Köln | 1971 verlieh die Stadt Köln erstmals ein Jahres-Förderstipendium für junge Schriftsteller, benannt nach Rolf-Dieter Brinkmann. Inzwischen sind vier weitere dazu gekommen, zwei für Musik, eins für bildende Kunst und eins für Medienkunst. Jedes lässt sie sich 10.000 Euro kosten. In der Rathaus-Piazetta wurden am Montagabend die Stipendiaten 2018 vorgestellt.

Die Stipendien sollen, so OB Henriette Reker in ihrer Eröffnungsrede, den jungen Künstlern ein „Stück Freiheit schenken, ein Jahr, in dem sie sich nicht um kunstferne Jobs kümmern müssten, sondern allein ihrer Leidenschaft nachgehen könnten. Erstmals fand die Preisübergabe in der Rathaus-Piazetta statt, erstmals wurde jeder Stipendiat in einem kleinen Film vorgestellt – gedreht von Miriam Gossing und Lina Sieckmann, die als Duo 2016 das Medienkunst-Stipendium erhalten hatten. Hinter der Kamera Stefan Ramirez Perez, der diesjährige Medienkunst-Stipendiat.

Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium für Literatur: Özlem Özgül Dündar

Die 35-jährige Özlem Özgül Dündar hat gerade erst den Kelag-Preis beim Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb gewonnen. Dort las sie Ausschnitte aus ihrer Arbeit „und ich brenne“ – mit der sie sich auch in Köln beworben hat. Die Jury zeichnet mit ihrer Entscheidung „ein Wagnis aus, den Brandanschlag von Solingen (dem Geburtsort der Autorin) literarisch zu thematisieren.

Sie erzählt es aus der Sicht dreier Mütter, auch der eines Täters. „Ihr Text ist ein Bewusstseinsstrom ohne Punkt und Komma“, heißt es. Dündar will das Stipendium nutzen, ihren Roman zu volenden.

Chargesheimer-Stipendium für Medienkunst: Stefan Ramirez Perez

Stefan Ramirez Perez – geboren 1988 im bayrischen Hutthurn, Absolvent der Kölner Kunsthochschule für Medien KHM – verknüpft in seinen Filmen „inszenierte Performances mit dokumentarischen Verfahren“, so die Jury. Und weiter: „Die Arbeiten bedienen sich dabei oftmals an populären Bildsprachen und formalen Strategien, die durch Rekontextualisierung eine Umdeutung erfahren.“.

In seinem Bewerbungsvideo „As much as anyone“ – gedreht in Hollywood – zeigt er vier Schauspielerinnen beim Casting. Spielen sie sich selbst oder nur vier Schauspielerinnen, die sich um eine Rolle bewerben?

Friedrich-Vordemberge-Stipendium für bildende Kunst: Selma Gültoprak

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere Kölner noch an die Bus-Wartehäuschen, die vor einem Jahr plötzlich in Kölner Parks standen. „St open“ war eine Kunstaktion von Selma Gültoprak(geboren 1983 in Gummersbach). In einem konnte man sich ein Musikprogramm zusammenstellen, in allen war eine Wand mit Graffitis verziert.

„Die Benutzer eigneten sich das Kunstprojekt an und integrierten es wie Selbstverständlich in ihren Alltag. Die Trennung zwischen Kunstobjekt und Nutzgegenstand verwischte“, beschreibt die Jury Gültopraks zentrales künstlerisches Thema. Darüber hinaus lobt sie die „intensive Beschäftigung und Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen“.

Horst-und Gretl-Will-Stipendium für Jazz/Improvisierte Musik: Tamara Lukasheva

Tamara Lukasheva gab in ihrem kurzen Filmporträt eine Kostprobe davon, was sie mit ihrer Stimme alles anfangen kann – eben nicht nur singen. Für die Jury war dann auch die „überragende Qualität und die erstaunliche stilistische Weite“ der eingereichten Bewerbungsproben entscheidend. Sie lobt die „stimmliche Virtuosität und gesangstechnische Brillanz, die klangliche Intensität ihrer Stimmarbeit und ihre melodische Erfindungsgabe“. Schlussfazit: „Es gibt praktisch keine Spielart der fortgeschrittenen, kretiven und improvisierten Bühnenmusik, ind er sie nicht auf außerordentlich souveräne Art zu Hause ist.“:

Das alles zeigt sie nicht nur als Sängerin sondern auch als Komponistin und Bandleaderin. Lukasheva wurde 1988 in Odessa (Ukraine) geboren, studierte dort Jazzgesang. 2010 kam sie an die Kölner Hochschule für Musik und Tanz.

Bernd-Alois-Zimmermann-Stidpendium für Musik: Jonah Haven

Der US-Amerikaner Jonah Haven lebt erst seit einem Jahr als Studenten der Kölner Musikhochschule in Köln. Diese „lebendige und offene Stadt“ habe ihm „so viel Mut, Ehrlichkeit, Orientierung und Anregung geschenkt“, dass er die Liebe zur Musik wiedergefunden habe. Dass ein erst 22-Jähriger eine solche Krise durchlebt hat, spricht für die Jury für eine „frühe Reife“.

Seine Musik beschreibt sie als „energiereich und mit überraschenden Klangfarben“. Und weiter: „Trotz eines hohen konzeptuellen Aufwands geht die Sinnlichkeit der Klänge nicht verloren, sondern es entsteht eine fantasievolle Intensität voller Schwung“. Den Beweis dafür zeigte der Stipendiat in seinem Vorstellungsfilm am Beispiel eines Haarkamms, dem er verblüffende Töne entlockte. Von den 10.000 Euro will er sich als erstes einen neuen computer kaufen.

Mit 65 Bewerbungen – 52 Prozent davon waren von Frauen – war das Friedrich-Vordemberge-Stipendium das nachgefragteste. Für OB Reker ein Beweis für die Anziehungskraft Kölns als Stadt der Kunst. Die wenigsten Kandidaten (10) gab es wie auch in den Vorjahren für das Bernd-Alois-Zimmermann-Stipendium. 20 junge Schriftsteller und Dichter bewarben sich, 24 für Jazz und 31 für Medienkunst. Das Stipendium für Jazz/Improvisierte Musik wird seit 1998 über die Stiftung der Jazz-Fans Horst und Gretl Will verliehen. Er war bei der Verleihung anwesend. Die Künstler stellen sich noch in diesem Jahr mit Ausstellungen, Lesungen und Konzerten vor.

Autor: ehu
Foto: Die Kölner Kunststipendiaten 2018: Tamara Lukasheva, Stefan Ramirez Perez, Selma Gültoprak, Jonah Haven und Özlem Özgül Dündar (v.l.)