Köln| Seit vier Jahren gibt es in Köln-Ehrenfeld eine Location, in der sich die Kölner Wikipedia-Community trifft. Es ist der erste Stützpunkt dieser Art in Deutschland. Nun haben die Initiatoren der Online-Community den Ehrenamtspreis der Stadt Köln erhalten.

Elke Wetzig gehört zum Kernteam und ist seit dem Beginn des damaligen Stammtisches vor 15 Jahren dabei. Die Kölner Community blickt aber nicht nur auf Köln, sondern ist Teil der weltumspannenden Wikipedia-Gemeinde, die allesamt an der globalen Enzyklopädie schreiben und arbeiten. Über Köln selbst gibt es rund 8.000 Artikel mit mindestens 85.000 Fotos, Tendenz steigend. Längst nicht alle Artikel stammen aus der Kölner Community, auf der anderen Seite gibt es viele Themen, die von den Kölner Aktivisten bearbeitet werden und eher themen- als ortsbezogen sind.

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Dennoch gibt es natürlich zahlreiche Themen, die aus der Kölner Wikipedia-Gemeinde heraus recherchiert und als Artikel für die fünftgrößte Internetseite der Welt produziert wurden. Dazu gehört beispielsweise ein inzwischen sehr detailreicher Bericht rund um den Museumsneubau MiQua (Jüdisches Museum) die Begleitung der Kunstaktion Stolpersteine von Gunter Demnig oder verschiedene andere Kölner Spezialitäten.

Arbeitsweise nach dem Bar-Camp-Prinzip

Im Gegensatz zu Redaktionen arbeitet die Wikipedia-Community aber eher nach dem „anarchischen“ Prinzip. Es gibt keine Redaktion im verlegerischen Sinne, die Themen zuordnet. Das Kernteam kümmert sich lediglich um eine gewisse Sortierung und leitet Neue an, wenn sie sich einbringen wollen. So gibt es für viele Bereiche Spezialisten, die potenziellen, neuen Autorinnen und Autoren erst einmal den Bestand und das dahinterstehende Know-how vermitteln. Getreu dem Motto: Macht nichts doppelt!

Im Gegensatz zu hauptamtlichen Redaktionen ist es in der Community eher verpönt, Primärquellen anzuzapfen. Vielmehr hat Wikipedia die Aufgabe, ein umfassendes Wissensspektrum abzubilden und mit Sekundärquellen belegt. Die Entscheidungen der einzelnen Autorinnen und Autoren sind autonom, es gibt keine abgesteckten Claims oder gar Ressorts mit eigener Verantwortung, umschreibt Nicola die Arbeitsweise, die eher an ein Barcamp erinnert. Auch die Anforderungen an die Community selbst sind eher leger. Zwar gibt es einen Akademiker-Überhang, ansonsten aber sollte man Spaß am Schreiben und der Recherche haben, ergänzt Torsten (Name von der Redaktion geändert).

Das Lokal-k – ein Treffpunkt auch für Interessierte

Dem Einzug in das neue Wikipedia-Lokal, vormals ein türkisches Cafehaus, gingen mehrere Real-Life-Meetings und Diskussionen voraus. Vor rund vier Jahren wurde es dann konkret. Der Verein Wikimedia e.V. mietete die Lokalität an und ist damit der Betreiber des Lokals, während sich die Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort um das operative Geschäft kümmern. Einmal in der Woche – jeweils am Donnerstagnachmittag – steht die Tür allen offen. Neben den Aktiven wollen die Initiatoren auch neue Autoren und ganz normale Mitbürgerinnen und Mitbürger ansprechen und so den Dialog forcieren.

Und so haben sich inzwischen neue Kooperationen gebildet. Regelmäßig treffen sich im Lokal Mitglieder der Brettspiel-Community, zu denen auch Entwickler gehören. Auch Mitglieder der OpenSource-Community (z.B. Open Streetmap) fühlen sich hier wohl und nutzen die Räumlichkeiten, um neueste Aktivitäten zu koordinieren oder Ideen zu entwickeln. Dazu gehören auch – wie vor wenigen Tagen – die Idee, eine Kölsche Speisekarte zu kreieren, zu kochen und das Zubereitete sogleich digital zu dokumentieren.

Offene Atmosphäre und ein paar Standards

Und so verbreiten die Initiatoren eine offene Atmosphäre. „Wer hier reinkommt, gehört dazu“, betont Wetzig. Interessierte, egal welchen Alters, werden im „Du“ angesprochen, entsprechend leger ist der Umgangston. Nicht immer und zwangsläufig gibt es Diskussionen. Es kommt auch häufig vor, dass sich die Teilnehmer mit ihren Laptops oder Tablets einfach nur im Lokal treffen und ihre Projekte voranbringen. Dann wird auch mal kein Wort gesprochen, sondern konzentriert gearbeitet, beschreibt Torsten.

Bei ihrer regelmäßigen Arbeit für die Wikipedia-Community haben sich die Kölner Mitglieder inzwischen Standards und Richtlinien erarbeitet, um sich die Arbeit etwas einfacher zu machen, ergänzt Nicola. Das habe auch dazu geführt, dass viele Artikel auch dank der zuweilen intensiven Diskussionen im Laufe der Zeit immer besser wurden, wie Wetzig ausführt.

Schwierig sei es nach wie vor, wenn die Autorinnen und Autoren gerade bei Wikipedia sich den Themen widmen, wo es eine emotionale Bindung gibt. Das gilt für Personen- wie für Themenartikel. Gerade als Online-Community aber müsse man diskussionsfähig bleiben und das bedingt, auch bei den zum Teil sehr intensiven kritischen Online-Diskussionen nicht ins Persönliche abzudriften. Letztlich gehe es darum, das Wissen zu bewahren und digital aufzubereiten.

Synergien mit Kulturinstitutionen wie Museen der Stadt und des LVR sind bereits in der Umsetzung oder gar schon realisiert. Insofern ist der Ehrenamtspreis der Stadt Köln für die Initiatoren vor Ort auch eine zusätzliche Motivation, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.

Mehr Informationen zum Ehrenamtspreis 2018 mit allen Einzelpreisträgern und Vereinen finden sie auf Report-k.de.

Autor: Ralph Kruppa