Kölner Stadtviertel verbindet jenseits und diesseits des Rheines. Und viele LKW nutzen die Mülheimer Brücke, die in den kommenden Jahren saniert werden wird, immer noch als Ausweichroute für die marode Leverkusener Brücke.

Gestern Nachmittag von 16 bis 20 Uhr war also ein Stück Clevischer Ring gesperrt. Protest auf unterschiedliche Art und Weise. Eine junge Frau trägt eine Atemschutzmaske und einen stilisierten grau gestrichenen Totenkopf, den sie sich wie eine venezianische Maske immer wieder vor das Gesicht hält und sich so den Autofahrern, die stadtauswärts fahren, zeigt. Auch Vertreter aus den Kommunalparlamenten Kölns waren gekommen. Thomas Hegenbarth von den Piraten freute sich, dass sich 12 Anwohnerinitiativen, gemeinsam für den Protest stark gemacht haben, darunter auch die Aktivisten vom Rendsburger Platz. Hegenbarth, der im Kölner Rat die Piraten vertritt, ist der Auffassung, dass die Kommune aktiv werden müsse und nicht darauf warten darf, bis in Düsseldorf die Landesregierung oder in Berlin die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative, wie die Blaue Plakette anstoße. Er könne die Wut der Anwohner verstehen und fordert für Köln Transitzonen etwa für schwere LKW.

Martin Börschel, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Kölner Rat, wollte sich vor Ort bei den Anwohnern über ihre Forderungen informieren. Die SPD ergreift die Initiative die Schadstoffbelastung zu reduzieren und will auch im Bereich Mülheim den ÖPNV und das Radfahren voranbringen. Börschel wundert sich, dass die Fraktionen im Kölner Rat, allen voran die CDU und die Grünen hier nicht stärker mit der SPD zusammenarbeiten und sich gegenseitig bei guten Anträgen unterstützen. Ein SPD-Antrag zu diesem Thema war erst im Verkehrsausschuss gescheitert, weil CDU und Grüne diesem nicht folgten. Börschel sieht vor dem Hintergrund der Klagen der Deutschen Umwelthilfe gegen die Städte – die Bezirksregierung in Düsseldorf unterlag vor dem Verwaltungsgericht, die Notwendigkeit, dass diese selbst für die Einhaltung der gültigen EU-Grenzwerte sorgen müssen. Auch Köln sollte nicht untätig abwarten, bis ein Gericht entschieden hat. Auch das sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben müsse aufhören. Also, dass die Kommunen auf die Gesetzgeber in Land und Bund zeigen. Dies gehe den Menschen auf die Nerven, sie forderten Lösungen die ihre Lebensqualität und Gesundheit schützen.

Wilfried Kossen von der Linken war begeistert über die Aktion, auch wenn er sich noch ein wenig mehr Resonanz aus der Bevölkerung gewünscht hätte. Kossen hofft, dass dies nicht die letzte Aktion in Mülheim ist. Ein erster einfach zu lösender Schritt so Kossen wäre einfach die Umweltzone weiter auszudehnen und damit für eine erste Entlastung in Mülheim zu sorgen. Zudem sollte ernsthaft vor dem Hintergrund der Sanierung der Mülheimer Brücke erwogen werden, eine Fahrspur für den Fahrradfahrer zu reservieren, auf der schnelle Radler langsame überholen oder Radfahrer nebeneinander fahren können. Also den Radverkehr zu attraktivieren. Zudem ergebe sich dadurch eine schnelle Radverbindung für den Kölner Norden und die rechtsrheinischen Gebiete können ideal mit Stadtteilen wie Nippes oder Ehrenfeld verbunden werden. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Gürtel im Bereich Nippes zum Radschnellweg werden könnte ist die Radspuer auf der Mülheimer Brücke zu sehen. Kossen fordert zudem, dass der Radverkehr in Köln an den Kreuzungen Vorrang bekommen sollte.

Die 12 Initiativen die sich beteiligt haben fürchten noch eine weitere Belastung und schreiben: „Insbesondere die Planungen für die Güterbahnhofsbrache und den Ausbau örtlicher Betriebe wie Drösser und Drahtwerke im Bereich des Güterverkehrs sind mit einer stärkeren Verkehrsbelastung des Wohngebietes und Clevischen Rings verbunden. Der Clevische Ring zählt bundesweit aber bereits heute zu den am stärksten mit Feinstaub und Stickoxiden belasteten Straßen. Hier drohen zu Recht in Zukunft Einschränkungen und sogar Sperrungen für den LKW-Verkehr durch die EU. Der Mülheimer Süden wird entwickelt; die AnwohnerInnen des Rendsburger Platzes kämpfen seit langem gegen den zunehmenden Durchgangsverkehr; tägliche stundenlange Staus im Bereich der Mülheimer Brücke haben weder etwas mit Lebensqualität, noch mit Mobilität oder einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu tun.“

Und die Sperrung heute? Auf der einen Seite – also in Richtung Stadtauswärts – reihte sich Fahrzeug an Fahrzeug, ein Strom der an einem Freitagnachmittag einfach nicht abreißt. Bahnen der KVB kamen sporadisch vorbei, Radfahrer so gut wie nie. Auf der anderen Seite leere Straße und vor der Polizeiabsperrung mühten sich die Beamten den Verkehr im Fluss zu halten. Dieses Bild zeigt das Dilemma. Zu wenig öffentlicher Personennahverkehr auf der einen Seite vor allem in entfernte Stadtviertel, dazu massiver Durchgangsverkehr im nahen Umfeld einer der am stärksten befahrenen Autobahnabschnitte Deutschlands und Verkehr hin zu den Fernstraßen wie der A3, verstopfen die Stadt und lassen die Schadstoffbelastung steigen. Jetzt gehen die Bürger auf die Straße, machen Druck und müssen die Einhaltung gesetzlicher Regelungen fordern.

[infobox]An der Aktion haben sich folgende Initiativen, Organisationen und Parteien beteiligt: Der ADFC Köln, AGORA KÖLN, der AK Mobilität von Bündnis 90/Die Grünen Köln, BUND Kreisgruppe Köln, Bündnis 90/Die Grünen OV Mülheim, Bürgerinitiative Rendsburger Platz, DIE LINKE OV Köln-Mülheim, DKP Köln, Geschichtswerkstatt Mülheim, Heimat für Alle Köln, MBL-Mülheimer Bürgerliste, MüTZe (Mülheimer Selbsthilfe Teestube e.V.), NABU Stadtverband Köln, nachbarschaft köln-mülheim-nord, Piratenpartei Köln, Radkomm – Kölner Forum für Radverkehr, RRX für Mülheim, SSM (Sozialistische Selbsthilfe Mülheim), VCD Regionalverband Köln.

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Autor: Andi Goral