Köln | Sharif Abu-Jabir ist ein weitgereister, bescheidener und humorvoller Mensch. Nach vielen Jahren als Berater und Vermittler hilft er seit drei Jahren Flüchtlingen bei ihren alltäglichen Problemen. Für dieses ehrenamtliche Engagement wird er nun mit dem Ehrenamtspreis der Stadt Köln in der Kategorie Einzelpreisträger ausgezeichnet. Wir haben ihn an seinem Wohnort in Köln-Worringen besucht.

Der gebürtige Palästinenser weiß genau, wie schwer es ist, wenn man von heute auf morgen seine Heimat verliert. Im Alter von acht Jahren wurden er und seine Familie durch einen Bombenangriff zu Obdachlosen, mit 19 Jahren (1958) ging er nach Deutschland, um Medizin zu studieren. Schon kurze Zeit später war er Präsident des arabischen Studentenvereins und damit de facto Politiker. Später folgte das Studium der Politikwissenschaft. 1967 dann der Schock: Die israelische Armee eroberte im so genannten Sechs-Tage-Krieg große Gebiete des ehemaligen Palästina, für den damals 28-Jährigen bedeutete es, dass er nicht mehr in seine Heimat zurückkehren konnte, und das endgültig.

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Es folgte eine lange und erfolgreiche Karriere als Berater und Vermittler im Mittleren Osten. So war er unter anderem Berater des saudischen und des jordanischen Königs, arbeitete als politischer Berater. In dieser Zeit kamen auch deutsche Unternehmen in den Mittleren Osten. Abu-Jabir fungierte auch hier schon früh als Brückenbauer, setzte seine Kontakte ein, um Probleme zu lösen – auf beiden Seiten. Bilder in seiner Wohnung zeigen den jungen Abu-Jabir mit hochkarätigen deutschen Wirtschaftsführern und Angehörigen der Königshäuser von Jordanien und Saudi-Arabien.

Viele Jahre hatte er ein Büro in der saudischen Hauptstadt Riad, die Anlaufstelle für deutsche Unternehmen und Politiker, da es zu jener Zeit keine deutsche Botschaft in Riad gab. In Deutschland bleibt Hamburg lange Zeit seine Heimat. „Rucksack-Hamburger“, so bezeichnet er sich mit einem Lächeln im Gesicht. Wegen der Liebe zog es ihn schließlich nach Köln, sein Sohn ist heute 15 Jahre alt und der ganze Stolz seines Vaters, der 50. in einer langen Ahnenreihe.

Zufällige Begegnung mit Flüchtlingen als Auslöser

Vor etwas mehr als drei Jahren dann eine weitere Zäsur. Abu-Jabir sitzt in einem Bus und bemerkt, wie eine Frau aus dem syrischen Aleppo in arabischer Sprache um Hilfe bittet. Innerhalb eines Augenblicks entschied er zu helfen. Und ohne Werbung zu machen, verbreitete sich seine Telefonnummer in Windeseile. Insgesamt, so schätzt Abu-Jabir bescheiden, haben bereits weit über 1.000 Flüchtlinge zumindest kurzzeitig seine Hilfe in Anspruch genommen. Seine Ansprechpartner bei den Behörden schätzen sogar, dass es einige Tausend sein können.

„Ich erwarte keine Dankbarkeit, wenn ich helfe“, so Abu-Jabir. Tatsächlich ist aus der flüchtigen Begegnung im Bus eine tagefüllende Aufgabe geworden, wie der Blick in seinen Terminkalender verrät. Mitunter ist der 79-Jährige auch nachts unterwegs, wenn beispielsweise eine Frau ins Krankenhaus kommt und nicht weiß, was dort auf sie wartet. Hauptsächlich aber hat es Abu-Jabir mit den Behörden zu tun. Die Ausländerämter in Kalk und den neun Kölner Stadtbezirken und das Jobcenter sind seine häufigsten Anlaufpunkte. Aber eben auch Krankenkassen und -häuser oder auch mal beim Hausarzt.

Religion ist keine Waffe

„Tue Gutes“ lautet einer seiner Grundsätze. Dabei beruft sich der gläubige Muslim auf den Koran. Eigentlich liegen die Grundsätze der drei abrahamitischen Weltreligionen so nahe beeinander, dass man so manchen Konflikt nicht verstehen kann. In seiner Wohnung in Köln-Worringen finden sich gleich mehrere Koranausgaben mit Erläuterungen in verschiedenen Sprachen. Der christliche Religionsstifter wird dort beispielsweise als einer der Propheten („Isa“) veehrt, weise Muslime bezeichnen Christus als „Herrn Christus“, eine Umschreibung, die er auch sonst gerne nutzt, um den Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft seinen Respekt zu erweisen.

„Religion ist keine Waffe“, wird Abu-Jabir deutlich. Überhaupt werden zu viele Konflikte in der Welt mit Religion erklärt, obwohl es doch eher handfeste Interessen sind. Und auch in Sachen medialer Nutzung zieht es den 79-Jährigen gerne zu anderen Quellen. So schaut er sich auch gerne auch heute noch Beiträge arabischer Fernsehsender an, alleine um das Bild und damit seine Meinung zu komplettieren. Und als profunder Kenner der politischen Zusammenhänge weiß er, dass deutsche Medien viele Dinge nicht oder nur am Rande erwähnen, die trotzdem passieren.

„Schon vor Jahrzehnten war ich so etwas wie ein Botschafter zwischen den Völkern, derÜbergang zu meinem Ehrenamt war fließend“, resümiert Abu-Jabir sein Lebenswerk. Sein Ehrenamt im fortgeschrittenen Alter, das ihm nun den Ehrenamtspreis 2018 einbringt, ist letztlich die Fortführung seines lebenslangen Strebens, Brücken zwischen den unterschiedlichen Lebenswelten und Kulturen zu bauen, Lösungen oder Kompromisse zu finden. Dass er dabei seinen Humor niemals verloren hat, macht eine Anekdote deutlich. Als er von einem Flüchtling darauf angesprochen wurde, wie viel er für seine Hilfe bekommen wolle, sagte er: „Ich nehme 60 Minuten die Stunde!“. Es dauerte ein wenig, bis auch der Fragesteller begriffen hatte, dass Abu-Jabir seine Hilfe aus Überzeugung anbietet.

Weitere Preisträger des Ehrenamtspreises 2018 finden sie auch auf Report-k.de.

Autor: Ralph Kruppa
Foto: Seit drei Jahren so etwas wie ein Botschafter in der Flüchtlingshilfe. Sharif Abu-Jabir freut sich über die Anerkennung der Stadt Köln.