Köln | Die Sonne scheint und auch heute sitzen die Jüngeren in Gruppen zusammen, auch wenn die Restaurants geschlossen haben. Dann halt auf der Wiese, auf den eigenen Stühlen auf der Straße oder wo auch immer im urbanen NRW. Die Politik trägt derweil leidenschaftliche Appelle vor, aber es kümmert niemanden, vor allem nicht die Jüngeren. Denn die erreichen Politik, Medien und Gesellschaft in der Corona-Krise kaum. Ein Erklärungsversuch am Begriff des „Liquid Marketing“.

Das Zukunftsinstitut hält einen interessanten Artikel aus dem August 2015 von Christian Schuldt vor. Unter dem Titel „Liquid Marketing: Der Konsum der Jugend“ beschreibt er welche neuen Kommunikationsregeln für die Jungen gelten und bezieht sich auf die Studie „Youth Economy“ des Zukunftsinstituts. Unter anderem stellt er fest, dass „die Jugend“ nicht mehr adressierbar ist, weil es sie nicht mehr gibt. Junge Menschen sind keine Gruppe oder Szene mehr, sondern bilden temporäre flüchtige Gefüge oder wie er es nennt eine „fluide, digital verstreute Kohorte“ und ein „Worst-Case-Szenario“ für klassische Marketingmechanismen. Angewendet auf die aktuelle Situation wissen die Jüngeren, dass ihnen das Coronavirus nichts anhaben kann. Sie bekommen es, es gibt milde Verläufe und eventuell merken sie es noch nicht einmal. Im Netz sind deshalb gerade Videos so hip, wo Menschen einen Discounter stürmen oder die „Alte weißer Mann“-Theorie. Und das „Bohemian Browser Ballett“, Teil des öffentlich rechtlichen Kanals „funk“ macht sich lustig mit dem Video „Corona rettet die Welt“.

„Der Tagesspiegel“ berichtet heute über Daten aus Südkorea, dass aber genau die Gruppe der Jüngeren die „Superspreader“ des Coronavirus sind. Sie machten ein Drittel der Infizierten aus. Sie tragen, auch wenn keiner von ihnen in Südkorea starb, durch ihre vielen Kontakte in der Schule, Uni, Freizeit, Sport oder Nachtleben zur Verbreitung des Virus bei.

Die klassische Massenkommunikation der Politik greift leider überhaupt nicht bei den Jungen. Da mahnen und appellieren Politiker ständig und nerven damit nur ab. Auch Medien. Das Interesse an der Coronavirus-Berichterstattung nimmt rapide ab und nicht wenige sagen, es reiche ihnen. Hält die Politik an dieser Strategie fest, wird sie nichts erreichen und erst Recht nicht, dass junge Menschen zu Hause bleiben. Es wird am Ende auf ein Verbot herauslaufen müssen, wenn ernsthaft erwogen wird, die sozialen Kontakte wirklich einschränken zu wollen. Denn die Kommunikation, die die Jugend anspricht, muss viral gehen, um schnell zu wirken und beim ersten Mal sitzen.

Denn um die Jungen zu erreichen, muss ich Botschaften mit ihnen machen und nicht für sie. Ich muss leicht teilbare Inhalte produzieren und „Influencer“ einbinden. Wer teilt schon gerne die Worte des Ministerpräsidenten Armin Laschet von einer dramatischen Lage, wenn er doch meint selbst nicht gesundheitlich betroffen zu sein? Es gebe noch eine Chance, das wäre die Ansprache über Empathie, die in Peer-to-Peer Gruppen funktioniert und Leidenschaft entfacht und wenn es gelänge die großen „Influencer“ dafür zu gewinnen. Also an Herz und Seele zu appellieren. Aber auch das müsste wahrscheinlich drastisch und empathisch einfach erfolgen: Wer hier sagt die „ältere Generation“, der erreicht nur wenige 20-Jährige. Aber: „Schütz Deine Oma und Deinen Opa“ wird einfacher verstanden in einer Generation die, wie das Zukunftsinstitut schreibt, das „Ich im Wir“ sucht.

Jetzt scheint die Sonne, der Frühling ist da, die Gefühle kochen bei 17 Grad bei warmen Espresso besonders hoch und – für die Älteren unter uns – mit den Worten Heinrich Heines aus der „Frühlingsbotschaft“: „Klinge, kleines Frühlingslied – kling hinaus ins Weite… Wenn du eine Rose schaust, Sag ich laß sie grüßen“. Also warum Zuhause bleiben, wenn ich glaube nicht betroffen zu sein?

Autor: Andi Goral