Köln | Vertreter der Kommunen haben sich nach dem ersten Dieselgipfel am Montag in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen. Die Bundesregierung wird denFonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ um 500 Millionen Euro aufstocken. Die „Tagesthemen“ befragten Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker nach ihren Zielen für mehr saubere Luft für die Kölner Bürgerinnen. Die sieht vor allem die Autoindustrie in der Pflicht und die Städte als Opfer. Die Kölner SPD zeigt sich irritiert, weil sie schon im September 2016 Anregungen und Konzepte auf den Tisch legte. Einem Gratis-ÖPNV, wie ihn die Kölner Piraten forderten, erteilt Reker eine Absage. Dabei ist der ÖPNV in Köln besonders „mies“, wie eine Studie die „Zeit“ und „Zeit Online“ veröffentlichten. In Köln liegt viel auf dem Tisch, auch die Linke hat eine Broschüre für ein „Einwohner*innenticket“ aufgelegt, aber gefördert wird der Autoverkehr, etwa durch billige Parktickets und das vor dem Hintergrund eines drohenden Dieselfahrverbotes durch Gerichtsentscheidungen. Fehlt in Köln das Machergen?

Reker gegen kostenlosen ÖPNV

Reker bescheinigt dem Treffen in Berlin, dass dies richtig und wichtig war und alle ein gemeinsames Ziel hätten, die Luftreinhaltung zu verbessern und Fahrverbot zu vermeiden. Aber dies ginge nur, wenn viele Faktoren zusammenwirkten. Reker erklärte zum wichtigsten Punkt die Unterstützung durch die Automobilindustrie, um kurzfristig etwas zu erreichen. Reker sieht die Städte in der Opferrolle. Köln habe verschiedene Verkehrskonzepte, erläuterte Reker, die anders als ihr Nachfolger im Umweltdezernat Rau, nicht davon ausgeht, dass Fahrverbote drohen und dass, obwohl die Grenzwerte überschritten werden und Gerichte nach Klagen der Deutschen Umwelthilfe sowohl in Düsseldorf als auch in Stuttgart die Kommunen in die Pflicht nehmen. Die parteilose Reker, die im OB-Wahlkampf von sich gesagt hatte, dass sie im Herzen grün sei, setzt auf verkehrssensible Ampelanlagen und will den Fahrradverkehr anders gestalten. Bei der Busflotte sieht sie nicht so viele Optimierungsmöglichkeiten, da Köln bereits über eine moderne Busflotte verfüge. Zudem will sie die Innenstadt vom Verkehr frei machen und ein neues Konzept für das Rechtsrheinische und die Messeumgebung vorlegen. Einem ÖPNV der gratis sei, also fahrscheinlos, erteilte Reker eine klare und eindeutige Absage, mit der Begründung, dass das Bezahlen auch in anderen Städten klappe. Köln gehört mit zu den teuersten Städten bei den Ticketpreisen und eine Studie von „Zeit“ und „Zeit Online“ erklärte den Kölner und Duisburger Nahverkehr im Februar 2017 als besonders „mies“. Nach der Studie stiegen unter anderem in Köln die Ticketpreise für den ÖPNV in den vergangenen zehn Jahren um 30, die Parkgebühren aber nur um 12 Prozent. Inflationsbereinigt sei es billiger geworden in den Innenstädten zu parken.

SPD forderte schon im September 2016 die Stadt zum Handeln auf

Die SPD im Kölner Rat zeigt sich über die Äußerungen von Reker irritiert und erklärt, dass entsprechende Anträge der SPD-Fraktion bereits vorlägen. Bereits im September 2016 habe die SPD Maßnahmen auf den Tisch gelegt, vor allem für den Bereich des Clevischen Ringes in Mülheim. Das Bündnis von CDU, Grünen, FDP und die Oberbürgermeisterin hätten diese Pläne aber abgelehnt.Susana dos Santos Herrmann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: „Wenn es der OB wirklich ernst ist mit dem Gesundheitsschutz ihrer Bürgerinnen und Bürger, sollte sie den Blick nicht nur hilfesuchend nach Berlin richten, sondern konkret in Köln anpacken und endlich Maßnahmen umsetzen.“ Die SPD hatte in ihrem Antrag in der Ratssitzung im September 2016 einen Handlungskatalog gefordert unter anderem ein verbessertes Angebot im Umweltverbund aus ÖPNV, Fußgänger und Radverkehren, eine Verknüpfung der Verkehrsträger, Temporeduzierungen und eine umweltsensitive Verkehrssteuerung. Der Transitverkehr sollte Köln großräumig umfahren und die SPD wollte einen Dialog zwischen Verwaltung und regionaler Wirtschaft initiieren um Vorschläge zu erarbeiten, die innovative Mobilitäts- und Logistikkonzepte beinhalten. Und für Mülheim forderte die SPD Pförtnerampeln an der Bergisch-Gladbacher Straße, eine neue Streckenführung für LKW-Transitverkehre, eine Verbesserung der Taktung der KVB-Linie 3 und Verlängerung nach Bergisch-Gladbach und unter anderm eine Verlängerung der Linie 1 nach Moitzfeld/Herkenrath.

Neue Ideen und Konzepte schon lange auf dem Tisch – warum werden sie nicht intensiv im Rat und mit der Verwaltung diskutiert?

Neue Ideen für einen verbesserten ÖPNV liegen in Köln schon lange auf dem Tisch. So forderten die Piraten im Kommunalwahlkampf ein Nachdenken über einen fahrscheinlosen ÖPNV und zeigten Möglichkeiten einer Finanzierung auf. Die Linke fordert ein Nachdenken über ein „Einwohner*innenticket“ mit stark reduzierten Preisen für mehr, bessere und sozialere Mobilität durch eine umlagefinanzierten ÖPNV, bei dem etwa ein Monatsticket nur zwischen 20 bis 30 Euro kosten würde. Denn die KVB ist nicht billig und hat zwar in den letzten Jahrzehnten die Busflotte ausgebaut, mehr eingenommen, mehr Fahrgäste, aber weniger Stadtbahnen und Stadtbahn-Streckenkilometer. Waren es 1999 noch 282 Streckenkilometer Stadtbahn sind es heute 2017 nur noch 246 Kilometer. [Den gesamten Überblick über die Entwicklung der letzten 20 Jahre fragte report-K bei der KVB an und berichtete >] In der Studie von Civity landet Köln auf dem letzten Platz, wenn es um den Ticketpreis in der Relation zur Zahl der Abfahrten pro Einwohner geht. In Köln kostet der Fahrschein 2,80 Euro für eine Einzelfahrt und es gibt nur 17 Abfahrten je 100 Einwohner. Denn je mehr Abfahrten es gibt, umso besser ist das Angebot. In Bonn dagegen kostet das Ticket, da beide Städte im VRS liegen, auch 2,80 Euro, aber dort gibt es 35 Abfahrten pro Werktag und 100 Einwohner. Nur Duisburg bietet genauso wenig Abfahrten wie Köln. Dort ist der Einzelfahrschein allerdings 10 Cent billiger.

Mut und Machergen gefragt

Die Fakten zum Verkehr liegen in Köln vor und das politische Köln kennt sie und hat sie ausführlich diskutiert, auch zum Radverkehr, etwa auf der Radkomm. Aber wer packt an, geht neue Wege und hat den Mut den Verkehr in Köln neu aufzustellen, aber nicht nur auf dem Papier, im Meeting oder Arbeitskreis, sondern auf der Straße oder Schiene? Mit der Feststellung das Opfer zu sein oder noch schnell viele Euro-5-Dieselbusse für die KVB zu kaufen, wird es keine echte Erneuerung geben. Es ist jetzt Mut und der Mut zur Umsetzung gefragt und nicht wieder ein neues Konzept. Und das ist auch teilweise nicht besonders schwierig und mit ein wenig Farbe und Schildern getan: Verkehrsraum neu aufteilen, Ampelsteuerung erneuern und damit Verkehr verflüssigen und nicht behindern, neue schnelle Busse mit Busspuren einführen, Radwege ertüchtigen, die Taktung der KVB verbessern und mit neuen P&R-Möglichkeiten verbinden, neue Bahnen kaufen, mehr Personal einstellen, mehr Querverbindungen bei der KVB schaffen als den ganzen Verkehr in die Stadt hinein, durch und dann wieder hinauszuführen und vor allem den Schienenverkehr bei der KVB ausbauen, etwa durch Verlängerungen der Bahnen in die Stadtteile, die überhaupt nicht angeschlossen sind, wie Flittard oder Widdersdorf, bevor man über Prestigegroßprojekte wie Tunnel unter dem Rhein nachdenkt. Und den ÖPNV günstiger machen. Es gibt ein Aber: Wer könnte diese oder dieser mutige Macherin oder Macher sein – nicht Visionär oder Visionärin? Die Stellen, die man dafür braucht, sind übrigens alle besetzt: Köln hat eine Verkehrsdezernentin, einen Fahrradbeauftragten, ein Amt für Straßen und Verkehrstechnik und ist im Besitz der Kölner Verkehrsbetriebe KVB und die Politik hat dort über den Aufsichtsrat die Möglichkeit lenkend einzugreifen.

Autor: Andi Goral