Köln | Der kleine Festplatz im beschaulichen Köln-Flittard erlebt an diesem Sonntag ein Volksfest der besonderen Art: Nicht nur, dass der Stadtverband der Kölner Schützen sein Stadtkönigspaar ermittelt. Die rund 500 Besucher sind auch dabei, wie Deutschlands erster schwul-lesbischer Schützenverein seine eigene Majestät ermittelt. Gespannt blicken die übrigen Schützen und Besucher auf die bunt gekleideten Königsaspiranten mit ihren pinken Federn am Hut. Dank Popcorn- und Biergeruch weht ein Hauch von Karneval und Volksfest durch den Schießstand.

Seit März gibt es den schwul-lesbischen Schützenverein „St. Sebastianus und Afra“. Gegründet wurde er von zehn Mitgliedern in einer Kölner Szenebar. Kurz zuvor hatte der katholische Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften homosexuelle Königspaare in den eigenen Reihen verboten. Zwar erlaubt der bundesweit größte traditionelle Schützenverband weiterhin schwule Schützenkönige. Ihr Partner darf den Thron aber nicht mehr mit besteigen oder bei Festen direkt neben dem König laufen. Aus Ärger über den Verbandsbeschluss gründeten schwule und lesbische Schützen daraufhin den Verein.

Mittlerweile zählt „St. Sebastianus und Afra“ 35 Mitglieder. Sechs von ihnen haben sich am Sonntag zusammengefunden und wollen König oder Königin werden und damit als erste Majestät in die Geschichte des Schützenvereins eingehen.

Über den besten Schuss verfügt am Ende Anette Bornheim. Die 41-Jährige schießt den Holzvogel herunter und wird von den übrigen Schützen und Besuchern bejubelt. „Auch wenn ich mich gerade sehr, sehr freue, geht es uns heute vor allem um die Symbolik“, sagt die Kölnerin. Zusammen mit ihrem transsexuellen Partner wird Bornheim als erstes Königspaar den Verein bei Feierlichkeiten im kommenden Jahr repräsentieren. Auch ein Auftritt beim Christopher-Street-Day in Köln ist vorgesehen.

Schwul-lesbische Schützen fühlen sich gut aufgenommen

Für den 1. Brudermeister des Vereines, Dirk Bachhausen, ist das Königsschießen und die Krönung der Majestät ein emotionales Ereignis: „Wir hatten im März die Idee und heute feiern wir unser erstes Schützenfest, das ist wirklich großartig“, sagt er. Die übrigen 40 Kölner Schützenvereine hießen das neue Mitglied im Kreis der Bruderschaften auch willkommen. „Sie haben uns direkt freundlich aufgenommen und freuen sich über den Nachwuchs“, erklärt Bachhausen. Mittlerweile sei der Verein auch Mitglied im weltlichen Rheinischen Schützenbund. Ein Antrag auf Aufnahme im katholischen Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaft werde derzeit noch von der Verbandsspitze geprüft.

Unterstützung erhalten die neuen Schützen vonseiten der Stadt. Kölns Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes (SPD) besucht das Königsschießen und gibt sogar den ersten Schuss ab. Die Entscheidung des Schützenbundes kann sie nicht nachvollziehen. „Hier in Köln ist es geradezu lachhaft, zu versuchen, Homosexualität zu kriminalisieren“, sagt die SPD-Politikerin. Was im Alltag völlig normal sei, dürfe nicht im Kleinen ausgegrenzt werden.

So sieht es auch die neue Majestät Anette I. Sie will ihren transsexuellen Partner bei künftigen Veranstaltungen nicht zu Hause lassen. Mit leichtem Augenzwinkern und pinken Federn leistet der schwul-lesbische Schützenverein damit Widerstand gegen die alten Traditionalisten.

Autor: Emily Jeuckens, dapd | Foto: Hermann J. Knippertz/dapd
Foto: Die 31-jährige Schützin Annette Bornheim von Deutschlands erster schwul-lesbischen Schützenbruderschaft „Sankt Sebastianus und Afra“ jubelt am Sonntag (14.10.12) auf dem Schützen-Schiessstand in Köln mit Kevon Keitsch über ihre Auszeichnung zur ersten offiziellen deutschen, lesbischen Schützenkönigin.