Köln | Am 3. März 2009 um 13:58 Uhr versank das Kölner Stadtarchiv im Boden. Zurück blieben eine Staubwolke und ein riesiger Trümmerhaufen, aus Archiv und den Nachbargebäuden, die mit in die Tiefe gerissen wurden. Zwei junge Männer wurden unter den Trümmern begraben, Tage später wurden Sie tot geborgen. Heute um 7:30 Uhr, also vier Jahre, 364 Tage und 17 Stunden 32 Minuten später gedachte die Stadt mit einer offiziellen Kranzniederlegung, direkt neben dem Ort, wo Bürger ihre Blumen ablegen.

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Hinweis: Um 13:58 Uhr gedenkt am Waidmarkt die Initiative „Köln kann auch anders“ dem Archiveinsturz. Man will auch die bisher unzureichenden Ermittlungen zur Sprache bringen. Karnevalisten im Rosenmontagszug sind aufgerufen in der Nähe des Archives besonders viele Strüßjer abzuwerfen.

Es ist kurz nach sieben Uhr Morgens. An der Einsturzstelle am Waidmarkt erinnert die riesige Baugrube an den Einsturz. Sie ist eingezäunt. An den Zäunen hängen die Tafeln, die an das Geschehen erinnern. Vier Polizeibeamte riegeln den Ort, wo gleich an den Einsturz gedacht werden soll, ab. Der Kiosk an der Ecke bietet weiße Tulpen und Nelken feil, auf einem Tisch brennen Kerzen und ein Buch das an den Einsturz erinnert kann man erwerben. Ein Jeck mit einer roten Rose ist auch gekommen. Er steht die gesamte Zeit stumm etwas abseits. Stadtdirektor Guido Kahlen, Oberbürgermeister Jürgen Roters, der neue Leiter der Kölner Berufsfeuerwehr Johannes Feyrer, Ratsmitglieder von SPD und Linken und einige wenige engagierte Bürger sind gekommen. Am Zaun hängt ein weißes Herz mit einer roten Zahl fünf. Darunter liegen Blumen wild verstreut, einige welk. Direkt daneben hat die Stadt Köln zwei Kränze an den Bauzaun gehängt und zwei Feuerschalen aufgestellt. An der Stelle, wo in der Tiefe die Körper der toten jungen Männer gefunden wurden steht auf nach oben sichtbaren Wand des Gleiswechselbauwerkes ein Gesteck. Um 7:30 Uhr tritt Oberbürgermeister Roters mittig vor die beiden städtischen Kränze. Warum rahmen die städtischen Kränze nicht den Gedenkort der Bürger ein, sondern hängen nebenan?

Man bildet einen großen Kreis, später tritt Oberbürgermeister Jürgen Roters vor die städtischen Kränze und erinnert an den Einsturz. Er erinnert an die jungen Männer, die unschuldig in den Tot gerissen wurden und denen man nicht das Leben zurückgeben könne. Das Leid bliebe bei den Familien zurück und dieser Moment des Erinnerns solle ihnen Trost spenden. Der Einsturz habe die Stadt verändert, die Menschen seien nachdenklicher geworden im Umgang mit Großprojekten und man höre mehr auf die Stimmen aus der Stadtgesellschaft, stellte Roters in seiner Analyse fest. Er hoffe, so Roters, dass es in diesem Jahr gelinge werde zu den Verantwortlichkeiten gute und nachvollziehbare Aussagen zu treffen und die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen abschließen könne. Man habe nach dem Einsturz eine gewaltige Welle der Solidarität erlebt, durch die Rettungsdienste, aber auch von Menschen aus aller Welt, so dass viele der Urkunden und Archivalien gerettet werden konnten. Roters sprach auch bei denen die ihre Häuser oder Wohnungen verloren haben, von Opfern, denen man auch das Mitgefühl und Trost ausspreche. Roters zeigte sich zuversichtlich, dass es den Kölschen gelingen werde, die Nachdenklichkeit des Tages und des Feierns miteinander zu verbinden, an dem Tag an dem vor fünf Jahren das Stadtarchiv einstürzte und an dem Rosenmontag ist. Drei Rote Funken kommen auf ihrem Weg zum Rosenmontagsfrühstück im Kölner Gürzenich vorbei. Sie bleiben einen Moment stehen, machen ein Foto und ziehen dann weiter.

Nach der Rede des Oberbürgermeisters kommt ein Mann, er ist der Onkel eines der jungen Männer die am 3.3.2009 gestorben sind, an den Bauzaun. Er hängt zwei DIN A 4 Blätter in Plastikhüllen mit Kabelbindern auf. Links und rechts neben das Herz mit der roten Fünf. Das dort Aufgeschriebene, dass die Stadt sich nicht zum die Angehörigen kümmere, kommentiert eine städtische Mitarbeiterin mit den Worten „das stimmt nicht“. Der Mann lässt sich nicht beirren, er macht einfach weiter, aber es sucht auch niemand das Gespräch mit ihm. Er ordnet die Blumen. Daneben gibt der Kölner Oberbürgermeister und die Leiterin des Archivs Bettina Schmidt-Czaia vor den städtischen Kränzen Interviews. Später tritt er mit Stadtdirektor Guido Kahlen noch einmal vor die städtischen Kränze. Der Mann links neben ihm ordnet immer noch die Blumen und hängt sie ordentlich an den Bauzaun. Zu einem Dialog zwischen dem Mann und der Stadtspitze kommt es nicht, am Gedenkort Bauzaun.

Die Sonderkommission der Kölner Staatsanwaltschaft und Polizei ermittelt gegen 106 Beschuldigte wegen fahrlässiger Tötung und Baugefährdung. Die Archivalien, immerhin 95 Prozent wurden geborgen, sind über die gesamte Republik verstreut und mit ihrer Restaurierung ist erst minimal begonnen worden. Der Neubau des Archivs ist geplant, umgeplant und soll jetzt am Eifelwall begonnen werden. Es heißt mit Verzögerungen beim Neubau ist zu rechnen. Um 10:30 Uhr startet der Rosenmontag an der Severinstorburg und wird dann zunächst schnurstracks auf den Waidmarkt zulaufen um ihn dann zu umrunden. 2009 war er nur wenige Tage vor dem Archiveinsturz über den Waidmarkt gezogen und hat dort zum bisher letzten Mal seine klebrigen Spuren hinterlassen.

Autor: Andi Goral
Foto: Nebeneinander statt gemeinsam hängen die Gedenkblumen und Kränze von Stadt und Bürgern am Bauzaun am Waidmarkt