Köln | Die Übersetzerin und Yoga-Lehrerin Sabine Mangold erhält in diesem Jahr den Übersetzerpreis der Japan Foundation. Preisverleihung ist am 13.12.2019 im Japanischen Kulturinstitut in Köln. Vorab befragte Christoph Mohr die Preisträgerin.

Sie erhalten in diesem Jahr den Übersetzerpreis der Japan Foundation Wie wichtig ist der Preis für Übersetzer ?

Für Übersetzer aus dem Japanischen ist es eine hohe Auszeichnung, zumal hier die Übertragung aus dem Original ins Deutsche bewertet wird, während Jurys anderer Stiftungen die japanische Version aus Unkenntnis der Sprache nicht gegenlesen können.

Wie wichtig ist der Preis für Sie persönlich?

Es ist eine große Freude und Ehre, meine jahrzehntelange Arbeit gewürdigt zu wissen. Der Geldpreis ist angesichts des geringen Honorars, das man als Übersetzer verdient, eine zusätzliche Belohnung.

Sie arbeiten als freie Übersetzerin. Wie schwer ist es, davon zu leben?

Damit könnte ich meinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Ich übersetze durchschnittlich 1-2 Bücher im Jahr. Die Erschließung eines japanischen Textes gelingt mir nicht so fix wie bei europäischen Sprachen. Die Aufträge kommen im machbaren Rhythmus. Ich habe neulich das erste Mal ein Angebot abgelehnt. Sonst passt es immer. Da ich hauptberuflich Yogatrainerin bin, ist die Übersetzertätigkeit, wenngleich genauso zeitintensiv, eine zusätzliche Mission. Mich befriedigt die Arbeit als Kulturvermittlerin und weil ich gerne mit Sprache spiele.

Sie haben sich sozusagen Ihr ganzes Leben mit Japan beschäftigt, haben Japanologie studiert, in Japan gelebt etc. Können Sie noch sagen, was Sie am Anfang an Japan fasziniert hat?

Allenfalls mein halbes Leben. Ich habe mit etwa 28 nach Abschluss des Germanistik/Kunstgeschichte-Studiums mit Japanologie angefangen und dann nach dem Grundstudium eine Uni-Anstellung als Lektorin in Niigata bekommen. Meine Affinität zu Japan lag eher auf dem künstlerisch-ästhetischen Sektor: Zen und wabisabi, also das puristisch-minimalistische Konzept. Außerdem wollte ich einen Code knacken: die japanische Schrift.

Und was ist aus dieser Faszination geworden? Sind Sie heute auch noch von Japan fasziniert?

Ich war von 1986-1989 in Japan und seitdem nie mehr, weil ich nicht im Kurzurlaub dort herumtouren wollte. Deshalb habe ich manchmal Heimweh bzw. Fernweh – auch weil ich damals die Gelegenheit nicht voll genutzt habe, das Land ausgiebig kennenzulernen, sondern mit persönlichen Befindlichkeiten zugange war. Ich habe aber sehnsüchtig vor, das nachzuholen.

Wie wichtig ist Literatur in Japan?

Wie es heute ist, weiß ich nicht. Die Manga-Kultur, die bei uns in Form der Graphic Novel eine Aufwertung erfahren hat, schien mir damals vorherrschend zu sein.

Welche Rolle spielen Schriftsteller in Japan?

Ich denke, es sind hoch angesehene Persönlichkeiten, denn ich bekomme nie Kontakt zu den Autoren, die ich übersetze. Die Agenten sind stets dazwischen geschaltet.

Von der aktuellen Literaturproduktion in Japan ist in Deutschland so gut wie nichts bekannt. Außer Haruki Murakami gibt es wahrscheinlich keinen einzigen japanischen Schriftsteller, der einen namentlich einfallen würde. Warum ist das so?

Weil Haruki Murakami eben der Kultautor ist – ein Selbstläufer. Seit Marcel Reich-Ranicki. Die von mir betreute Autorin Yoko Ogawa liegt zumindest in den Buchläden neben HM und es gab nennenswerte Rezensionen. Auch „13 Stufen“, das ebenfalls für den Preis der Japan Foundation ausgewählt wurde, hat gute Kritiken bekommen. „64“ von Hideo Yokoyama und „Geständnisse“ von Kanae Minato (beide Werke wurden aus dem Englischen übersetzt) waren auf Bestsellerlisten.

Hier dürfen Sie einmal Werbung für „Ihre“ Autoren machen, d.h. Autoren, die Sie übersetzt haben. Welche Titel würden Sie besonders empfehlen?

„13 Stufen“ von Kazuaki Takano – weil hierzulande kaum jemand weiß, dass in Japan noch die Todesstrafe vollzogen wird. Interessant ist außerdem die speziell japanische Variante von Schuld und Sühne: die Wiedergutmachung des Täters bei den Opfern/Hinterbliebenen versus Gewissen. Als Krimistory auch spannend. Der Autor war hierzulande mit dem SF-Roman „Extinction“ auf den Bestsellerlisten (wurde aus dem Englischen übersetzt). Das ist ebenfalls empfehlenswert.

Yoko Ogawas Romane sind äußerst subtil, skurril und raffiniert. Magischer Realismus oder Schwarze Romantik der Postmoderne: Das Unheimliche/Grausame lauert unter der heilen Oberfläche, was die Fantasie des Lesers triggert, ohne sie zu bestätigen, und sich zu einer seltsam diffusen Atmosphäre subtiler Bedrohung verdichtet. Die körperlichen Anomalien der Protagonisten sind Manifestationen psychischer Verzerrungen. Jeder hat Gewalt in sich und versucht sie zu verstecken. Sie selbst sagt über sich, dass sie keinem literarischen Genre angehört, sondern schlicht und einfach Fiktion schreibt. Ein Autor sei jemand, der etwas bereits Existierendes, aber von niemandem Beachtetes aufspürt und zur Sprache bringt. Titel: „Schwimmen mit Elefanten“, „Augenblicke in Bernstein“, „Der Herr der kleinen Vögel“ u.a.

Neben Ihrer Übersetzertätigkeit haben Sie auch eine Ausbildung zur Yoga-Lehrerin gemacht. Hat das eine etwas mit dem anderen zu tun?

Ganz pragmatisch: Komplementär sind beide Berufe insofern, als dass meine Schreibtischtätigkeit eine wohltuende Abwechslung erfährt, während ich nach dem körperlich-mentalen Work-in des Yoga mich wieder nach der Textarbeit sehne. Außerdem sind beides Berufungen: geliebte Aufgaben, die ich mit Hingabe und Kreativität erfülle.

Da ich meine Yogastunden originell gestalte (Inhalt und Moderation) kommt mir die sprachliche Kompetenz auch hier zugute.

Bei einer Japan-Begeisterten würde man eher an Zen-Meditation als an Yoga denken…

Zen fasziniert mich als ästhetisches Konzept, die Zazen-Meditationspraktiken sind mir zu streng.

Machen Japaner auch Yoga?

Das Kuriose ist, dass ich damals in Japan von einer Bekannten bekniet wurde, mit Yoga zu beginnen. Stattdessen habe ich TaiChi praktiziert und bin dann erst wieder in Berlin (1989) wegen unzulänglicher TaiChi-Schulen zum Yoga gekommen. Yoga ist inzwischen ein weltweiter Hype und hat auch in Japan viele Anhänger.

[infobox]——————————————————————–

Preisverleihung Japan Foundation Übersetzerpreis

Freitag, 13. Dezember 2019 19 Uhr

Japanisches Kulturinstitut Köln

Universitätsstraße 98

50674 Köln

—————————————————–

Die Buchempfehlungen

Kazuaki Takano

„13 Stufen“

Penguin Verlag 2017

Kazuaki Takano

„Extinction“

Thriller

Penguin Verlag 2016

— — —

Yoko Ogawa

„Schwimmen mit Elefanten“

Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2019

Yoko Ogawa

„Augenblicke in Bernstein“

Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2019

— — —

Yoko Ogawa

„Der Herr der kleinen Vögel“

Aufbau Verlag Berlin 2017

[/infobox]

Autor: Interview: Christoph Mohr