Auf der Reise durch verschiedene Epochen der Kölner Stadtgeschichte

Köln | Wer im Kölner Boden gräbt, hat große Chancen auf bedeutende Überreste der 2000-jährigen Kölner Geschichte zu stoßen. Dass man in einem Bereich unterwegs ist, zu dem bislang noch kein anderer Archäologe Zugriff hatte, ist auch in der Domstadt eher selten. Das passiert gerade im Bereich des Miqua direkt am Turm des Historischen Rathauses. Während in anderen Teilen der großen Baustellen schon die Neubauten in die Höhe wachsen, arbeiten sich die Experten im Erdreich durch die Stadtgeschichte.

In fachkundiger, behutsamer Kleinstarbeit graben sich die Mitarbeiter der Archäologischen Zone auf Höhe der Judengasse Stein für Stein durch die mit Sand verfüllte Baugrube in einem historisch besonders wichtigen Bereich: Über den Resten des römischen Statthalterpalastes Praetorium befinden sich die Überreste des jüdischen Viertels. Aktuell werden der Lehm-Kellerboden eines Hauses des jüdischen Viertels untersucht und Funde gesichert. Der Boden zeigt noch die schwarze Farbe des Brandes, Asche hat sich angesammelt. Bevor die Bodenplatten den einmaligen Blick von „über Tage“ auf diesen Teil der Stadtgeschichte für immer verdecken werden, möchten wir Ihnen ermöglichen, diese Ansichten zu dokumentieren.

Das Jüdische Viertel von Köln wurde in der Nacht vom 23. auf den 24. August 1349 im so genannten Pestpogrom nahezu vollständig zerstört. Synagoge und private Wohnhäuser wurden geplündert und in Brand gesetzt. Kein Gemeindemitglied überlebte. Im Schutt kann man heute noch einen Einblick in die Lebenswelt der jüdischen Gemeinde gewinnen. Bei den Grabungen kommen Alltagsgegenstände wie Scherben von Keramik- und Metallgefäßen, Wandputz der Zimmer, Schmuck und Münzen, aber auch Schieferplättchen mit Ritzungen zum Vorschein. Unter diesem mittelalterlichen Fußboden erwarten die Archäologen nun mächtige römische Schichten, die hier zwischen dem Praetorium und der römischen Stadtmauer unter dem Rathaus liegen. Erste Funde wie Ziegelplatten mit Abdrücken römischer Sandalen, kleine Wandputzfragmente und Keramikscherben geben einen ersten Eindruck auf zu erwartende künftige Funde.

Zur Vorbereitung des Durchbruchs vom Praetorium in die neu ausgegrabene Fläche unter dem Rathausplatz werden momentan statisch erforderliche Mauern vor die Bestandswände des aus dem Jahr 1956 stammenden Schutzbaus gebaut. Die Gründungstiefe dieser Mauern von fast sieben Metern unter dem Rathausplatz macht tiefreichende Baugruben notwendig. Vom Kellerfußboden bis zur Sohle der Baugrube sind noch gut drei Meter römische Schichten archäologisch zu untersuchen – alles immer in enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit den laufenden Bauarbeiten für den Museumsbau unter Leitung der Gebäudewirtschaft der Stadt Köln. Von der Fassade des Praetoriums aus dem 4. Jahrhundert über die Kellermauern des Hochmittelalters, den Rathausturm bis hin zur modernen Betonmauer des Schutzbaus der 50er Jahre und der Bohrpfahlwand des künftigen Museums erstreckt sich der Blick über insgesamt fünf Epochen.

Im Bereich Obenmarspforten konnten die Mitarbeitenden der Archäologischen Zone ebenfalls neue Erkenntnisse zur Stadtentwicklung ausgraben. Bekannt war schon länger, dass entlang der hier für das MiQua gebauten Bohrpfahlwand ein römischer Abwasserkanal, parallel zu dem unter der Budengasse, verlief. Als er nun ausgegraben wurde, zeigte sich jedoch überraschend, dass er im Mittelalter – offensichtlich beim Ausheben der Kellerräume damals teilweise zerstört, jedoch vollständig in die Kellerwände integriert wurde und heute noch leicht erkennbar ist. Der abgesackte Backstein-Fußboden gibt den Verlauf der Kanalrinne im Raum wieder. In der Neuzeit wurde ein weiterer Teil des Kanals aus noch ungeklärter Ursache mit Backsteinen vermauert. Sicher ist nur, dass die beiden nebeneinanderliegenden Keller so miteinander verbunden waren.

Das Miqua gehört derzeit zu den größten am ambitioniertesten Projekten in Köln. Unter dem Namen vereinigen sich die Jüdische Museum und das Archäologische Quartier mitten im Herzen der Altstadt. Auch der römische Statthalterpalast, das Praetorium wird in dieses neue Projekt integriert. Hier wird es einen Durchbruch zur Archäologischen Zone geben. Derzeit laufen die Arbeiten rund um das Rathaus auf Hochtouren. Trotzdem wird sich der Zeitplan für die Eröffnung weiter nach hinten verschieben. Aktuell geht die Stadt davon aus, dass das Miqua nicht vor März 2024 eröffnet werden kann. Auch bei den Kosten für das Projekt gibt es neue Prognosen. Ist man im Juli 2017 im Rat noch von 77 Millionen Euro ausgegangen, werden die Kosten jetzt auf 95 Millionen Euro geschätzt.

Gerade wird vor Ort der Stahlbau fortgesetzt, der voraussichtlich im März 2021 abgeschlossen werden kann. Bis zum Herbst 2020 wächst der erste Bauabschnitt entlang der Portalsgasse als erster in seiner vollen Höhe, einschließlich des Daches mit seiner Pyramidenkonstruktion. Zwischenzeitlich wird auch im Innenfeld unter dem Standort des zukünftigen Neubaus der Sand abgesaugt, um die Arbeiten in der unterirdischen Ausstellungsebene weiter voranzutreiben. Im Praetorium und im Museumspädagogischen Zentrum als Teil des Miqua sowie im unterirdischen Bereich des späteren Museums unter dem Deckenfeld vor dem Wallraf- Richartz-Museum können laut Stadt bereits im Jahr 2021 Veranstaltungen anlässlich des stadtweiten Feiertags „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ stattfinden.

Das Museum des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) entsteht auf dem Rathausvorplatz. Er präsentiert mit dem römischen Praetorium, dem mittelalterlichen jüdischen Viertel und dem Goldschmiedeviertel einige der bedeutendsten archäologischen Architekturfunde Kölns und des Rheinlands. Das Museum setzt sich aus einer unterirdischen Fundebene und dem oberirdischen Neubau zusammen. Unterirdisch wird auf eine 6000 Quadratmeter große Ebene ein archäologischer Rundgang eingerichtet. Im oberirdischen Teil gibt es den Ausstellungsteil zur jüdischen Geschichte und Kultur von 1424, dem Jahr der Vertreibung der Juden aus Köln, bis in die Moderne.

Autor: Von Stephan Eppinger